Interview mit Alix von Melle (Teil II)

Alix von Melle: "Ich schlafe in der Höhe immer noch gut"

Alix von Melle: "Ich schlafe in der Höhe immer noch gut"

ALPIN: Hast Du auf Reisen einen MP3-Player dabei? Und wenn ja, was hörst Du damit an?

Alix von Melle: Luis und ich haben beide einen dabei. Aber unsere Musikgeschmäcker sind völlig verschieden. Ich hab nur klassische Musik drauf. Vielleicht ein Anhängsel aus meiner alten Vergangenheit als Jugendliche, wo ich Geige gespielt habe.

ALPIN: Spielst Du noch?

Alix von Melle: Nicht mehr. Ich hab meine Geige noch, das war auch eine wichtige Zeit. Aber mit dem Klettern , Eisklettern und so … da hast du das mit den Fingern gar nicht mehr so drauf und es ginge auch zeitlich nicht. Ich habe ja seinerzeit relativ gut gespielt, und diesen Anspruch hätte ich noch immer. Wenn ich jetzt anfangen würde, das wäre eine Katastrophe. Und drum hab ich die Klassik im MP3-Player dabei, Mozart und Beethoven, abends im Zelt. So zum Einschlafen. Tagsüber brauch ich das gar nicht, wie es andere machen, zum Aufpuschen, auch nicht beim Dauerlauf, da würde ich ohnehin andere Musik hören. Luis macht das oft beim Training. Luis hört eine ganz andere Richtung, das geht so mehr in Richtung Hardrock. Man muss ja nicht alles teilen. Wir lesen auch ganz unterschiedliche Bücher. Ganz gut gefallen hat mir z. B. die Entdeckung der Langsamkeit. Und wahrscheinlich, weil mein Vater aus Lübeck stammt, von Thomas Mann die Buddenbrooks. Klassiker, Romane, Luis ist da mehr so der Thriller-Fan. Was für mich gar nichts ist.

Alix liebstes Krimi-Gespann: Max und Freddy aus Köln.
Alix liebstes Krimi-Gespann: Max und Freddy aus Köln.

ALPIN: Also schaust Du auch keinen Tatort?

Alix von Melle: Witzigerweis schon, aber da in ich auch sehr wählerisch. Ich schau nur einen bestimmten Tatort an. Nämlich den mit dem Kölner Kommissar-Duo Klaus J. Behrendt und Dietmar Bär, besser bekannt als Max Ballauf und Freddy Schenk.

ALPIN: Du würdest mit Freddy Schenk auch auf den Berg gehen?

Alix von Melle: Muss gar kein Berg sein, würde auch gern eine gemütliche Kneipe mit ihm besuchen. Ich bin ein ganz großer Kölner-Tatort-Fan. Wenn die kommen, ist bei uns Sonntagabend Staatskino. Luis stellt den Anrufbeantworter an und schaut dann ab und zu gemeinsam mit mir zu.

ALPIN: Und dann ab in die Würstchenbude?

Alix von Melle: Ich bin ja fast hundertprozentiger Vegetarier. Nicht ganz, aber Würstelbuden …

ALPIN: Wie kommst Du gut ernährt auf die Berge der Welt?

Alix von Melle: Das ist tatsächlich auf Tour ziemlich schwierig. Wenn ich hier bin, esse ich Obst und Gemüse sehr gerne. Und dort wird man ja von den Einheimischen gut versorgt. Ich finde es auch schön, wenn man in fremden Ländern ist, dass man auch das Essen zu sich nimmt, das dort gegessen wird. Ich passe mich da eigentlich gut an. Aber ich bin vorsichtig mit Obst und erst recht mit Salat und das merke ich dann am Ende einer Expedition, dass ich wieder große Lust auf etwas Frisches habe.

ALPIN: Und zu Hause hältst Du dann Vorträge …

Alix von Melle: Ja, ich war ganz überrascht, dass mir das so viel Spaß macht, dass ich auch gar keine Scheu habe.

