Kletter-Klassiker Fleischbank

Dem "Mythos" Wilder Kaiser auf der Spur

Kaum ein anderes Bergmassiv in den nördlichen Alpen ruft so laut und schon so lange wie der Wilde Kaiser. Bereits im 19. Jahrhundert war "der Koasa" Sehnsuchtsort und Mekka der frühen Alpinisten.

Dem "Mythos" Wilder Kaiser auf der Spur
© Björn Ahrndt

Auch heute noch finden Cracks der Alpinkletterei immer neue Herausforderungen in und um diesen prägnanten Gebirgsstock. Und während die Einen nach den noch steileren Wänden suchen, bevorzugen Andere die normalen Routen auf die Gipfel. Jedoch erreicht man nicht alle Gipfel auf normalen Bergwegen. Einige wollen auch heute noch erobert werden.

<p>Sonnenstrahlen über dem Kaiserbachtal.</p>

Sonnenstrahlen über dem Kaiserbachtal.

© Björn Ahrndt

Die Kitzbüheler Bergführer, ein Zusammenschluss verschiedener Bergschulen der Region, haben unter dem Namen "Kaiser hoch 6" diese Touren im Programm. Die Klassiker vergangener Epochen. Die schönsten Routen der frühen Pioniere.

Es ist die Kombination aus Bergsteigen und leichter Kletterei die den Reiz dieser Touren ausmacht. Ausdauer, Trittsicherheit und Schwindelfreiheit sollte man mitbringen. Und jede Menge Speicherplatz auf seiner Kamera! Jule und ich haben uns zusammen mit Bergführer Tom Rabl auf den Weg und auf die Spurensuche nach dem „Mythos Wilder Kaiser“ begeben.

Vorfreude und Respekt

Schon als er uns von den verschiedenen Routen am Tag vor unserer Tour erzählt merkt man, dass diese Routen, die Berge und Ihre Geschichte, etwas ganz Besonderes sind. So wie unsere Gesichter strahlen, so strahlen seine Augen an diesem Nachmittag im Hotel Kaiserfels in St. Johann in Tirol. Sie leuchten, obwohl er sicher schon zig mal in den Wänden des Koasa stand.

<p>Grandiose Tiefblicke an der Fleischbank.</p>

Grandiose Tiefblicke an der Fleischbank.

© Björn Ahrndt

Schwere Klettersteige, Hallenkletterei und kürzere Wände in den Klettergärten der Steinberge haben wir schon gemeistert. Der Kaiser ist aber ein ganz anderes Kaliber. Allein der Name flößt Ehrfurcht und Respekt ein. Der Anblick der hohen Felszacken im Nordosten Tirols ohnehin.

Die meisten Blicke auf den Kaiser haben wir bisher aus gebührender Entfernung geworfen. Auf dem KAT Walk, dem Koasa-Trail oder auch im Verlauf der zahlreichen Skitage in St. Johann oder Fieberbrunn. Nun geht es mitten hinein. Die schönsten Routen stehen zur Wahl. Und die höchsten Gipfelziele. Ellmauer und Goinger Halt, Fleischbank, Totenkirchl, Predigtstuhl und Lärcheck. Alle über 2100 Meter hoch. Alle stehen sie eine ruhmreiche Vergangenheit aus den ersten Tagen des Alpinismus.

Erstbesteigung

Für unsere persönliche Erstbesteigung haben wir uns die Fleischbank ausgesucht. Der Berg, der wie kaum ein anderer für die Geschichte des Klettersports steht. Der erste Karabinerhaken zur Sicherung kam hier zum Einsatz. 

<p>Die letzten Meter bis zum Gipfel der Fleischbank.</p>

Die letzten Meter bis zum Gipfel der Fleischbank.

© Björn Ahrndt

Die weltweit schwierigste Tour im Alleingang im Jahr 1925. Die erste Tour im 7. Schwierigkeitsgrad 1977. Und 1994 die schwerste Alpinkletterei im Schwierigkeitsgrad 10+ durch Stefan Glowacz. All das hat hier stattgefunden. All das ging hier in die Geschichte des Alpinismus ein und hat die Fleischbank, wie auch den Wilden Kaiser, berühmt gemacht.

Fleischbank und Co. - Klickt euch durch eine Fotogalerie mit den Meilensteinen des Kletterns:

Schon früh hat die Eisenbahn Bergsteiger aus dem Münchener Raum hierher gebracht. Mit den fortschreitenden Rekorden zog es auch die ganz großen Alpinisten und Kletterer hierher.

