Interview mit dem Regisseur von "Der Mann aus dem Eis"

Felix Randau: "Der Berg macht etwas mit den Leuten"

Im Gespräch mit ALPIN-Autorin Franziska Horn erzählt Regisseur Felix Randau von den Dreharbeiten und Hintergründen zu seinem neuen Film "Der Mann aus dem Eis" – und erklärt, was die Berge mit den Menschen machen.

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© Port au Prince Pictures, Martin Rattini

ALPIN-Autorin Franziska Horn: Wie war es für Sie als Norddeutschen, sieben Drehwochen am Stück in den Alpen zu sein?

Felix Randau: Als Kind war ich oft in den Bergen beim Wandern und Skifahren, das war gut. Beim Dreh hatte ich allerdings gegen Ende das Gefühl, es reicht. Es war ein Overkill. Am Berg oder im flachen Land zu sein, das erzeugt jeweils ein anderes Lebensgefühl.

Ich verstehe, dass der Berg etwas mit den Leuten dort macht. Sie sind vom Charakter her etwas anders, vielleicht, weil man ein Wechselspiel lebt zwischen sich ganz groß und ganz klein fühlen. Erst sitzt man drin in einem Kessel und dann wieder oben auf einem Gipfel und guckt auf alles runter.

Sie haben die Filmausstattung von den Bauten über die Kostüme bis hin zu den Werkzeugen akribisch recherchiert. Wer sich zuvor im Schnalstaler Ötzi-Museum „Archeoparc“ umgesehen hat, findet viele Details wieder.

<p>Felix Randau, Regisseur</p>

Felix Randau, Regisseur

© Sabine Cattaneo / Locarno Festival

Für die Schauspieler ist es elementar, mit möglichst authentischen Requisiten zu arbeiten. Das hilft ihnen emotional in die Rolle und auch, sich in eine Epoche zu versetzen, die sie nicht kennen. Manche musste man fast einbremsen, denn sie glaubten, urmenschenmäßig agieren zu müssen.

Mir war aber wichtig, dass die Charaktere als Menschen wie du und ich rüberkommen. Obwohl sie vor 5000 Jahren gelebt haben. Wir mussten uns zwar ein paar Mal anhören, dass die zwei, drei Seile im Film aussähen wie frisch aus dem Baumarkt – aber es gibt authentische Seile aus dieser Zeit, die fast so perfekt aussehen wie heutige. Wir hätten lügen müssen, wenn wir da ein rottiges Seil eingebaut hätten.

Schon am Anfang des Films geht‘s ja ordentlich zur Sache, teils ziemlich brutal. Entspricht das Ihrer Auffassung von der Jungsteinzeit?

Ich denke, die Steinzeit war nicht brutaler als die heutige. Die Brutalität ist in manchen Landstrichen zu Hause und dann wandert sie ab. Bei uns sah es ja vor 70 Jahren auch noch anders aus, und in 70 Jahren kann es wieder ganz anders sein. Da tut sich nicht viel.

Die Gewalt im Film ist ein dramaturgischer Auslöser für die Story, ohne comicmäßig überzeichnet zu sein. Durch lange Einstellungen mit wenigen Schnitten haben wir erreicht, die Gewalt so zu zeigen, wie sie nun mal zuallererst ist: quälend langsam und dumpf.

Mal frech gefragt: Einige Kritiker schreiben, der Ötzi-Spielfilm sei von der Handlung her recht einfach gestrickt. Der Plot beschränke sich auf einen Rachefeldzug – ist das die Hauptaussage?

<p>Voller Körpereinsatz vor und hinter der Kamera.</p>

Voller Körpereinsatz vor und hinter der Kamera.

© Port au Prince Pictures

Ich sag‘s mal so: Für mich hat jeder Film etwas Musikalisches. Und dieser war von Anfang an keine Sonate, sondern ein erdiger, dreckiger Blues-Song. Der an der Oberfläche einfach wirken mag, aber bei genauem Hinschauen kann man komplexe Dinge entdecken. Es gibt viele Querverweise. Die Geschichte ist nicht so einfach, wie die Leute meinen.