ALPIN: Hat die Mutter auch schon mal zugehört?

Alix von Melle: Ja, sie ist nun ja so gar keine Bergsteigerin, aber sie hat sich sehr für das interessiert.

ALPIN: Hast Du zum schweren Bergsport eine Art Parallelwelt?

Alix von Melle: Ja, ich mach sehr gern Yoga. Ich brauche überhaupt keinen Jubel-Trubel, bin sehr zurückgezogen. Also kein Partymensch. Und wenn wir ein großes Projekt haben, dass geht viel Zeit drauf mit Trainieren. Danach muss man Vorträge vorbereiten. Also bleibt für anderes gar nicht viel Zeit übrig. Also, wenn ich aus irgendwelchen Gründen nicht mehr Bergsteigen könnte, ich glaube nicht, dass ich dann in ein Loch fallen würde. Ich würde gerne einige kreative Sachen ausprobieren.

ALPIN: Landauf, landab gibt es Gender-Diskussionen und das Thema Quotenfrau, Wo stehst Du da?

Alix von Melle: Ich mach mir da nicht allzu viel Gedanken. Am Berg sind meine Partner da, egal ob Männlein oder Weiblein. Natürlich ist es immer noch so, dass in den Jobs die Frauen nach wie vor schlechter bezahlt werden. Und oft mehr Leistung bringen müssen. Ich denk, was ich mache möchte ich gut machen, da hab ich einen Anspruch an mich. Natürlich fällt mir auf, auch beim DAV, die Vorstände, meist nur Männer. Aber ich seh', grade beim Bergsteigen, es ist nicht so, dass ich mich da profilieren muss. Auch im Job ist es mir egal, ob ich da mit zehn Männern zusammenarbeite, oder zehn Frauen.

Nicht nur auf den höchsten Bergen, sondern auch gern im Fels unterwegs.
Nicht nur auf den höchsten Bergen, sondern auch gern im Fels unterwegs.

ALPIN: Männerfrage: Fährst Du gern Auto?

Alix von Melle: Neiiiiiiin!!! Ich hasse Autofahren. Ich bin auch gegenüber Autos, ob das jetzt ein silbern glänzender BMW ist, oder eine alte Rostgurke , so was von unemotional. Das Ding muss fahren, im Winter anspringen. Und zum Ausgangspunkt von Skitouren hochkommen, sonst hab ich an Autos keine anderen Ansprüche.

ALPIN: Hast Du eine Handtasche?

Alix von Melle: Ja, sogar mehrere und auch verschiedene Schuhe. Ich hab auch ein, zwei feinere Täschchen.

ALPIN: Findet da man auch einen Lippenstift drin?

Alix von Melle: Ja, aber der hat sich dann verirrt. Ich muss nicht aufgetakelt sein, oder jeden Tag geschminkt. Aber wenn man unterwegs war, wochenlang in den gleichen Klamotten, da finde ich es schon sehr angenehm, in hübsche, frische Kleidung zu wechseln. Und in die Oper geh ich nicht im Anorak.

ALPIN: Wann warst Du das letzte Mal im Kino?

Alix von Melle: Das ist richtig lange her. Aber jetzt hab ich ja einen Arbeitsplatz direkt neben einem tollen Kino. Doch wenn ich erst mal zu Hause bin in Höhenkirchen, das nächste Kino ist weit, da wird es dann doch eher der Tatort. Oder man zieht eine DVD raus und ist bequem, statt sich nochmals ins Auto zu setzen.

ALPIN: Der neue Arbeitgeber, Globetrotter, wird Dich auch auf Expedition losziehen lassen?

Alix von Melle: Ja, unbedingt und das war mir auch ganz wichtig. Ich arbeite nicht Vollzeit, hier hat mir das Buch von Gerlinde Kaltenbrunner große Entscheidungshilfe gegeben. Dass ich mich dann fragte, was willst du wirklich? Und man hat das akzeptiert. Umgekehrt hat Globetrotter auch was von mir, wenn ich Ausrüstung teste und das kommt wiederum beim Kunden an. Ja, da hat mir eben Gerlinde geholfen, ich hab ihr das damals auf dem Flug nach Nepal erzählt.

