ALPIN Kontrovers - Ihr habt abgestimmt!

Ihr habt abgestimmt: Klimawandel - Regulierung oder Eigenverantwortung im Bergsport

Der Gletscherabbruch an der Marmolada mit elf Toten bestätigt auf erschreckende Weise das Offensichtliche: Die alpinen Gefahren nehmen mit fortschreitender Erderwärmung zu. Verändert das Abschmelzen des Permafrosts also den Bergsport? Hier das Ergebnis der Abstimmung!

Gletscher-Schwund auch in der Schweiz: Der Corvatsch-Gletscher
© picture alliance/ KEYSTONE / GIAN EHRENZELLER

Bereits jetzt zeigt sich: Klassische Hochtouren muss man immer früher im Jahr begehen und das während eines immer kürzeren Zeitfensters. Insgesamt wird es weniger Schnee auf den Fernern geben, die Bedingungen werden schwieriger. Das Ergebnis der jährlichen Messungen des Österreichischen Alpenvereins 2020/21 spricht für sich: Von 91 vermessenen Gletschern schmelzen 84 (ca. 92%) stetig dahin. 

Nur sieben Prozent sind mit einer Längenänderung von weniger als einem Meter noch stabil. Erschreckend anschaulich ist der Blick auf die einst mächtige Pasterze (siehe Bild), die sich pro Jahr um knappe 50 Meter (!) zurückzieht. Auf die dadurch entstehenden Gefahren muss nicht nur am Großglockner reagiert werden: Zahlreiche Normalwege auf bekannte Gipfel, wie den Piz Buin und zuletzt auf die Wildspitze wurden gesperrt oder verlegt. Am Zuckerhütl in den Stubaier Alpen wird im Sommer wegen akuter Steinschlaggefahr überhaupt nicht mehr geführt. 

Solche Eingriffe ins Wegenetz und Veränderungen werden in Zukunft immer häufiger, prognostiziert auch der Deutsche Alpenverein: „Für den DAV ist die Eigenverantwortung der Bergsportler:innen und der freie Zugang in die Natur das Ideal. Das kann aber beschränktwerden, wenn, wie an der Marmolada, das Interesse zum Schutz der Bevölkerung und auch der Rettungskräfte überwiegt“, gibt Stefan Winter, Leiter des Ressorts Breitenbergsport, zu bedenken.

© Gerhard Lieb ÖAV

DAV und Umweltverbände fordern seit Jahren ein Umdenken.

 „Wir müssen endlich Verantwortung für den Klimawandel übernehmen und reagieren – gerade im Bergsport“, resümiert auch Stefan Witty, Vizepräsident der Internationalen Alpenschutzkommission (CIPRA). Das klassische Bergsteigen wird durch die Folgen des Klimawandels gefährlicher: Eis und Felsschlag, das Ausrutschen auf steilen Blankeisfeldern und eine erhöhte Spaltensturzgefahr auf dünner Firnauflage nehmen zu. 

Permafrost, der „Kleber“, der die Alpen zusammenhält, löst sich auf. Felsstürze sind die Konsequenz. Der menschengemachte Klimawandel beschleunigt diese Entwicklung. Laut ÖAV Gletscherbericht sind derzeit vor allem steile, nordseitige Felsflanken über 2500 Meter Höhe betroffen. Aber auch die tieferliegende Gebiete sind nicht mehr sicher. Bis 2050 wird die Häufigkeit von extremen Naturereignissen auch dort um zehn bis zwanzig Prozent steigen, so Studien. Mit Folgen für den Bergsport: ein erhöhtes Risiko für Steinschläge, Murenabgänge und mehr Schäden an der alpinen Infrastruktur. 

Wird das Risiko für Bergsportler:innen zu groß?

„Die Grundvoraussetzung ist – im Leben wie in den Bergen – nach wie vor die Eigenverantwortung“, positioniert sich Witty. Man müsse jedoch unterscheiden zwischen Ereignissen, die prognostiziert werden (wie am Hochvogel) und solchen ohne Vorwarnung wie an der Marmolada. Auf erstere werde bereits präventiv reagiert mit Wegsperrungen, für zweitere sei die bestmögliche Anpassung entscheidend, etwa bei der Tourenplanung. Der Bergsport wird sich verändern. Man muss sich mittelfristig auf mehr Gefahren einstellen – und entscheiden, ob eine Tour das Risiko wert ist.

<p>Großglockner und der Rest der Pasterze</p>

Großglockner und der Rest der Pasterze

© IMAGO / Eibner Europa

Ihr habt abgestimmt: Das ist eure Meinung

Wir haben euch gefragt: Verändert der Klimawandel den Bergsport? Müssten Wege aufgrund steigender Gefahr gesperrt und Zugänge reguliert werden? Oder habt ihr eine ganz andere Meinung?