Welche Querverweise meinen Sie – optisch wie inhaltlich? Der Film wurde bereits mit Leonardo di Caprios "The Revenant" oder mit Kevin Kostners "Der mit dem Wolf tanzt" verglichen…

Ein Mann allein in der Natur – das ergibt einen bestimmten Themenkomplex, der auch hier im Film aufscheint. Aber, nein, ich hatte keine Vorbilder. Es ist normal, dass solche Vergleiche kommen.

Im Film kämpft Ötzi gleich an drei Fronten: Gegen die Natur, gegen seine Feinde und gegen sich selbst. Welcher Kampf ist für Sie der zentrale?

Der gegen sich selbst. Die Feinde sind nur eine Art Stellvertreter. In Anlehnung an griechische Tragödien ist Ötzi ein Mensch, der mit sich selbst und den Göttern hadert. Um diesen Konflikt geht es hauptsächlich. Die Natur erscheint dabei als zusätzlicher Feind – der einzige, der komplett gleichgültig ist. Diese Gleichgültigkeit der Natur zu betonen, war mir wichtig. Denn sie interessiert sich nicht, hat kein Ziel. Im Kontrast zum positiv besetzten Naturbegriff von heute.

© Port au Prince Pictures, Martin Rattini

Wo genau habt ihr im Schnalstal gedreht?

Ziemlich viel oben auf dem Schnalser Gletscher und auch im Klettergarten Marchegg (Lest mehr über die Drehorte in ALPIN 12/17!). Wir hatten ja annähernd ein Jahr lang Drehorte gesucht und waren dafür fast in jedem Tal Südtirols, möchte ich behaupten.

Aufgrund der eigens kreierten Kunstsprache kann der Film weltweit ohne Untertitel oder Synchronisation gezeigt werden. Ich hatte den Eindruck, dass die Handlung zwar durch Gestik und Mimik nachvollziehbar ist, aber man auch etwas außen vor bleibt.

Da muss ich widersprechen. Hätten wir auf Deutsch oder Englisch gedreht, hätte der Film eine Art Märchencharakter. Ich denke, es war richtig, das zu vermeiden. Unterm Strich wäre die Distanz dann viel größer geworden, weil man stets das Gefühl gehabt hätte: Das ist nicht echt, da schiebt sich der heutige Sprachgebrauch in die Vergangenheit rein.

Mich stört das jedes Mal, wenn ich amerikanische Filme wie zum Beispiel "Gladiator" anschaue und dann wird Oxford-Englisch gesprochen. Das macht es lächerlich. Für unser Projekt war die Kunstsprache genau richtige Wahl.

Vielen Dank für das Gespräch

Mehr Informationen zum Film: dermannausdemeis-film.de

Wir haben uns auch mit Hauptdarsteller Jürgen Vogel getroffen und mit ihm über den Film und die Dreharbeiten gesprochen. Den Artikel "Cooler Typ - Interview mit Jürgen Vogel" findet Ihr in der November-Ausgabe von ALPIN. Dabei erzählt er uns über Berge, Eis und Fell-Bekleidung, wie er sich die Menschen der Jungsteinzeit vorstellt und wie er sich auf die Rolle des "Ötzi" vorbereitet hat. 

<p>Die Aufmacherseite unseres Interviews mit Jürgen Vogel.</p>

Die Aufmacherseite unseres Interviews mit Jürgen Vogel.

© ALPIN

ALPIN 11/2017 ist im Zeitschriftenhandel oder unserem Online-Shop erhältlich.

Text von Franziska Horn

1 Kommentar

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Christoph

Die Theorien über die Umstände von Ötzis Tod sind einfach lächerlich. Der Mann trug eine Bärenfellmütze. Der Schütze hat ihn mit einem Bären verwechselt und aus Versehen getötet.