Die Klänge der Dolomiten

Geschichten vom Berg-Bach

Drei ganz besondere Tage in den Dolomiten: Eine Gruppe von ALPIN-Lesern erlebte höchste Genüsse auf dem Hochplateau der Pala im Trentino. Wilde Abenteuer mit Pasolino, Petrarca und Manolo. Ein Nachbericht von ALPIN-Chefredakteur Bene Benedikt.

Die Klänge der Dolomiten
© Bene Benedikt

"Die erste Klettertour in meinem Leben war eigentlich ganz einfach," erzählt Manolo, bürgerlich Maurizio Zanolla, inmitten der schroffen Spitzen der Pala. Der 60-Jährige ist eine der Kultfiguren des Dolomitenkletterns, der nicht umsonst den Spitznamen "Il Mago" (Der Zauberer) trägt. 

<p>Einige ALPIN-Leser erlebten drei besondere Tage beim "Suoni delle Dolomiti".</p>

Einige ALPIN-Leser erlebten drei besondere Tage beim "Suoni delle Dolomiti".

© Bene Benedikt

"Als ich dann erstmals im Vorstieg war, fühlte ich mich nach einigen Metern völlig ausgesetzt in der Einsamkeit der Wand." Ein Mago auch beim Erzählen! Und wer seine riesigen und beweglichen Hände sieht, kann sich vorstellen, mit welcher Sicherheit, Leichtigkeit und Eleganz er im zehnten Grad unterwegs ist.

<p>Manolo ist eine der Kultfiguren des Dolomitenkletterns.</p>

Manolo ist eine der Kultfiguren des Dolomitenkletterns.

© Bene Benedikt

Von ganz andere Extremen erzählen die gefühlvollen Finger von Mario Brunello, dem Star-Cellisten, der seit über 20 Jahren so etwas wie der "Frontman" der Konzertreihe "Suoni delle Dolomiti". Deren Höhepunkt ist immer eine Trekkingtour mit Musik. Was bedeutet, dass Mario sein Cello im knallroten Karbonkasten mitschleppt, über Geröll, Gletscher, Klettersteige.

Ziel des Trekkings waren dieses Jahr die Berge oberhalb von San Martino di Castrozza, jenseits des Rollepasses. Die Pale di San Martino sind ein wildes Eck der Dolomiten, voll scharfer Grate, steiler Türme und schwerer Buckel über einer Mondlandschaft, in der vor wenigen Jahrzehnten noch Gletscher flossen. Nur das kleine Fradusta-Eisfeld ist noch übriggeblieben.

Es bildet eine geradezu magische Kulisse für Mario am Cello und Manolo, den Geschichtenerzähler. Und für Pier Paolo Pasolini, dessen Gedanken zu Johann Sebastian Bach das Erlebnis des Konzerts noch vertiefen, "hingegeben an die höchste Lust des Gesanges, der vor lauter Zärtlichkeit oder betonter Ferne den Hörer zu überwältigen scheint". Soweit Pasolini. Und dazu passt, wenn Manolo von einer leichtsinnigen Bruchtour erzählt, in einer brummenden und knarrenden Wand, die beim nächsten Besuch als Felssturz in der Tiefe lag …

Ein ander Mal treten die beiden in einem kleinen Amphitheater aus Graspolstern auf, dann wieder auf einer Blumenwiese voller Hornklee und Edelweiß: Mario lässt sein Cello erklingen, bis sanfter Regen einsetzt und der Schirm, den Manolo eifrig über ihn hält, nicht mehr genug schützt. Wobei das "Cello" bei diesem Trekking genau genommen ein "Violoncello piccolo" ist, ein etwas kleineres Instrument, das den Tonumfang von Bachs Sonaten bewältigt. 

<p>Selbst im Regen ist Mario nicht leicht zu stoppen. Er spielt weiter, während Manolo ihm den Schirm hält.</p>

Selbst im Regen ist Mario nicht leicht zu stoppen. Er spielt weiter, während Manolo ihm den Schirm hält.

© Bene Benedikt

Und in denen steckt, wie Mario erzählt, die Trauer über den frühen Tod seiner Frau, was Mario direkt zur Cima Wilma im Kamm über der Pradidali-Hütte führt, benannt nach der Geigenvirtuosin Wilma Neruda, deren Sohn 1893 als Erster auf diesem Spitz stand. Geschichten und Akkorde wirbeln durcheinander, auch beim abendlichen Konzert auf der Hütte, das in ein wunderbares Alpenglühen übergeht.

Paradiesisch schön ist auch das armenische Lied vom Zaubervogel Havun, das Mario in einer Mulde inmitten der Steinwüste spielt. Nicht in Worte zu fassen, wie sehr die ganze Gruppe ergriffen schweigt und dem Nachklingen der Töne lauscht. Kurz danach reißen die Wolken auf, der Blick weitet sich zum Heiligkreuzkofel, den Tofanen und den Drei Zinnen.

Grandioses Finale schließlich das Konzert beim Rifugio Rosetta, zu dem Hunderte von Zuhörer von San Martino heraufströmen. Kunstgenuß auf höchstem Niveau!

<p>Wer auch Lust hat vor dieser Kulisse den Klängen der Dolomiten zu lauschen, der hat noch ein paar Termine zur Wahl.</p>

Wer auch Lust hat vor dieser Kulisse den Klängen der Dolomiten zu lauschen, der hat noch ein paar Termine zur Wahl.

© Bene Benedikt

Die nächsten Konzerte der Suoni delle Dolomiti:

  • 14. Juli, 6.00 Uhr:  Sonnenaufgang mit Maria Pia De Vito & Ensemble Burnogualà; Val di Fassa, Col Margherita

  • 17. Juli , 12.00 Uhr: Kremerata Baltica Chamber; Madonna di Campiglio, Pian de Nardis, Lago Asciutto

  • 19. Juli , 12.00 Uhr: Mario Brunello, Andrei Pushkarev, Kremerata Baltica String Trio; Madonna di Campiglio, Carisolo, Lago Nero

  • 22. Juli, 12.00 Uhr: Gidon Kremer und Kremerata Baltica; Madonna di Campiglio, Malga Brenta Bassa

  • 22. August, 12.00 Uhr: Isabelle Faust, Kristin von der Goltz, Anne Katherina Schreiber, Danusha Waskiewicz, ein Streichquartett auf 2000 Meter Höhe; Val di Fiemme, La Porta

Weitere Informationen zum Programm unter www.isuonidelledolomiti.it.

Text von Bene Benedikt

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