Wir haben euch zur Abstimmung gebeten und folgende Fragen zur Abstimmung gestellt:

  • Antwort A: So weiterzumachen wie bisher, ist unverantwortlich. Es braucht Sperrungen und Regulation, sonst wird es zu immer schlimmeren Unglücken kommen.

  • Antwort B: Bergsport ist Natursport. Die Menschen sollten weiterhin selbst entscheiden dürfen, welches Risiko sie dabei eingehen wollen.

Insgesamt wurden 99 Stimmen abgegeben. Davon stimmten 27,27 % der Stimmen für Antwort A und "Sperrungen und Regulation," um weitere Unglücke zu verhindern. 

Mit 72 Stimmen und 72,73 % war die Mehrheit für Antwort B und für Eigenverantwortung beim Bergsport.

Regulierung oder Eigenverantwortung: Eure Antworten

Eine Auswahl eurer Antworten haben wir hier für euch zusammengestellt und freuen uns auf weitere Kommentare unterhalb des Beitrags!

  • Ich bin immer ein Fan von Eigenverantwortung. Die alpinen Vereine und die Fachmagazine wie ALPIN leisten ihren Beitrag zur Aufklärung der Menschen über alpine Gefahren. Das ist wichtig, zumal sich diese eben schnell verändern. Bsp.: In den 90ern verlief der klassische Anstieg da, heute dort, weil... Optimal ist jetzt die Zeit von ... bis .... im Unterschied zu früher, weil ... Sperrungen sollten aus meiner Sicht nur sehr lokal und sehr temporär begrenzt sein. Peter

  • Berge geben uns noch eine gewisse Freiheit, vorallem im Entscheiden. Die Ampel ist in den Bergen immer auf orange (nicht rot oder grün)...Wir müssen selbst entscheiden, aber um das möglichst gut hinzubekommen ist es notwendig sich gut auszubilden. (bei Vereinen und Bergführern) und dann langsam Erfahrung darin zu sammeln. Roman

  • Die Gefahren und Risikon sollten für die Wege beschrieben werden, damit man entscheiden kann ob der Weg gegangen werden kann oder nicht. Dabei ist eine gute Selbsteinschätzung unerlässlich. Die Ausrüstung muss natürlich auch entsprechend gewählt werden.

  • Die Möglichkeit selbst Entscheidungen zu treffen macht den Bergsport aus! Bitte keine Bevormundung in den Bergen. Marc

  • Es muss wieder gefördert werden Selbstständige verantwortungsvolle Bergsteiger wie vor 20 Jahren am Berg zu haben. Ich war am Großglockner und 3 junge Frauen sind mit Bergführer zum Gipfel und haben zuvor noch nie einen Berg gemacht und somit auch keine Steigeisen Erfahrung… Das sorgt für eine komplett falsche Tourismus Einstellung für die Berge!!! Helme, Ausrüstung fehlt

  • Ich denke man sollte unterscheiden zwischen leicht zugänglichen und bisher stetig sanierten Wanderwegen -

  • Risikomanagement basiert auf expertise und Kenntnissen...diese müssten viel stärken der Community beigebracht werden um möglichst sicherer die Tourenauswahl und Tourenplanung zu machen. Sperren sind nur in akut betroffenen Gebieten sinnvoll, jedoch auch hilfreich. Die Natur kann der Mensch jedoch nicht überall überwachen und regulieren.

  • Jeder sollte in Eigenverantwortung handeln und sein Handeln vor Tourbeginn in Frage stellen: Bin ich den eventuellen Risiken gewachsen, die sich bei dieser Tour ergeben können oder bringe ich hiermit andere zusätzlich in Gefahr (Tourenpartner, Bergwacht etc.) Daniela

  • Es wäre evtl eine Lösung auf bestimmte Gefahren hin zu weisen. Dann kann jeder selbst entscheiden ob man den Weg geht. Oder Wege sperren und Profis, die das einschätzen können, können den Weg dann trotzdem gehen. Aber ganz ohne Hinweise ist sehr gefährlich für weniger erfahrene.

  • Mittlerweile gehe ich seit Jahren mit einem Bergführer in die Berge. Ich finde es ist zunehmend schwieriger die Gefahrenlage jedes neue Jahr aus der Ferne zu bewerten. Für mich persönlich, der nur 1-2 mal im Jahr auf Hochtour geht, ist eine professionelle Begleitung mittlerweile sehr wichtig geworden, nicht nur mangels an Seilpartnern. Schon 2018 hat der Bergführer an der Wildspitze die Aufstiegsroute fast tagesaktuell geändert, wegen erhöhter Steinschlaggefahr im Normalaufstieg. Andere Seilschaften ohne Bergführer sind das Risiko eingegangen. Meiner Meinung nach muss und soll jeder Bergsteiger/-wnderer selbst entscheiden dürfen. Das ist es ja gerade was den Bergsport so faszinierend macht: Die Auseinandersetzung mit der Natur und ihren Bedingungen die sie uns vorgibt. Aber ich denke, es muss auch ein deutlich verbesserter Zugang zu Informationen geben, wie z.B. erhöhte Steinschlag Gefährdung auf Wegen und Routen zum Gipfel. Und nicht erst auf der Hütte. Matthias (60J.)

