Interview zu "Der Mann aus dem Eis" - Seit 30.11. im Kino

Jürgen Vogel über Berge, Eis und Ziegen

Jürgen Vogel ist "Der Mann aus dem Eis". Im Spielfilm über "Ötzi" erweckt der Schauspiel-Star die berühmteste Gletscherleiche zu neuem Leben. ALPIN sprach mit Jürgen Vogel über Berge, Eis und Fell-Bekleidung.

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© STEFAN KLUETER

Herr Vogel, sind Sie aktiver Bergsteiger?

Nein, gar nicht. Wandern, das ja! Das hab ich auch am Wochenende während des Drehs gemacht. Es ist körperlich anstrengend und nicht zu unterschätzen. Dazu die Höhe und Touren zwischen vier und sechs Stunden Dauer, war toll!

Haben Sie sich vorgestellt, dass sie selbst in 5000 Jahren mal in einem musealen Glassarg liegen könnten?

Ja, die Idee ist krass. Genau das hab’ ich mich im Museum in Bozen schon gefragt, wie das so wäre, wenn man irgendwann gefunden und ausgestellt wird, denn dann findet man seine Ruhe ja nicht. Aber Ötzis Feuchtmumie ist eine physische Hilfe für uns, sich die Vergangenheit vorzustellen und wie die Menschen gelebt und ob sie anders gefühlt haben, da sind so viele Fragen.

© Picture Alliance / DPA

Jürgen Vogel

Mein voller Name lautet … Jürgen Vogel.
Geboren wurde ich … am 29. April 1968 in Hamburg.
Ich wohne in … Berlin.
Facebook-Fans habe ich … 172 368.
Ich unterstütze … den Organspende-Verein "Junge Helden".

Und, fühlten die Menschen damals anders, was meinen Sie?

Ich glaube nicht! Ich denke, dass das Leben in der Jungsteinzeit sehr instinktiv und existenziell war. Dass es jeden einzelnen Tag stark ums Überleben ging und um Pflichten wie Ernährung, Jagd und Schutz. Wenn du das alles nicht tust, verhungerst du und stirbst.

Was genau hat Sie an der Rolle des "Ötzi" fasziniert?

Schon das Drehbuch zu lesen, war spannend. Und Ötzis Rachefeldzug entspricht ja einem nachvollziehbar existenziellen und reinen Gefühl. Wir haben uns inhaltlich an gegebene Parameter gehalten, wie und wo er gestorben ist, wer er war – ein Jäger – und was für Waffen er hatte. Darüber hinaus haben wir uns die Freiheit genommen, eine Geschichte zu erzählen, wie es hätte sein können – das ist es ja, was Kino ausmacht. Aber wir behaupten nicht, dass es so war.

<p>ALPIN-Autorin Franziska Horn sprach mit Schauspieler Jürgen Vogel auf der Couch.</p>

ALPIN-Autorin Franziska Horn sprach mit Schauspieler Jürgen Vogel auf der Couch.

Wie war das für Sie, in einer Fellkluft in Fels und Eis zu agieren?

Überraschend komfortabel (lacht)! Meine Kostümbildner haben dafür gesorgt, dass meine Kleidung an den Nähten weder einschnürt noch aufschürft und dass sie warm hält. Es hat mich bei Hitze wie bei Kälte überrascht, wie ausgeklügelt die Klamotten damals waren. Wie die Menschen früher hatten wir alles aus Ziegenleder gefertigt. Das war auch der Grund, warum "meine Ziege" beim Dreh anfangs nicht mit mir klar kam. Sie geriet jedes Mal in Panik, wenn ich in meiner Ziegenfellkluft auftauchte. Es dauerte lange, bis wir die Szenen mit dem Tier im Kasten hatten. War lustig.

Wie viel von Jürgen Vogel steckt in "Ötzi" – und umgekehrt?

Schwer zu sagen, man weiß ja nicht, wie er wirklich war. Wir entwickeln ja eine fiktive Möglichkeit. Aber ich bin in der Figur sicher ganz viel mit drinne, weil man ja immer eine Reduktion ist von dem, was man da tut. Ich reagiere natürlich in der Rolle auf meine Umgebung und auf das, was die Geschichte will, und versuche es so darzustellen, dass es nicht peinlich ist (lacht).

Eigens für die Verfilmung hat Regisseur Felix Randau eine Kunstsprache entwickeln lassen. Wie ist es, sich in einer abstrakten Fantasiesprache auszudrücken?

Ja, ein Professor hat – angelehnt an rätoromanische Sprachen – Ableitungen aus den Ursprachen und dem Wissen entwickelt, wie andere Sprachen entstanden. Da gibt es einen bestimmten Schlüssel. So zu sprechen, das muss man sich wie Gebets- oder Beerdigungsrituale oder Gesänge vorstellen. Das ist, wie wenn man auf Latein singen würde, wie der Papst beim Beten, das fühlt sich für dich als Deutschsprachigen auch nicht anders an, es ist nicht deine Ursprache und trotzdem machst du das so. Wobei die Zeit von Ötzi noch viel älter ist als das Rätische, das ist schon klar.

Haben die Dreharbeiten Ihren Blick auf das Leben in der Jungsteinzeit verändert?

