Interview mit Guido Neubert, einem der Hüttenwarte der Alzascahütte

"Außer dem Hüttenleben war alles ganz weit weg"

Eine Hütte ohne festen Pächter, aber mit sehr begabten und enthusiastischen Freiwilligen. Klappt das? ALPIN-Chefredakteur Bene Benedikt hat auf der Alzascahütte im Tessin nachgesehen - und war begeistert.

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© Bene Benedikt

Seit die Alzascahütte (1734m) im Tessin ohne Pächter dasteht, übernehmen Freiwillige den Job des Hüttenwirts oder besser gesagt des Hüttenwarts, wie es in der Schweiz heißt. Wer besteht, reist mit einem der üblichen Versorgungsflüge per Heli für zwei Wochen auf die Hütte. 

Bewerber müssen die gut 1400 Höhenmeter aber rauflaufen. Kaum auf der Hütte angekommen, wird es - nach einer kurzen Verschnaufpause - bereits ernst: Wer Hüttenwart werden will, muss die Jury der SAC-Sektion Locarno von seinen Fähigkeiten überzeugen. Ein bisschen Kochen-Wollen reicht da nicht!

ALPIN-Chefredakteur Bene Benedikt hat zwei Wirten auf Zeit, Guido Neubert und Tatjana Grah, auf "ihrer" Alzascahütte einen Besuch abgestattet.

Seine Reportage "Täglich Premiere" lesen Sie in der September-Ausgabe von ALPIN.

Hüttenwart Guido Neubert im Interview

Für alpin.de haben wir uns mit Guido Neubert über seine Zeit auf der Alzascahütte unterhalten.

Guido, was hat Tatjana und Dich, einen Dramaturgen und eine Ärztin, "geritten", sich als Hüttenwirte für die Alzascahütte zu bewerben?

Als wir 2011 zum dritten bzw. zweiten Mal auf der Alzasca waren und nach einer grandiosen Dusche mit offenem Bergblick von dem damaligen Team so herausragend verwöhnt wurden, erfuhren wir von dem "Alzasca-Bewartungs-System". Daraufhin sagte Tatjana: "Das würde ich auch gerne mal machen." Diese Aussage, an die sie sich gar nicht mehr zu erinnern meint, habe ich ernst genommen und in der Sektion Locarno, in der ich schon seit 2001 Mitglied bin, nach dem Procedere für ernsthafte "Einsteiger" gefragt.

 Gab es von Seiten der Sektion Locarno, der die Hütte gehört, Vorbehalte gegen die beiden "Großstädter" aus Berlin?

In keinster Weise. Wir waren ja schon viele Sommer in den Tessiner Bergen. In dem Dorf, in dem wir immer wohnen, lebt auch der ehemalige Präsident der Sektion, über den ich seinerzeit beim Dorffest den Anstoß bekam in die Sektion einzutreten. Damals noch mit der Intention, mir vor allem für Hochtouren Ausrüstung zu leihen. Mittlerweile überwiegt der Aspekt der passionierten Tessinwanderer, die regelmäßig auch Neues erkunden und wenn wir in diese wunderschöne Welt eintauchen bleibt die "Großstadt" weitgehend außen vor.

Ihr beide ward also schon immer recht bergaffin?

Wir sind gebürtige Münchner und haben beide in der Münchner Zeit die Berge mit Eltern, Schule und dann eigenständig entdeckt. Auf unseren unterschiedlichen privaten Wegen und beruflich bedingten Wanderschaften – Theaterengagements und Arztstellen (incl. Familiengründung) rückten für uns beide die Berge weit weit in die Ferne. Erst als wir uns nach Jahren in Berlin wiederbegegnet sind "juckte es uns wieder" und diesmal gingen wir gemeinsam in die Berge. Da traf es sich gut, dass ich schon ein wenig vorher die Einsamkeit und Schönheit der Tessiner Berge für mich entdeckt hatte. Eine faszinierendes Alpenstück, für das ich Tatjana und auch ihre Kinder begeistern konnte.

Um den Job zu bekommen, musstet Ihr auch vorkochen. Weißt Du noch, mit welchem Menu Ihr die strenge Jury überzeugen konntet?

