ALPIN-Gespräch mit Thomas Urban zum Rücktritt von Prof. Dr. Röhle

Interview mit dem Hauptgeschäftsführer des DAV: "Wir werden nicht auseinander brechen!"

Eine Verbandsratssitzung des Deutschen Alpenvereins (DAV) endete am 03. Juli mit einem Paukenschlag: Prof. Dr. Heinz Röhle, langjähriger Präsident des DAV, trat mit sofortiger Wirkung zurück. Auf ALPIN.de erläuterte Röhle die Gründe für diesen Schritt bereits näher. Nun schildert Thomas Urban, Hauptgeschäftsführer des DAV, seine Sicht der Dinge...

Interview mit dem Hauptgeschäftsführer des DAV: "Wir werden nicht auseinander brechen!"
Hat viele mit seinem Rücktritt überrascht: Ex-DAV-Präsident Prof. Dr. Heinz Röhle.
Hat viele mit seinem Rücktritt überrascht: Ex-DAV-Präsident Prof. Dr. Heinz Röhle.

Unruhige Zeiten beim DAV, eine Zeitung sprach von einem "Erdbeben".

Wir haben ein funktionierendes Präsidium. So überraschend der Rücktritt von Heinz Röhle auch kam - wir haben ja an diesem Freitagabend nicht gewusst, dass so etwas passiert - aber der DAV ist auch satzungsgemäß darauf vorbereitet, dass sein Präsidium arbeitsfähig ist.

Der Vize ist sofort nachgerückt?

Dass Ludwig Wucherpfennig zum amtierenden Präsidenten gewählt wurde, dazu gab es eigentlich keine Alternative. Die anderen Präsidiumsmitglieder sind beruflich stark eingespannt, wobei auch Ludwig Wucherpfennig klar gesagt hat, dass bei ihm eine weitere Kandidatur bei der nächsten Hauptversammlung in Osnabrück nicht in Frage kommt.

Was hat sich seitdem verändert?

Unsere Arbeit wird genauso weiterlaufen, wie sie auch vorher lief. Bei der Diskussion, die zum Rücktritt von Professor Röhle führte, ist es nicht um inhaltliche Fragen gegangen. Das bestätigen alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Verbandsrates: In der Debatte wurde über Inhalte gar nicht gesprochen. Weder, wie jetzt vielleicht spekuliert wird, dass es um die Bewerbung zu den olympischen Winterspielen und die Haltung des DAV dazu ging, oder Alpspix oder grundsätzlich weniger Naturschutz, darum ging es absolut nicht. Wir werden auch sicher nicht, wie Herr Messner sogleich vorausgesagt hat, auseinander brechen.

Es werden ja mehr "atmosphärische" Gründe genannt, wenn auch nicht von Herrn Röhle bestätigt. Hat er sich in den Führungsgremien die Sympathien verscherzt? Es gab ja in den DAV-Reihen schon immer wieder Klagen über einen "Machtmenschen".

Es war insofern keine überraschende Diskussion, da das Thema Rollenverständnis auf der Tagesordnung stand und zwar in Bezug auf die Rollen: Präsidium, Verbandsrat, Sektionen. Der DAV hat grundsätzlich eine sehr demokratische Führungs- und Entscheidungsstruktur. Das geht los bei der Mitgliederversammlung, die jährlich stattfindet, was bei anderen großen Verbänden keineswegs der Fall ist. Ich finde es jedes Mal erstaunlich, dass jedes Jahr 600 bis 700 Menschen aus allen Ecken und Enden der Republik zu diesen Versammlungen kommen. Und dann haben wir nicht nur das Präsidium, den Vorstand, sondern dazwischen noch diesen Verbandsrat. Und der entscheidet die Jahres- und Mehrjahresplanung. Der tagt dreimal im Jahr. Die Sektionen in ihrer großen Mehrheit wollten 2002 dieses Instrument.

Im Interview mit ALPIN: DAV-Hauptgeschäftsführer Thomas Urban.
Im Interview mit ALPIN: DAV-Hauptgeschäftsführer Thomas Urban.

Und das Präsidium?

Das trägt die Gesamtverantwortung. Keines der Präsidiumsmitglieder hat eine herausgehobene Stellung, auch der Präsident nicht. Er ist einer unter fünf gleichen. Und im Verbandsrat einer unter 22. Unsere Führungsprinzipien sind sehr demokratisch ausgestaltet.

Und einige dieses Verbandsrates haben an diesem Freitag gesagt: Du hast unser Vertrauen nicht mehr?

