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Game Over: Auf Expedition in Pakistan

Marlies Czerny und Andreas Lattner möchten mit dem Gasherbrum II ihren ersten 8000er besteigen. Werden sie für ihre Geduld belohnt?

Game Over: Auf Expedition in Pakistan
© Andreas Lattner

Ab Sonntag sollte für uns die Sonne scheinen. Let‘s go! Um zwei Uhr früh starten wir endlich unseren langersehnten Gipfelversuch am Gasherbrum II. Dass uns die ganze Zeit Schneefall begleitet, macht uns zwar stutzig… aber wird bestimmt bald aufhören. Inshallah.

Um 13 Uhr erreichen wir erledigt unser einsames Zelt. Der Weg über den Southern Gasherbrum Glacier war erneut ein harter Arbeitstag. Elf Stunden lang, alte Spaltenbrücken waren gebrochen, die bisherige Spur vom Neuschnee verwischt, ein neuer Weg musste stellenweise gefunden werden… und es schneit noch immer.

© Andreas Lattner

Achtung, Lawinengefahr!

Immer wieder rauschen kleinere und größere Lawinen vom GII. Diesmal scheint dieser Koloss brandgefährlich. Bis wir einen Fuß in seine steilen Flanken setzen, wollen wir ihm mindestens zwei Tage mit Sonnenschein geben zur Entspannung. Die wären prognostiziert gewesen. Aber das jetzt?

Ein harter Schlag

Ein Wetterupdate flattert aufs Satellitentelefon - und mit einem Schlag stürzt die Motivation unter den Meeresspiegel ab. Der Jetstream fegt noch länger übers Karakorum, morgen Montag ist auch noch Schneefall möglich, und der beste Gipfeltag wäre nun nicht mehr der 1., sondern der 4. August. Am 4. August müssen wir aber bereits am Weg durch das Hushe-Tal sein. Am 5. geht unser Flug von Skardu nach Islamabad, am 8. früh morgens weiter in die Heimat. Das kann sich jetzt alles nicht mehr ausgehen.

Geduldsspiel

Oder? Einen Tag können wir im äußersten Fall noch warten… Aber am Montag schneit es nun fast den ganzen Tag. Wir sind sprachlos, enttäuscht und ratlos. Wieso wird unsere Geduld bloß nicht belohnt?

Aus der Traum vom 8000er. Oder sollen wir unsere Flüge verschieben? Eher ausgeschlossen, zuhause wartet zu viel Arbeit. Und ehrlich gesagt: Wir haben genug von der Warterei. Von sechs Wochen im Basislager hatten wir mehr als vier mit schlechtem Wetter. Zeit hätten wir uns im Grunde genug gegeben gehabt. Verschiebt sich das prognostizierte Wetterfenster weiter kontinuierlich jeden Tag um weitere Tage, sitzen wir im September noch immer hier.

Letzte Chance: vorbei

Wenn wir alles zusammenzählen, dann ist die Sache klar: Es schneit den siebten Tag in Folge, überall Lawinen, Jetstream und kein stabiles Hoch in Sicht. Unsere letzte Chance ist vorbei. Wir können nicht mal mehr unser Zelt und Material im Lager 3 auf knapp 7000 Meter erreichen - selbst dafür ist uns das Risiko zu groß. Zeug am Berg zurücklassen zu müssen, ist noch ein Punkt, der uns gar nicht gefällt.

Das wär‘s gewesen!

Während der Schnee pausenlos auf unser Zelt prasselt, gehen wir unsere Situation wieder und wieder durch. Wir wollen es nicht wahrhaben, dass uns das Wetter keine Chance lässt. Der GII hätte uns heuer richtig Spaß gemacht - wenige Leute, keine Fixseile, ein Achttausender-Abenteuer annähernd im Alpinstil. Ja, das wär‘s gewesen!

Aber wieder und wieder kommen wir zum gleichen Ergebnis: Es ist zu gefährlich und Warten auf besseres Wetter zu unsicher. Schweren Herzens fällt unsere Entscheidung: Wir steigen morgen ins Basecamp ab. Aus. Vorbei.

Good bye, GII!

Dann kommt doch kurz die Sonne zum Vorschein, und wir stehen vor dem GII in seiner vollen Pracht - ganz so, als wolle er sich noch von uns verabschieden. Und wir uns von ihm. Bald schneit es wieder und wir schlafen ein. In der Nacht reißt uns das Geräusch einer großen Lawine vom GII aus dem Schlaf. Als unser Wecker um zwei Uhr klingelt, ist es draußen sternenklar und alles vom Vollmond erhellt. Hach. So hätte es schon am Sonntag sein sollen!

© Andreas Lattner

Dieser Abschied fällt schwer

Es macht unseren Aufbruch um drei Uhr nicht leichter - im Gegensatz. Sollen wir vielleicht doch noch einen Tag hier warten? Ach, aber ein Tag reicht ja nicht… Das und vieles mehr geht uns die nächsten Stunden durch den Kopf, während wir wortlos, nur durch ein Seil verbunden, den Gletscher nach unten steigen.

Wir werden wach gerissen, als wenige hundert Meter vor uns eine Lawine vom Gasherbrum VI donnert. Schlechter Film, oder? Genau die gleiche Lawine, die uns beim letzten Aufstieg gestreift hat? Jetzt wieder knapp vorbei? Gegen Ende des fünf-stündigen Abstiegs haben sich unsere Zweifel größtenteils gelegt, und wir können unsere Entscheidung besser akzeptieren.

Ein Glücksspiel, wir verloren

Ja, enttäuscht sind wir. Vor allem,dass wir die Chance nicht bekommen haben, auf die wir so geduldig gewartet haben. Auch über die Erkenntnis, dass Höhenbergsteigen zu einem großen Teil ein Glücksspiel ist. Und hoch pokern wollten wir auf unserer ersten 8000er-Expedition nicht, das war uns zu gefährlich.

Unser Fazit folgt

Wir hoffen, unsere Gedanken beim Rückmarsch durchs Hushe-Valley ordnen zu können, denn all der Enttäuschung stehen natürlich auch viele positive Eindrücke gegenüber. Dann haben wir auch wieder besseres Internet und können unsere Videobotschaft hochladen, die wir für euch im Camp 1 aufgenommen haben. Unsere ganz persönlichen und ungeschminkten Tops und Flops dieser Expedition erzählen wir euch natürlich auch noch in den nächsten Tagen. :-)

<p>Das war's mit der Expedition. In ein paar Tagen geht für Marlies und Andreas der Rückflug.</p>

Das war's mit der Expedition. In ein paar Tagen geht für Marlies und Andreas der Rückflug.

© Andreas Lattner

Mehr zu Marlies und Andreas und den Verlauf ihrer Pakistan Expedition findet Ihr auf www.hochzwei.media. Dort lest Ihr auch alle bisher veröffentlichten Blog-Beiträge in vollständiger Länge.

Marlies Czerny stellt Euch ihre Viertausender-Klassiker vor.

Text von Marlies Czerny

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