"Todesangst trifft es auf den Punkt"

Florian Hill überlebt Lawinenabgang am Mount McKinley

Seine Solo-Besteigung des Mount McKinley/Denali (6194m) in Alaska hätte beinahe ein trauriges Ende gefunden: Beim Abstieg geraten Florian Hill und drei weitere Bergsteiger in eine Lawine. Der 28-Jährige wird am Arm, der Schulter und am Kopf verletzt, kann sich aber selbst aus den Schneemassen befreien und ins Basislager absteigen. Vier japanische Bergsteiger hatten einen Tag später weniger Glück.

Florian Hill überlebt Lawinenabgang am Mount McKinley

Mitte April hatte sich der deutsche Extrembergsteiger Florian Hill Richtung Alaska aufgemacht. Sein Ziel: Eine neue Route an der 1800 Meter hohen Südwand des Mount Orville (3199m) zu eröffnen. Bennant nach dem Flugpionier Orville Wright gehört der Granitriese zu den berüchtigten Coast Mountains. Die dort vorherrschenden extremen Wetterbedingungen lassen eine Besteigung oftmals zum Roulettespiel werden. Dies mussten auch Florian Hill und sein amerikansicher Seilpartner Will Wacker erfahren. Aufgrund heftiger Frühjahrsstürme war an einen Gipfelversuch nicht zu denken.

Doch Hill ließ sich von der Situation nicht entmutigen. Ohne Wacker machte sich der 27-Jährige auf zum Mount McKinley/Denali (6194m), um den größten Berg Nordamerikas in einer Solobesteigung zu versuchen. Bei fast idealen Bedingungen läuft für den jungen Profibergsteiger zunächst alles nach Plan - dann gerät Hill beim Abstieg in eine Lawine. Seine Eindrücke schildert er im Interview mit alpin.de

alpin.de: Wie waren die Verhältnisse am Denali?

Für eine schnelle Solo-Besteigung waren die Verhältnisse nahezu perfekt. In der Nacht konnte man über die Gletscher im unteren Bereich mit Ski skaten. Problematisch waren diesmal die heftigen Schneefälle.

alpin.de: Hatte es die Tage vor dem Unglück bereits größere Lawinenabgänge gegeben?

In der Zeit meiner Akklimatisation konnte ich einige spontane Lawinenabgänge beobachten. Kurzfristig haben sogar die Ranger im Medical Camp daran gedacht ihre Zelte abzubrechen und in Sicherheit zu bringen. Einige der Lawinen kamen dem Basislager bedrohlich nahe.

Hatte Glück im Unglück: Florian Hill (Foto: Hill).
Hatte Glück im Unglück: Florian Hill (Foto: Hill).

alpin.de: Wo genau hat sich der Unfall zugetragen?

Die erste Lawine hat die drei anderen Bergsteiger und mich unterhalb der Fix-lines erwischt, etwa auf 4.800 Metern. Die drei hatten sich beim Abstieg darin eingeklingt und wurden etwa brusthoch verschüttet. Ich habe diese Seile nicht genutzt und konnte dem Rutsch ausweichen. Die anderen Bergsteiger hatte ich auf dem Weg ins Basislager getroffen. Die zweite Lawine hat dann auch mich getroffen und mitgerissen. Durch den plötzlichen und heftigen Schneefall gingen überall spontane Lawinen ab. Es war ein großes "Donnerkonzert".

alpin.de: Hattest Du Todesangst? Oder warst Du relativ entspannt?

Todesangst trifft es auf den Punkt. Lawinen sind extrem unangenehm. Da ist diese ungeheuerliche Kraft, die dich einfach durch die Gegen wirbelt, wie ein Spielball. Dann der Schnee, der sich in die Atemwege presst. Man bekommt keine Luft mehr und man weiß, wenn dieser Rutsch aufhört, wirst Du vielleicht tief unter dem Schnee liegen und einfach ersticken.

alpin.de: Du konntest dich selbst von den Schneemassen befreien?

Durch die Gewalt der Lawine sind die Schultergurte von meinem Rucksack gerissen. Als die Lawine zum Stillstand gekommen ist, konnte ich mich selbst befreien. Daran habe ich aber fast keine Erinnerungen mehr. Mein Bewußtsein kam erst wieder zurück, als ich mich bereits an der Schneeoberfläche befand. Wie lange ich wirklich unter der Schneedecke lag kann ich nicht sagen.

alpin.de: War Dir sofort klar, dass Du Dich ziemlich verletzt hattest?

Nein. Ich konnte zwar meinen rechten Arm nicht richtig bewegen, aber der Schock und die Angst waren größer vor einer dritten Lawine verschüttet zu werden. Nach der Lawine konnte ich eine Zeit lang nichts sehen. Ich weiss nicht, ob das auf eine Sauerstoffunterversorgung zurückzuführen ist, oder einen Schlag auf den Hinterkopf. Nachdem ich wieder Sauerstoff atmen konnte, habe ich erstmal Blut gespuckt. Danach kam langsam meine Sicht wieder.

Wurde vier Japanern zum Verhängnis: Lawinenabgang wie auf diesem Bild am Mount Orvillei (Foto: Hill).
Wurde vier Japanern zum Verhängnis: Lawinenabgang wie auf diesem Bild am Mount Orvillei (Foto: Hill).

alpin.de: Wie ging es dann weiter?

Durch einen White-out konnte uns niemand im Basislager sehen. Eine Rettung durch die Ranger oder andere Bergsteiger kam aufgrund der akuten Lawinensituation ebenfalls nicht in Frage. Die anderen drei Bergsteiger waren heftiger verletzt als ich. Ich war der einzige der keine Verletzungen an den unteren Extremitäten hatte. Also war klar, wer die Spur bis ins Basislager anlegt. Im Basislager haben uns bekannte Bergsteiger mit Tee versorgt.

Am gleichen Tag ist ebenfalls mein Freund und Bergsteigerkollege Adam Bielecki (Anmerkung: Erste Winterbesteigung von G1 aus 2012) diesen Weg vom Hochlager abgestiegen. Ich hatte Bedenken, dass er in die gleiche Situation gerät wie ich. So habe ich versucht, ihn per Funk zu warnen. Ihm ist zum Glück nichts passiert. Wir waren heilfroh, als wir uns im Basislager wiedergetroffen haben.

alpin.de: Nur einen Tag nach Deinem Unfall sind am Denali vier japanische Bergsteiger bei einem Lawinenabgang ums Leben gekommen.

Die Japaner waren über zehn Tage Zeltnachbarn von mir. Sie haben die Besteigung aufgrund des Wetters abgebrochen und waren bereits auf dem Weg zum Air strip (7,000 feet). Der Unfall ereignte sich etwa zwei Stunden, nachdem ich den Motorcycle Hill abgefahren bin. Als ich von dem Unglück hörte, war ich erstmal sprachlos. Vier Bergsteiger verloren ihr Leben an einer Stelle, an der wohl niemand eine Lawine erwartet hätte.

Viel Zeit, das Geschehene zu verarbeiten, bleibt Florian Hill nicht. Es warten Sponsoren-Termine auf der Outdoor-Messe in Friedrichshafen, im Anschluss geht es mit dem Antarktis- Pionier Damien Gildea nach Tien Shan, einem Gebirgszug an der chinesisch-kirgisische Grenze. Und mit dem Mount Orville haben Hill und Will Wacker auch noch eine Rechnung offen.

Interview: alpin.de / Fotos: Florian Hill