Die Diskussion ging am Freitag los und wurde am Samstag fortgesetzt. Während der Diskussion gewann Heinz Röhle den Eindruck, dass eine relevante Mehrheit mit ihm Schwierigkeiten hat.

Hat man da noch versucht, die Kuh vom Eis zu bringen?

Ja natürlich. Das ist ja nicht in fünf Minuten ausgehandelt worden, es wurde am Samstag auch noch lange debattiert. Ich bin mir sicher, dass ein Großteil der Mitglieder des Verbandsrates den spontanen Rücktritt Röhles insbesondere wegen seiner inhaltlichen Kompetenz bedauert haben. Denn er war ja jemand, der im Bereich Naturschutz und alpine Raumordnung unbestritten eine extrem hohe Fachkompetenz mitbrachte. Er hat auch zeitlich ein Engagement an den Tag gelegt, das sehr außergewöhnlich war. Deshalb ist sein Verlust auch zu bedauern. Die Diskussion war übrigens ohne persönliche Angriffe. Nichts unter der Gürtellinie. Und es wurde auch immer betont, dass seine Leistung außen vor steht. Es ging um die Frage des Führungsstils, der Rollenklärung: Was macht das Präsidium, was macht der Präsident, was macht der Verbandsrat?

Nun stellt Dr. Röhle dies anders da, er sieht sich inhaltlich angegriffen. Hier drängt sich natürlich die Frage auf, hat die Haltung des DAV zur Olympia-Bewerbung, wo es um große Interessenverbände und große Gelder geht, irgendwas damit zu tun? Röhles Engagement war in der Frage ja sehr entschlossen. Was wäre, so mag spekuliert werden, wenn da der DAV abspringen würde?

Grundsätzlich vorab: Natürlich ist es so, dass das Thema Sport - Naturschutz ein stetiges Spannungsfeld ist. Ob mit oder ohne Professor Röhle. Das Thema beschäftigt und bewegt uns permanent. Dazu zählt auch der ständige Vorwurf des "Alpen-ADAC" und der damit zusammenhängende Vergleich als Dienstleistungsunternehmen. Erstens ist eine Dienstleistung nichts Ehrenrühriges. Und unsere Aufgabe ist es AUCH, für die Mitglieder gute Dienstleistung anzubieten. Versicherung, Sicherheit, Wege - das hat mit den Inhalten zunächst gar nicht viel zu tun. Es stört mich, wenn das in Diskussionen immer verquickt wird. Wichtig ist aber genau so, dass es uns auch um Inhalte geht. Und die verändern sich stets, da können wir nichts dagegen machen. Vor 20 Jahren hat von Sportklettern und Kletteranlagen noch kein Mensch geredet. Und damit verändert sich auch die Mitgliederstruktur.

Fungiert als neuer Interims-Präsident: Ludwig Wucherpfennig.
Fungiert als neuer Interims-Präsident: Ludwig Wucherpfennig.

Wie beim Thema Sport?

Ja, da sind unsere Spitzensportler, die fordern mehr Unterstützung und auf der anderen Seite gibt es den großen Bereich Hütten, Wege, Raumordnung, Naturschutz. Wichtig ist, bei allen Veränderungen, die der Verband mitmachen muss, dass wir unsere Basis und unsere Seele nicht verlieren. Es ist die wichtigste Aufgabe der Führung, diesen Ausgleich immer zu beachten. Also ein No-Go wäre, dass eine Sektion eine Kletterhalle baut und dafür eine Hütte abgibt. Auf der anderen Seite dürfen wir uns neuen Entwicklungen auch nicht verschließen.

Röhle ist und war für den DAV ein aufmerksamer, engagierter Umweltschützer. Jetzt ist die Frage, wer kommt nach ihm? Die Umweltschützer sorgen sich, dass nun eine andere Politik einziehen könnte.

Grundsätzlich sind unsere Beschlüsse zu Olympia oder Alpspix, Riedberger Horn etc. keine, die der ehemalige Präsident für sich gefasst hat, das sind Beschlüsse des Präsidiums oder des Verbandsrates. Gremienbeschlüsse, da wird sich definitiv nichts ändern!

Also auch im Fall der Olympischen Winterspiele?