Ich glaube, das Leben der Jäger und Hirten war und ist ein harter Job, von morgens bis abends, physisch wie mental. Du musst dich der Natur stellen und deiner Aufgabe. Und dir selbst auch, weil du wirklich sehr bei dir bist, wenn du in den Bergen bist, komischerweise ist das so. Je größer und gewaltiger die Orte sind, an denen du dich aufhältst, desto mehr bist du reduziert auf dich selbst. Du empfindest dich als alleine. Das war sicher nicht nur vor 5300 Jahren so, sondern ist es bis heute. Das ist die Parallele.

Dann ist der heimliche Hauptdarsteller des Films die Natur?

Mit dem Wissen um die Feuchtmumie hätte man ganz allgemein die Geschichte eines Jägers erzählen und in die Steinzeit zurückspringen können. Aber: Da ist die Pfeilspitze in seiner Schulter. Wir wissen, wie Ötzi gestorben ist. Das macht es zum wohl ältesten Thriller der Welt. Es verlangt einen Krimi- und Abenteuerfilm. Da ist nun der ältest erhaltene Mensch – und ausgerechnet der wurde ermordet? Das ist einzigartig. Das zwingt dazu, die Geschichte aufzurollen: Wenn wir das Ende kennen – wie war dann der Anfang?

Wie würden Sie den Charakter von Ötzi beschreiben?

Das ist jetzt schwierig, denn da beschreib ich mich ja auch ein bisschen selbst (lacht).

Einfach mal so, frei Schnauze?

(Nachdenklich) Der Ötzi ist ein ganz normaler Mensch, eigentlich. Ein Mensch, der sehr instinktiv reagiert, auf das, was ihm passiert oder womit er konfrontiert wird, was ihn umgibt. So haben wir versucht, eine Empathie zum Publikum zu schaffen, und nachvollziehbar zu machen, was er da tut oder was ihn beschäftigt. Das war die Kunst: es hinzubekommen, ohne viel Dialog.

Regisseur Felix Randau erzählt im Interview, dass er nach den langen Wochen des Drehens im Gebirge auch mal den Kanal voll hatte, weil er sich dort etwas beengt fühlte. Wie ist es Ihnen ergangen?

Ist ja interessant, dass er das sagt. Lustig. Ähm. Nein, das hatte ich so nicht! Ich wusste, ich muss da jetzt durch und das war auch die Herausforderung. Ich wollte, dass das lange dauert und dass es beschwerlich sein wird. Ich find das dann irgendwo auch ganz geil. Mich hat es auch deswegen nicht bedrückt, weil ich immer auf den Berg hoch bin und nur zum Schlafen ins Tal. Und am Wochenende bin ich in Schnals dann Joggen und Wandern gegangen, das war wunderschön. Südtirol ist eine der schönsten Regionen der Welt.

Es heißt, Bergschafe gehen nicht zu den schönsten Orten am Berg, sondern dorthin, wo sie sich energetisch am wohlsten fühlen. Gedreht wurde im Passeier, Pfitsch- und Schnalstal und in Garmisch. Wo haben Sie sich am wohlsten gefühlt?

In Südtirol, ohne es genau zu spezifizieren. Und prinzipiell fühl’ ich mich oben wohler als unten, also wenn man hinuntergucken kann. Ich mag die physische Herausforderung: frieren, klettern, schwitzen und mich anstrengen. Für einen Schauspieler ist das ein großes Geschenk. Berge müssen ja erst mal erklommen werden, nicht nur physisch. Alles im Leben muss erarbeitet werden, das ist ein langer, manchmal auch beschwerlicher Weg. Das gehört dazu und ist wichtig. Weniger wichtig als oben anzukommen ist, dass man Kraft aufwendet, und egal in welchem Zustand, dass man es versucht und nicht aufgibt.

Haben Sie die Kletter- und Bergszenen ohne Double gedreht?

Doch, wir haben einiges gedoubelt. Zum Beispiel die Szene, in der ich über den Gletscher gehe und in die Spalte falle, denn das durfte ich vertraglich gar nicht machen, das hat dann ein Bergführer im Ötzikostüm übernommen. Die Szene wurde in weiten, totalen Einstellungen gefilmt, wo man eh nicht sieht, ob ich das bin. Für solche Jobs gibt es Profis – und ich bin froh, dass es diese Leute gibt.

Sie haben Klettern geübt für den Film?

Ja, ich hab mich ja auch im Steilgelände bewegt, wo ich einfach hinunterrennen musste, allerdings mit Spikes, damit ich Halt habe, selbst wenn ich wegrutsche. Und die Szenen am Fels haben wir gesichert geprobt und gedreht. Alles bedingt risikoreiche Sachen.

Aktuelle Projekte?

Relativ nah zu "Ötzi" kommt Ende diesen Jahres auch "Hexe Lilli" raus. Dafür haben wir ebenfalls in Südtirol gedreht, in Sterzing, ein toller Kinderfilm. Ich spiel da den Knecht Ruprecht. Und jetzt dreh ich gerade einen Achtteiler fürs Fernsehen, "Das Team", der auch in Österreich/Graz gefilmt wurde. Eine Geschichte über drei Polizisten aus drei Ländern, die an einem Fall gemeinsam ermitteln, sehr spannend.

Vielen Dank für das Gespräch!

Text von Franziska Horn

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