Da muss ich doch gerade mal bei Tatjana nachfragen. Als ob es gestern gewesen wäre: "gemischter Salat, Siedfleisch mit Salzkartoffeln und Ratatouille und zum Nachtisch Joghurtcreme mit karamellisierten Äpfeln und Baumnüssen." Ich weiß nur, dass es ein heißer Tag und ein mühsamer Aufstieg war, bei dem schon die "Uhr tickte" in Hinblick auf das Verhältnis von Ankunftszeit und Auftauzeit des Fleisches.

<p>Guido Neubert zaubert in der Küche.</p>

Guido Neubert zaubert in der Küche.

© Bene Benedikt

Die Premiere als Hüttenwarte liegt hinter Euch. Was hat Euch positiv überrascht, worauf seid Ihr nicht vorbereitet gewesen?

Wir wussten es zwar, aber es hat uns riesig gefreut, dass Freunde aus München und Berlin den weiten Weg ins Tessin und den mühsamen Aufstieg zur Hütte auf sich genommen haben, um sich von uns bekochen zu lassen. Überrascht hat uns beide, wie schnell wir in dieser Zeit unseren Alltag hinter uns lassen konnten. Alles außer dem Hüttenleben war ganz weit weg. Für Handy war quasi kein Empfang, der Computer schien uns ein Fremdkörper, den wir vom ersten Tag an ignorierten. Einzig über das Hüttentelefon tauschten wir Informationen aus und erhielten die Anmeldungen für die Übernachtungen.

Nicht gerechnet hatten wir damit, dass wir neben dem Frühstück und dem abendlichen 3-Gängemenü auch noch Mittags für die Bauarbeiter kochen mussten. So konnten wir über die Mittagszeit keine kleinen Touren machen. Dies wurde aber mehr als aufgewogen durch die glänzenden Augen von Alan, Aurelio, Luigi und Renato, wenn die dampfenden Töpfe auf der Granitplatte landeten und durch das Wissen, dass mit ihrer Arbeit die von der Lawine zerstörte Dusche erneuert wird und so vielen weiteren Besuchern, wie seinerzeit uns, ein unschlagbares Vergnügen auf über 1700m geboten werden kann: Eine warme Dusche mit Blick ins Tal und über die Berge.

Im Oktober werdet Ihr das nächste Mal für zwei Wochen den Hüttenbetrieb schmeißen. Würdet Ihr gerne mal für eine ganze Saison, also für sechs volle Monate die Verantwortung übernehmen? Oder liegt gerade in der Kürze der Reiz?

Da die Anreise von Berlin doch sehr weit ist und wir mit unserem Urlaub etwas haushalten müssen, werden wir uns, wie letztes Jahr, die zwei Wochen mit einem anderen Team teilen. Einer der Reize liegt sicherlich in der Kürze, aber auch darin, dass wir wieder die Schließungswoche bestreiten und somit vor der Aufgabe stehen werden, das Vorhandene aufzubrauchen und möglichst kreativ und geschmackvoll auf die Tische zu zaubern. Eine ganze Saison hat sicherlich auch ihren – anderen – Reiz, ist für uns beide berufsbedingt aber vollkommen unrealistisch.

Neben der Reportage von Bene Benedikt finden Sie unter anderem folgende Themen in unserer September Ausgabe:

© alpin.de
  • Titelstory: Dolomiten - Fassatal

  • Nauders: Radelspaß am Reschen

  • ALPIN-Test Daunen-Schlafsäcke

  • Tourenreportage Ehrwalder Sonnenspitze

  • Markt: Trends von der OutDoor 2016

  • Berge einst und jetzt: Die Berge meines Urgroßvaters

  • Von oben: Watzmann Ostwand

  • Bergschule: Klettern - Reibung und Verschneidung

  • Tourenreportage: Kleinwalsertal, von Hütte zu Hütte

  • Schritt für Schritt: Olperer Überschreitung

ALPIN 09/2016 ist seit dem 20. August im Zeitschriftenhandel oder in unserem Web-Shop erhältlich.

2 Kommentare

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Neubert

Lieber Jens,
zumindest der DAV hat keine solcherart bewirtschafteten Hütten. Ob es privat oder Gemeinde-mäßig so etwas gibt, habe ich nicht herausgefunden. Also: ab in die Schweiz!
Herzliche Grüße,
Guido

Jens

Schöne Geschichte. Wisst Ihr, ob es solche Möglichkeiten öfter gibt? Evtl in den bayrischen Alpen?