Nun stehen wir auf der vor den Wänden des Bergmassivs. Von der Griesner Alm geht es in Richtung Stripsenjochhaus und über den Nordgrat nach oben. Kletterpassagen bis in den Schwierigkeitsgrad 3+ warten. Meist bleibt das Niveau aber darunter. Damit ist die Fleischbank eine der leichteren Touren im Sextett. Der perfekte Einstieg.

Rhythmus und Herzschlag der Berge

Leicht trifft es natürlich nicht ganz. Es handelt sich um eine durchaus anspruchsvolle alpine Tour. Schnell merken wir, dass es in der Seilschaft auf den richtigen Rhythmus ankommt. Und an den schwierigen Passagen ist durchaus der ein oder andere Griff der mir fehlt. Glücklicherweise klettert Jule besser wie ich und ist kurz vor mir eingebunden. Schritt für Schritt geht es gemeinsam dem Ziel entgegen.

<p>In sicheren Händen: Mit Bergführer beim Abstieg zum Ellmauer Tor.</p>

In sicheren Händen: Mit Bergführer beim Abstieg zum Ellmauer Tor.

© Björn Ahrndt

Die Tiefblicke werden immer grandioser. Und mit zunehmender Höhe wird auch das Kaiserpanorama immer beeindruckender. Steinerne Kathedralen die sich in den strahlend blauen Tiroler Himmel schrauben. Der Predigtstuhl direkt gegenüber gleicht einer uneinnehmbarer Festung. Vom Totenkirchl auf der anderen Seite ganz zu schweigen.

Und dennoch finden sich auch dort diese herrlichen Aufstiegsrouten. Wie die unsere, die uns an diesem Tag bis auf den Gipfel der Fleischbank führt.

Geschichtsträchtige Orte

Auf 2187 Metern Höhe beginnt der entspanntere Teil der Tour. Abseilen in Richtung der Steinernen Rinne. Über mehrerer Standplätze geht es immer tiefer. Bis auf das weite Schotterfeld zwischen Fleischbank und Predigtstuhl.

Im Abstieg laufen wir an jenen Orten ein, die als Meilensteine der Klettersports in die Geschichte eingingen. Der Dülferriss, die Ostwand und "des Kaisers neue Kleider" vorbei. In dieser 10+ sehen wir hoch oben ein freihängendes Biwak aus dem gerade ausgecheckt wird. Beeindruckend.

Das Lächeln in unseren Gesichtern wird immer größer. Der Respekt über die Leistungen von Dülfer und Co. im Angesicht der 350 Meter hohen Kletterwände ebenso. Die Konzentration ist immer noch hoch, als wir über den teilweise mit Drahtseilen gesicherten Eggerweg absteigen und letztlich, nach 8 Stunden und 15 Minuten, den Ausgangspunkt an der Griesner Alm wieder erreichen.

Mythos Wilder Kaiser

Glücklich und zufrieden strecken wir unsere Füße in den herrlich erfrischenden Kaisertalbach. Das Erlebte können wir noch gar nicht wirklich begreifen. Die herrlichen Eindrücke. Die vielen Emotionen und die beeindruckenden Bilder im Herzen des Kaisergebirges waren während der Tour durchaus präsent. Aber was wir an diesem für uns so perfekten Bergtag erlebt und geleistet haben, müssen wir in der Tat erst verarbeiten.

<p>Rückweg über den Eggerweg.</p>

Rückweg über den Eggerweg.

© Björn Ahrndt

Natürlich sind wir nicht annähernd an die Leistungen der Pioniere herangekommen. Natürlich sind die Schwierigkeitsgrade, die an den Wänden des „Koasa“ erklettert wurden, für uns so fern, wie die Sterne am Tiroler Himmel. Und natürlich haben wir den Unzähmbaren nicht gezähmt.

Wir sind nur ein stückweit den Spuren derer gefolgt, die hier ihre große Fußstapfen hinterlassen. Wir durften selbst den Rhythmus und den Herzschlag dieser Berge kennenlernen. Und wir verstehen nun, warum der Wilde Kaiser so viele Generationen an Bergsteigern geprägt hat und noch immer prägt. Warum der Wilde Kaiser so viele der ganz Großen inspiriert. Warum er ein Mythos ist.

© Björn Ahrndt

Björn Ahrndt ist leidenschaftlicher Bergsportler und der "Macher" von bergparadiese.de. Hier finden Bergbegeisterte Tipps und Beschreibungen zu Berg-, Trailrunning- und Skitouren, Reiseberichte sowie Produkttests. 


Quiz: Teste dein Wissen über Stefan Glowacz

Text von Björn Ahrndt

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