Ihr wollt im Herbst auf Tour? Mit unseren vier Tipps vom DAV seid ihr sicherer unterwegs!

41 Kommentare

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Harry P. auf Facebook

"Da wo Bergretter Leib und Leben riskieren müssen" - in meinen Augen besteht Risiko für Leib und Leben schon wenn der Retter aus der Haustür geht und ins Auto springt. Ein Verkehrsunfall ist schnell bassiert, egal ob die Alamierung wegen eines verstauchten Knöchels am Herzogstand oder eines Absturzes in der Laliderer-Nord erfolgt.
Eine Verbotszone hat schon am Eiger nicht funktioniert, rechtlich und organisatorisch wäre sie zur heutigen Zeit wahrscheinlich noch schwieriger umzusetzen. Wo soll 's denn hinführen, ein Zaun um jede gefährliche Stelle, und dann steht da ein Ranger der die Einträge im Tourenbuch kontrolliert und anhand des Buches die Leute durchwinkt? Was ist denn überhaupt Gefahr? Für wen ist was gefährlich? Du plädierst für Eigenverantwortlichkeit und sprichst Dich aber gleichzeitig für Verbote aus - das widerspricht sich in meinen Augen ein bisschen.
Wichtiger wäre es, meiner Meinung nach, selbst mehr als Multiplikator zu wirken - Am Berg die offensichtlich Überforderten ansprechen, im Bekanntenkreis Erfahrungen austauschen, in der Kletterhalle kurz zur Nachbarseilschaft rüberluren wenn man das Gefühl hat das läuft was nicht, in Foren aktuelle Bedingungen teilen (dort wo sinnvoll. Keiner will wissen, dass man heute zum ersten Mal auf der Zugspitze war, und dass "der Klettersteig nach dem Regen nass war! Achtung!").
Es gibt so viel gute Möglichkeiten das Risiko für andere zu minimieren. Verbote gehören ganz sicher nicht dazu.

Tom B. auf Facebook

Viele der Meinungen zu diesem Thema sind sehr subjektiv. Für den einen sind die Berge Freiheit und Abenteuer, für manche aber auch nur ein paar Hügel die, die Sicht zum Meer behindert. Nicht jeder der 35 Jahre unfallfrei Auto fährt, fährt auch sehr gut Auto. Welches Risiko wird denn minimiert und auf welchen risikoreichen Routen bin ich untewegs. Wir bewegen uns doch eigentlich alle in den Bergen auf sehr sicherem Terrain, oft ausgeschildert und eingetreten, Fixseil und Metallnagel im Fels. Und dennoch schaffen es sehr viele nicht einen sicheren Tritt zu setzen. Ja, jeder soll eigenverantwortlich Naturlebensraum betreten können, aber bitte dann mit aller Kosequenz. Da wo Bergretter Leib und Leben riskieren müssen Verbotszonen eingerichtet werden. Man sieht es am Beispiel franz. Alpen.
Diese Klimaveränderungen am Berg kann keiner von uns einschätzen, auch nicht jahrzehnterlanger Erfahrung.

Harry auf der ALPIN Facebookseite

"Da wo Bergretter Leib und Leben riskieren müssen" - in meinen Augen besteht Risiko für Leib und Leben schon wenn der Retter aus der Haustür geht und ins Auto springt. Ein Verkehrsunfall ist schnell bassiert, egal ob die Alamierung wegen eines verstauchten Knöchels am Herzogstand oder eines Absturzes in der Laliderer-Nord erfolgt.
Eine Verbotszone hat schon am Eiger nicht funktioniert, rechtlich und organisatorisch wäre sie zur heutigen Zeit wahrscheinlich noch schwieriger umzusetzen. Wo soll 's denn hinführen, ein Zaun um jede gefährliche Stelle, und dann steht da ein Ranger der die Einträge im Tourenbuch kontrolliert und anhand des Buches die Leute durchwinkt? Was ist denn überhaupt Gefahr? Für wen ist was gefährlich? Du plädierst für Eigenverantwortlichkeit und sprichst Dich aber gleichzeitig für Verbote aus - das widerspricht sich in meinen Augen ein bisschen.
Wichtiger wäre es, meiner Meinung nach, selbst mehr als Multiplikator zu wirken - Am Berg die offensichtlich Überforderten ansprechen, im Bekanntenkreis Erfahrungen austauschen, in der Kletterhalle kurz zur Nachbarseilschaft rüberluren wenn man das Gefühl hat das läuft was nicht, in Foren aktuelle Bedingungen teilen (dort wo sinnvoll. Keiner will wissen, dass man heute zum ersten Mal auf der Zugspitze war, und dass "der Klettersteig nach dem Regen nass war! Achtung!").
Es gibt so viel gute Möglichkeiten das Risiko für andere zu minimieren. Verbote gehören ganz sicher nicht dazu.

