Drei Bayern und eine außergewöhnliche Reise

Inside Iran, Teil II

Schaffen Andreas, Puria und Thomas die Skibesteigung des Mount Damavand (5671m), der für seine extremen Verhältnisse bekannt ist?

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© Andreas Jacob

Mohammad steuert Polour an, ein Kaff etwa 50 Kilometer westlich von Teheran. Am Rande des Laar-Nationalparks und somit am Fuße des Mount Damavand richten wir unser Ausgangscamp ein. Im Sommer wagen nicht wenige von hier aus den Aufstieg, im Winter sagen sich höchstens Fuchs und Schneehase guten Tag. Der "frostige Berg" ist für extremen Wind und fiese Wetterumschwünge bekannt. Trotzdem wollen wir ihm, an der Schwelle zwischen Winter und Frühjahr, mit Tourenski an den Kragen. Für das gesamte Unterfangen sind sechs Tage eingeplant. Wir wollen uns ausreichend Zeit gönnen, um uns auf der Schutzhütte auf 4.200 Metern endgültig akklimatisieren und einen Ruhetag einlegen zu können, ehe wir den Gipfel erklimmen. Als wir uns im Basislager häuslich einrichten, ahnen wir noch nicht, dass das Wetter andere Pläne mit uns hat...

© Andreas Jacob

Am ersten echten Touren-Tag stapfen wir einsam und verlassen auf 3.500, anderntags auf 3.900 Meter hoch. Das Akklimatisieren, es erweist sich als hartes Brot. Schon bald brummen uns die Schädel. Zur nächtlichen Entspannung heißen uns Betten willkommen, kaum weicher als Beton. Immerhin, Koch Hadchi kredenzt zartestes Lammfleisch, Linsen und Reisgerichte mit Gewürzen aus TausendundeinerNacht. Da grinst auch Butchy wieder, der nach all den Jahren des Faulenzens gewaltig zu kämpfen hat, sich aber wacker schlägt.

© Andreas Jacob

Vom namensgebenden Frost des Damavand kann bis dahin keine Rede sein. Ganz im Gegenteil: Die für die Jahreszeit viel zu warme Sonne säbelt an den endlosen Schneehängen, so dass wir am dritten Tag die Tour abbrechen. Eine weise Entscheidung! Nachmittags sehen wir eine gewaltige Lawine zu Tale rollen. Macht nichts, finden Puria und Andreas, ihr Film- und Fotomaterial wächst auch ohne Höhenmeter. Neben der Landschaft lassen die Menschen unsere Herzen höher schlagen. "Welcome to Iran", begrüßen uns die Einheimischen herzlich und lachen uns an aus ihren zerfurchten, ledrigenGesichtern. Ein paar Schäfer laden uns gar ein, mit Ihnen die Friedenspfeife zu rauchen. Schüchtern fragen wir, ob es statt des Opiums nicht auch eineTasse Tee täte...

Schließlich siedeln wir um ins höchstgelegene Camp auf 4.200 Meter. Kein Wasser, keine Heizung, die Schlafstätten ungehobelte Stockbetten mit ein paar Fetzen, die wohl Decken darstellen sollen. Zur Müdigkeit gesellt sich am Morgen ein Gefühl, als steckten unsere Köpfe in Schraubstöcken. Aspirin ist das Nutella unserer stummen Frühstücksrunde. Der Wetterbericht macht uns Sorgen. Wie es scheint, bleibt uns genau ein Tag, dann schlägt das Wetter um, an einen Aufstieg wäre nicht mehr zu denken. Wir halten Kriegsrat und entscheiden: Scheiß auf die Gewöhnungsphase – noch einmal schlafen, dann wagen wir uns hoch!

© Puria Ravahi

Beißen oder aufgeben?

Noch vor dem ersten Morgengrauen starten wir. Nur langsam kommen wir voran. Die letzten Tage stecken uns in den Knochen, die ungemütlichenNächte. Irgendwann vergessen wir fast, Aufnahmen zu machen. Im ruhigen Rhythmus unserer Schritte knirscht der Schnee, unsere Schädel möchten explodieren,der Puls klopft wie ein Vorschlaghammer. Immer steiler wird das Gelände, der Boden ist eine einzige Eisfläche. Und Butchy beginnt zu zweifeln: Schaffe ich das?

Seine Kraft schrumpft mit jeder Spitzkehre, die er mangels ordentlicher Technik, zumal auf den neuen, langen Latten, mehr schlecht als recht hinter sich bringt. Schließlich spricht er es aus: "Jungs, ich befürchte, das wird nicht’s." Da schaltet sich Mohammad ein: Auf 5.000 Metern stimmt unser Guide ein Lied an. Eine fröhliche Melodie, die uns einerseits fluchen lässt – wirkt diese Munterkeit doch fast wie Hohn – andererseits macht uns dieses unermüdliche Männlein auch Mut. "Beißen, Männer, beißen!", keuchen wir uns zu.

© Andreas Jacob

Dann sind wir wirklich oben. Butchys Beine zittern, als rasten Elektroschocks durch das Fleisch. Wir schieben die Tränen auf den eisigen Wind, der dichte Nebelschwaden vor sich her peitscht. So richtig genießen können werden wir das alles erst Zuhause, wenn wir auswerten, was unsere Kameras eingefangen haben – falls wir es überhaupt so weit schaffen.

Eigentlich bräuchten wir eine ausgedehnte Rast, doch Mohammad schüttelt den Kopf. Diese Winde, prophezeit er, sind nur die Vorhut. Ein Sturm zieht auf. Also heißt es, die Schmerzgrenze noch weiter überschreiten! Wir beeilen uns, abzufellen, uns umzuziehen und uns an die Abfahrt zu machen. Wir mühen uns endlose Firn-Hänge hinunter. Anfangs wie in Trance, klart der Kopf mit jedem Meter auf. Das heruntergekommene High-Camp mutet uns nach dieser Strapaze an wie ein Wellness-Ressort.

Mehr Infos zum Film: www.inside-iran.de.

Mehr Infos zum Fotografen: www.andreas-jacob.com

Text von Christian Topel

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