Wir werden laut unserer Beschlussfassung zu den Olympischen Winterspielen nur so lange dabei sein, solange wir realistisch die Chance sehen, dass wir die Leitprojekte, die wir eingebracht haben, auch umsetzen können. Wenn wir mitgeteilt bekommen, die kommen nicht, dann sind wir weg. Das ist so, das war so und das bleibt so! Übrigens, auch in der Mitgliedschaft gibt es Olympia-Gegner und Befürworter, so ist das eben.

Was braucht der DAV für einen neuen Präsidenten?

Natürlich steht jetzt die Frage im Raum, wer Nachfolger wird. An der Politik des DAV bezüglich Raumordnung und Naturschutz wird sich auf absehbare Zeit nichts ändern. Es sei denn die Mitgliederversammlung würde ein völlig neues Votum abgeben. Am ausgewogenen Verhältnis Sport und Naturschutz wird sich nichts ändern.

Die Reaktion auf den Rücktritt war öffentlich eher still. Wenn ich daran denke, was wäre, wenn ein Uli Hoeneß vom großen FC Bayern zurückträte...

Wobei der DAV größer ist, als der FC Bayern.

Finanziell wohl nicht...

Das mag sein. Die schreibende Zunft war objektiv mehr mit Fußball beschäftigt und auch das Echo aus den Sektionen war überschaubar. Klar, gemischte Reaktionen. Wir wollen jetzt, dass sich die Sektionen über einen Kandidaten Gedanken machen. Denn die haben das Vorschlagsrecht. Natürlich sind schon in der Diskussion Namen gefallen ...

Josef Klenner, der ehemalige Vorsitzende ...

Der ja von uns wieder zum Präsidenten des CAA (Club Arc Alpin, d. Red.) vorgeschlagen wird. Ich weiß in keinem Fall, ob da was dran ist. Es gibt ein von der Mitgliederversammlung beschlossenes Portfolio, welche Voraussetzungen ein Präsident mitbringen muss. Dies haben wir den Sektionen zugeleitet. Wer mit dem DAV nichts zu tun hatte, kann auch nicht Präsident werden.

Auch andere Namen fallen wie reife Früchte vom Himmel, Günther Beckstein, Heiner Geißler...

Ich hab auch schon gehört, dass der ehemalige Ministerpräsident im Gespräch sein soll. Kommentieren will ich das nicht.

...es ist ein unbezahlter Job.

Absolut, es gibt nur Aufwandsentschädigungen.

Wurde auch als möglicher Nachfolger ins Gespräch gebracht: Ex- Ministerpräsident Günther Beckstein.
Wurde auch als möglicher Nachfolger ins Gespräch gebracht: Ex- Ministerpräsident Günther Beckstein.

Aber wie will man einen guten Kandidaten bekommen, der voll im Saft steht, aber beruflich so eingespannt ist, dass er für so ein Ehrenamt nicht in Frage kommt.

Das ist nicht nur ein Problem des DAV, sondern aller großen Verbände, die jemanden brauchen, wo die notwendigen Voraussetzungen mit dem Zeitaufwand zusammenpassen. Ludwig Wucherpfennig würde ja vielleicht auch noch einmal kandidiert haben, wäre er zehn Jahre jünger.

Macht es da nicht Sinn, analog zur Politik, für das höchste gewählte Amt eine Kostenstelle einzurichten?

Nach unserer Satzung ist das nicht möglich. Das wurde im Rahmen der Leitbild-Diskussion damals diskutiert. Da hat die große Mehrheit der Sektionen festgelegt, dass die strategische Führung des DAV ein Ehrenamt bleibt. Es gibt andere Verbände die finanzielle Lösungen für Vorstände gefunden haben. Aber für uns stellt sich das Thema jetzt nicht. Wir haben die Aktion "pro Ehrenamt" gestartet, weil es immer schwerer wird, Menschen für ein langfristiges Ehrenamt zu finden. Für kurze, einzelne Einsätze ist das kein Problem.

Aber macht es das nicht Interessengruppen leichter, jemanden in diesen Posten zu bekommen?

Es ist sicher gut, dass der DAV auch parteipolitisch unabhängig und neutral ist. Da vertrau ich doch unserer demokratischen Ausrichtung des Vereins, der funktionierenden Demokratie in unseren Reihen. Der DAV ist bei aller Größe auch eine große Familie. Und ich vertraue den ca. 700 Menschen, die zur Mitgliederversammlung kommen werden nach Osnabrück - wir haben bereits sehr günstige Konditionen mit dem ICE ausgehandelt...

… mit Klimaanlage?

Unbedingt, auch wenn wir die im November vielleicht nicht so brauchen.

Interview: Clemens Kratzer

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