Starkes Team - am Berg und privat: Alix von Melle und Louis Stitzinger (Foto: von Melle/Stitzinger).
Starkes Team - am Berg und privat: Alix von Melle und Louis Stitzinger (Foto: von Melle/Stitzinger).

ALPIN: Du weißt, welche wichtige Frage noch fehlt?

Alix von Melle: Klar. Nach Kindern.

ALPIN: Familiengründung.

Alix von Melle: Genau. Generell ist das schwierig, Familie mit dem Expeditionsbergsteigen zu vereinbaren. Ich würde auch nicht wollen, wenn ich ein Kind zu Hause hab, dass ich dann trotzdem meinen Leidenschaften hinterher bin. Luis und ich haben uns letztendlich noch nicht entschieden. Aber uns ist klar, wenn Familie, dass es dann so nicht mehr geht. Wenn ich ein Kind hätte, wäre eine andere Verantwortung im Vordergrund. Ich würde auch nicht wollen, dass ich dann so lange weg bin. Und die Kinder wachsen inzwischen bei anderen auf.

ALPIN: Luis und du unterwegs, gibt es da auch Meinungsverschiedenheiten am Berg. Kräche?

Alix von Melle: Am Berg nicht so richtig. Dass es da einmal zum Streit kommt, ist eher nicht der Fall, aber dass man verschiedener Meinung ist - natürlich. Es ist eher so, dass wir uns dann zu Hause streiten, im Alltag, wenn man gestresst ist. Aber bei Expeditionen ziehen wir meistens an einem Strang.

ALPIN: Wenn Luis mal keine Zeit hätte, mit wem wärst Du gern unterwegs?

Alix von Melle: Hmmm. Spontan wäre mir da der Hans Kammerlander eingefallen …

ALPIN: … bist Du nicht die erste und einzige … und Vorbilder?

Alix von Melle: Ich les schon gerne, was Gerlinde Kaltenbrunner oder Ines Papert beispielsweise so machen und hab da größten Respekt, aber als Vorbilder … eher nicht.

ALPIN: Wie gehst Du mit dem Thema künstlicher Sauerstoff um?

Alix von Melle: Wir haben ihn bisher nie benutzt, und für mich ist klar, dass das so bleiben soll. Aber auf der anderen Seite muss ich sagen, ich verurteile das nicht so. Wenn jemand für sich selber sagt, er möchte so einen Berg besteigen, will aber auch diese Sicherheit haben, dann ist das etwas, das jeder für sich selber entscheiden sollte. Ist ja nicht so wie bei der Tour de France, dass er anderen schadet, wenn er davonradeln kann. Ich steigere mich in das Thema gar nicht so rein. Ehrlich gesagt: Vielleicht komm ich auch mal in diese Situation …

Makalu Expedition 2010: Beim Aufstieg zum Advanced Base Camp (Foto: von Melle/Stitzinger)
Makalu Expedition 2010: Beim Aufstieg zum Advanced Base Camp (Foto: von Melle/Stitzinger)

ALPIN: Du wirst ja heute von Sponsoren unterstützt …

Alix von Melle: Wir werden seit einiger Zeit materiell von Firmen unterstützt, zum Teil ganz unterschiedlich, was es dann manchmal schwierig macht, ein Foto zu schießen …

ALPIN: Vielleicht sollte man auf die hohen Gipfel Umkleideräume bauen?

