Britischer Bergsteiger stirbt nach Erblindung beim Abstieg

Tragödie am Everest

Am 25. Mai steht Peter Kinloch auf dem Gipfel des Mount Everest (8848m). Für den jungen Schotten ist in diesem Moment ein Lebenstraum in Erfüllung gegangen. Der Abstieg wird jedoch zum tödlichen Alptraum. Bereits wenige hundert Meter unter dem Gipfel stolpert und stürzt Kinloch etliche Male, verliert auch immer wieder die Orientierung. Am «Second Step» haben die Expeditionsteilnehmer Gewissheit: Der 28-Jährige ist erblindet. Als alle Rettungsversuche scheitern, wird der Brite allein zurückgelassen.

Tragödie am Everest
Japanische Expedition beim Erreichen des Everest-Gipfels (Foto: Picture Alliance).
Japanische Expedition beim Erreichen des Everest-Gipfels (Foto: Picture Alliance).

Überglücklich genießt Peter Kinloch seinen Erfolg. Er steht nicht nur auf dem Gipfel des höchsten Berges der Erde, sondern hat damit in diesem Moment auch fünf der "Seven Summits" in der Tasche. Er ist erfahren und austrainiert. Den Aufstieg über die schwierigere Route von der chinesischen Seite meistert der Schotte noch ohne ersichtliche Probleme.

Beim Abstieg strauchelt Kinloch gut 180 Meter unter dem Gipfel das erste Mal. Es folgen weitere Stolperer, die die übrigen Expeditionsteilnehmer sowie die Sherpas noch als Zeichen allgemeiner Erschöpfung deuten. Am Anfang des "Second Step", der berüchtigten Steilstufe auf 8604 Meter, deren schwierigste Stelle 1975 von chinesischen Bergsteigern durch eine Aluleiter entschärft worden war, äußert der 28-Jährige erstmals, dass er Probleme habe zu sehen.

Überlebenskampf in der Todeszone

"Second Step": Die Schlüsselstelle der Everest-Normalroute.
"Second Step": Die Schlüsselstelle der Everest-Normalroute.

Wenig später hat David O’Brien, der Führer der Expeditionsgruppe, Gewissheit: Peter Kinloch ist erblindet. Aus Camp 3 werden sofort drei Sherpas nach oben beordert, mit deren Hilfe der schottische Bergsteiger aus der Todeszone gebracht werden soll. Teamchef O’Brien und der gerade eingtroffene Sherpa Jangbu helfen Kinloch in den folgenden Stunden bis zum nächsten Punkt – dem Mushroom Rock auf 8549 Metern Höhe.

Hier registriert der Erblindete auch Erfrierungen an den Händen. Zwei weitere Sherpas treffen ein. In den nächsten acht Stunden versuchen sie, Kinloch weiter nach unten zu bringen. Medikamente gegen Höhenkrankheit helfen ebensowenig wie die Versorgung mit mehr Sauerstoff: Kinlochs Zustand verschlechtert sich zunhemend. Der Schotte kann nicht mehr gehen, bleibt im Schnee liegen und verweigert schliesslich auch weitere medizinische Hilfe.

Nach zwölf Stunden vergeblichen Bemühens Kinloch vom Berg zu bekommen, wird die Lage auch für die Helfer immer angespannter. Bei Eiseskälte gehen Wasser, Nahrung und Sauerstoff zu Neige, ihre Kräfte schwinden und die Dämmerung bricht herein.

Traumatische Entscheidung

Konnte am Everest gerettet werden: Lincoln Hall (Foto: Everestnews).
Konnte am Everest gerettet werden: Lincoln Hall (Foto: Everestnews).

Unterdessen trifft Dan Mazur, der Leiter der Expedition, in Camp 3 eine folgenschwere Entscheidung. Er befiehlt O’Brien und den drei Sherpas, Peter Kinloch seinem Schicksal zu überlassen - und sofort mit dem Abstieg zu beginnen. Es werden quälende Minuten für Mazur, bis er sich zu der Order durchringen kann.

Im Jahr 2006 rettete er selbst den höhenkranken australischen Bergsteiger Lincoln Hall am Everest das Leben, der von seiner eigenen Seilschaft als hoffnungsloser Fall zurückgelassen worden. Mazur hatte dafür auf den Gipfel verzichtet.

Einblutung der Netzhaut

Die Ursachen für die plötzliche Erblindung des Schotten sind nicht eindeutig. Doch lässt alles auf eine Einblutung der Netzhaut schließen. Bei dieser bekannten Bergsteiger-Erkrankung verdickt sich durch enorme Höhe auf dem Berg das Blut. Wenn dann die Zellen hinter den Augen zu bluten beginnen, wird die Sicht des Betroffenen immer stärker eingeschränkt.

Peter Kinloch befindet sich noch immer in der Todeszone des Mount Everest. Er ist der 30. Bergsteiger in den letzten fünf Jahren, der sein Leben an diesem Berg lassen musste.

Quelle: Basler Zeitung / Web.de

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