Tom Beez

Viele der Meinungen zu diesem Thema sind sehr subjektiv. Für den einen sind die Berge Freiheit und Abenteuer, für manche aber auch nur ein paar Hügel die, die Sicht zum Meer behindert. Nicht jeder der 35 Jahre unfallfrei Auto fährt, fährt auch sehr gut Auto. Welches Risiko wird denn minimiert und auf welchen risikoreichen Routen bin ich untewegs. Wir bewegen uns doch eigentlich alle in den Bergen auf sehr sicherem Terrain, oft ausgeschildert und eingetreten, Fixseil und Metallnagel im Fels. Und dennoch schaffen es sehr viele nicht einen sicheren Tritt zu setzen. Ja, jeder soll eigenverantwortlich Naturlebensraum betreten können, aber bitte dann mit aller Kosequenz. Da wo Bergretter Leib und Leben riskieren müssen Verbotszonen eingerichtet werden. Man sieht es am Beispiel franz. Alpen.
Diese Klimaveränderungen am Berg kann keiner von uns einschätzen, auch nicht jahrzehnterlanger Erfahrung.

Tom Beez

Viele der Meinungen zu diesem Thema sind sehr subjektiv. Für den einen sind die Berge Freiheit und Abenteuer, für manche aber auch nur ein paar Hügel die, die Sicht zum Meer behindert. Nicht jeder der 35 Jahre unfallfrei Auto fährt, fährt auch sehr gut Auto. Welches Risiko wird denn minimiert und auf welchen risikoreichen Routen bin ich untewegs. Wir bewegen uns doch eigentlich alle in den Bergen auf sehr sicherem Terrain, oft ausgeschildert und eingetreten, Fixseil und Metallnagel im Fels. Und dennoch schaffen es sehr viele nicht einen sicheren Tritt zu setzen. Ja, jeder soll eigenverantwortlich Naturlebensraum betreten können, aber bitte dann mit aller Kosequenz. Da wo Bergretter Leib und Leben riskieren müssen Verbotszonen eingerichtet werden. Man sieht es am Beispiel franz. Alpen.
Diese Klimaveränderungen am Berg kann keiner von uns einschätzen, auch nicht jahrzehnterlanger Erfahrung.

Martina auf Facebook

Eigenverantwortung!

Wolfgang auf der ALPIN Facebook-Seite

Ich bin auch für Eigenverantwortung und selbständiges Handeln. Wie wird das erreicht?
Wege nicht mehr pflegen oder neu bauen. Schutzhütten schließen, Seilversicherungen abbauen.

Joachim Konrad

Dass durch die immer schnellere Veränderung der Verhältnisse("Klimawandel" klingt da zu gemächlich - die objektiven Gefahren zunehmen, ist offensichtlich. Vor allem der auftauende Permafrost lässt die Berge immer stärker bröckeln. Muss es deshalb Verbote geben? Das eigenverantwortliche Handeln macht doch das Wesen des Bergsteigens aus. Deshalb Option B, aber mit deutlichem Hinweis auf Risiken, die vielleicht nicht für jeden erkennbar sind (auch in Tourenbeschreibungen). Routen-Sperrungen sollte es nur lokal begrenzt geben, wenn immanent Felssturz oder Eisschlag drohen. Aufklärung über Risiken des Klimawandels und Appelle, etwas dagegen zu tun (auch wenn das einige nervt), sind dagegen richtig und wichtig. Wir sind alle gefordert, zu überlegen, was wir besser machen können. Nicht nur in den Bergen, sondern vor allem zu Hause im Alltag. Auch das ist Eigenverantwortung.

Bergretter

Ich bin ein großer Fan von Eigenverantwortung.
Aber: die Bergwacht ist ehrenamtlich, d.h. man muss sich auch im klaren sein, wem man bei einem Unfall mitgefährdet. Ausserdem kann bei sehr es bei gefährlichen Verhältnissen passieren, dass eine Rettung nicht immer möglich sein kann.

Anonymer Benutzer

Meiner Meinung nach droht die größte Gefahr durch ungeübte Bergsteiger die auf der Berg Hype Welle Surfen und sich’s beweisen wollen. Ein gewisses Grundwissen und die Übernahme von Verantwortung sollte Standard sein

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