Alix von Melle: Bloß nicht! Ja und seit einiger Zeit werde ich über das Materielle hinaus auch finanziell gefördert. Unabhängig von meinem Arbeitsvertrag unterstützt Globetrotter nun auch finanziell meine Expeditionen. Bei Luis ist es eine rein materielle Unterstützung, bei ihm ist es ja so, wenn er für den Summit Club führt, dann verdient er auch daran. Er braucht sich auch keinen Urlaub zu nehmen und bei mir ist das eben so, dass ich richtig dicke Kosten habe. Urlaub nehmen muss. Drum bin ich froh, dass ich ein paar finanzielle Partner habe.

ALPIN: Und wenn Du heute eine Lebens- oder Unfallversicherung abschließen wolltest …

Alix von Melle: … ich glaube, die würden mich nicht nehmen. Ich hab schon wilde Geschichten gehört, dass man ankreuzen muss, wie oft man pro Woche Klettern geht, und in welchem Schwierigkeitsgrad.

ALPIN: Aber das Thema Sicherheit ist unabhängig davon ein wesentliches.

Alix von Melle: Auf jeden Fall. Ich bin schon vom Typ her jemand, die eher sicherheitsbewusst ist.

ALPIN: Hältst Du Dich da auch in der Theorie fit, und wie?

Alix von Melle: Alles was ich unter die Finger krieg , das les ich, und natürlich auch die einschlägigen Magazine wie ALPIN, speziell die Tests, oder Berg+Steigen. Ich bin auch beim DAV Fachübungsleiterin und muss dann eh alle paar Jahre eine Fortbildung machen. Ich finde das auch nicht lästig, sondern das ist eine Chance, sich immer wieder upzudaten. Ganz, ganz früher hatte ich schon auch den Gedanken, das wäre toll, eine Bergführerausbildung zu machen. Aber ich sage ganz klar, ich müsste da technisch richtig trainieren, klettermäßig, wasserfallmäßig und - das hab ich auch gemerkt - dass ich gar nicht so gern die Situation hätte, dass ich führe.

Hat keine Angst vor Vorträgen: Alix von Melle (Foto: von Melle/Stitzinger).
Hat keine Angst vor Vorträgen: Alix von Melle (Foto: von Melle/Stitzinger).

ALPIN: Wie groß muss eine Wohnung sein, in der zwei aktive Bergsteiger wie Luis und du leben, die ja vermutlich sehr viel Equipment bunkern müssen?

Alix von Melle: Da sprichst Du ein gutes Thema an, unsere Wohnung ist echt klein. Zwei Zimmer, 60 Quadratmeter, die platzt an allen Ecken und Enden. Wir haben damals die Wohnung nach dem Keller ausgesucht. Und unser Keller ist bis unter die Decke mit Ausrüstung voll.

ALPIN: Gerlindes Buch hat Dich fasziniert. Wann schreibst Du selber eins?

Alix von Melle: Fragt meine Schwester auch manchmal, sie sagt, wenn Du zurück bist von Expeditionen, Du kannst so spannend erzählen. Aber für mich selber seh' ich das momentan überhaupt nicht. Ich denke, ich hätte noch gar nicht so viel zu erzählen, ich weiß auch gar nicht, wie ich so ein Buch aufbauen würde, damit das für Leser überhaupt interessant ist. Und vieles ist ja auch meine Privatsphäre und die ist mir wichtig, ich würde eigentlich gar nicht wollen, dass so was veröffentlicht wird.

ALPIN: Letzte Frage: Ist Bergsteigen ein Jungbrunnen?

Alix von Melle: Nun ja. Also nach einer Expedition, wenn ich vom Gipfel herunter komme, da mache ich spaßeshalber immer ein Foto von mir. Nur für mich. Und wenn ich die Bilder anschaue denke ich: Mein Gott, wie fertig schaust du da aus. Aber man erholt sich auch relativ schnell davon. Bei mir ist es so, die meisten Leute schätzen mich jünger, als ich aussehe, und ich habe auch nicht den Eindruck, dass das Bergsteigen mich hat Altern lassen.

Ein Porträit von Alix von Melle finden Sie in der April-Ausgabe von ALPIN.

Weitere Artikel zu Alix von Melle auf alpin.de: