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Die Sellrainrunde: Hüttentour in sieben Etappen

Stefanie von den Munich Mountain Girls nimmt Euch mit auf die anspruchsvolle Rundtour.

Die Sellrainrunde: Hüttentour in sieben Etappen
© Stefanie Ramb

Anstrengung gesucht

Letzten Sommer bin ich mit Freundinnen vom Königsee zu den Drei Zinnen gewandert, in sieben Tagen über den Alpenhauptkamm, weil man halt – wenn man Mehrtageswanderungen mag – auch mal eine Alpenüberquerung gemacht haben möchte. Die Tour war sehr schön, aber danach waren wir einig: sonderlich anstrengend wars nicht.

<p>Etappe 1: Auf dem Weg zur Potsdamer Hütte.</p>

Etappe 1: Auf dem Weg zur Potsdamer Hütte.

© Stefanie Ramb

Deswegen saßen wir im Frühjahr zusammen, um uns eine Hüttentour für diesen Sommer auszusuchen. Sieben Tage, nicht überlaufen und anspruchsvoll sollte sie sein. Wir stießen schnell auf ein Faltblatt des Alpenvereins zur Sellrainer Hüttenrunde, eine Rundtour, die alle Kriterien erfüllte, die wir uns überlegt hatten.

Badewanne (Bergseen und -bäche), Balkon (viele Gipfel und Scharten) und eine Wohnküche (gemütliche Hüttenabende) – alles war dabei. Wir waren uns noch nicht so ganz sicher, ob wir alle in unserer Wunschwoche genug Urlaub bekommen würden, und da man die Tour um ein paar Tage abkürzen oder verlängern kann, war beschlossen: An einem Dienstag im Juli starten wir nach Innsbruck, und von da ins Sellrain.

Hauptsache Nadeln dabei

Vor der Alpenüberquerung im letzten Jahr hatten wir noch sehr viel Zeit in die Vorbereitung gesteckt, hatten uns genau überlegt, was wir wie einpacken und wer was mitnimmt. Dieses Jahr waren es wenige kurze Gespräche, die sich hauptsächlich um die Hüttenreservierungen und den Wetterbericht drehten. Und um das Strickprojekt, das wir mitnehmen wollten, waren wir doch letztes Jahr schon irgendwo kurz hinterm Königssee unter den Wanderern, die die Tour wie wir gingen, als die "strickenden Münchnerinnen" bekannt.

<p>Etappe 2: Aufstieg zum Westfalenhaus.</p>

Etappe 2: Aufstieg zum Westfalenhaus.

© Stefanie Ramb

Die erste Etappe startete ruhig und einfach, aber wunderschön. Zur Potsdamer Hütte, die nach einem Brand vor einem guten Jahr gerade erst saniert wiedereröffnet worden war, marschierten wir den Fotscher Bach entlang gemütlich über Stock und Stein, sichteten die ersten Hirsche und staunten inklusive munterem Artenraten über die Farbenvielfalt der alpinen Pflanzenwelt.

<p>Etappe 3: Zwischen Westfalenhaus und Zischgenscharte.</p>

Etappe 3: Zwischen Westfalenhaus und Zischgenscharte.

© Stefanie Ramb

An der Hütte gabs dann hausgebackene Nussecken, ein extrem schönes und gemütliches Lager, ein paar kleine Regenschauer und immer und immer mehr anwachsende Vorfreude auf diese Woche. Wir hatten Lust auf das, was auf uns zukommt (was auch immer es sein wird), versicherten uns immer wieder, wie gut wir es doch hätten und freuten uns auf ein paar Tage ohne die Was-ziehe-ich-an-Überlegungen, auf das am-Abend-was-geschafft-haben, auf jeden Tag Apfelstrudel und lange Wanderetappen.

Schartenprofis

Im Lauf der nächsten Tage wurde uns sehr schnell klar: Wir hatten uns absolut die richtige Tour ausgesucht. Jede Etappe war landschaftlich wunderschön, wir begegneten teilweise über Stunden niemandem und wir hatten – und so wars ja gewünscht – oft ordentlich zu kämpfen.

<p>Etappe 4: Auf dem Weg zum Zwieselbacher Rosskogel.</p>

Etappe 4: Auf dem Weg zum Zwieselbacher Rosskogel.

© Stefanie Ramb

Schien der Tag leicht, flach und auf Wanderwegen durch grüne Wiesen zu beginnen, mündete er fast immer in fiese steile Anstiege auf Schotterfeldern, um dann auf der anderen Seite der Scharte genauso fies steil, teilweise nur mit einem lapprigen Seil versichert oder durch Schneefelder wieder in ein hübsches grünes, bachlauf-durchzogenes Tal hinabzuführen.

<p>Etappe 6: Über den Mittertalbach bei Kühtai.</p>

Etappe 6: Über den Mittertalbach bei Kühtai.

© Stefanie Ramb

Wir bewegten uns auf Höhen zwischen 2000 und 3000 m, und bekamen an den ersten vier Tagen strahlend blauen Himmel als Belohnung für jede Rutschpartie auf Schotter oder Schnee geschenkt. Wir durchstreiften Gesteinsfelder, beobachteten Kühe beim bergab rennen, Holländer beim bergab rutschen, lagen am Gebirgsbach in der Sonne (nur der Grashalm im Mundwinkel fehlte), lagen neben der Hütte auf der Bank (bzw. wie an der Pforzheimer Hütte in der Hängematte), aßen uns durch das Kaiserschmarrn- und Strudel-Angebot der Sellrainer und Ötztaler Berge und waren uns nach sieben Tagen, zurück in Sellrain, einig: Das war doppelt so anstrengend wie die Alpenüberquerung, aber auch doppelt so toll.

Wir sind jetzt Bergsteiger

Tag fünf starteten wir mit Regenjacke und einem Abstieg ins Tal – über Nacht war der Himmel verschwunden und der Wetterbericht kündigte ein Wochenende mit Regen und Gewittern an. Wir hatten eine Neunstundenetappe mit Kletterstellen auf 2700 m auf dem Plan und keine Lust, dort oben vom Gewitter überrascht zu werden. So nahmen wir den Bus ins nächste Tal, und gingen dort wieder hoch zur Bielefelder Hütte, ein Steinschloss auf 2150m.

<p>Etappe 7: Fels und Nebel am Sellrainer Höhenweg.</p>

Etappe 7: Fels und Nebel am Sellrainer Höhenweg.

© Stefanie Ramb

Leider kam die Sonne auch am nächsten Tag nicht durch die dicken Wolken durch und so erwies sich die von der Gruppe am Nebentisch beim Abendessen als poplig kurz abgetane Etappe als ganz schönen Klopfer. Die Hochreichscharte auf 2900 m lag im Nebel vor uns, der Trampelpfad war vom Regen der Nacht matschig und der Fels rutschig, die Seilversicherung sah eher fragwürdig aus und teilweise hatten relativ frische kleine Geröllabgänge den Weg anstrengender gemacht, als er bei schönem trockenem Wetter eh schon gewesen wäre.

<p>Etappe 7: Auf dem Sellrainer Höhenweg.</p>

Etappe 7: Auf dem Sellrainer Höhenweg.

© Stefanie Ramb

Doch wir waren trotzdem glücklich, denn uns war klar: Irgendwie hat diese Woche aus Wanderern Bergsteiger gemacht, die gemeinsam Gelände gemeistert haben, an das sich wahrscheinlich keine von uns allein getraut hätte. Außerdem hatten wir Gipfelschokolade mit Gletscherblick auf 3082 m, haben einen Kinderpulli, mehrere Socken und eine halbe Mütze gestrickt, haben in Täler geschaut, wie wir sie uns schöner nicht erträumen können, hatten Hochs (sehr viele) und Tiefs (sehr wenige) und waren schon an Tag zwei dabei zu überlegen, was diese Tour im nächsten Sommer toppen könnte. Any suggestions?

Info

Die Sellrainer Hüttenrunde ist variabel gestaltbar. Fast jede Etappe kann auf einfachen, mittelschweren und schweren Routen (wir haben uns immer die schwerste/längste ausgesucht und haben dabei knapp 100 km und um die 6500 hm gesammelt) begangen werden; fast alle Hütten sind sehr empfehlenswert und unerwartet luxuriös (warme Dusche, vegetarische Essensauswahl, gemütliche Betten, beheizte Schuhräume), und wer nicht zu einem bestimmten Tag wieder zu Hause sein muss, kann fast beliebig verlängern. Alle nötigen Infos stehen im Faltblatt des Alpenverein https://www.alpenverein.de/dav-services/panorama-magazin/toureninfos-sellrainer-huettenrunde_aid_12548.html bzw. im Internet.

Munich Mountain Girls

Die Munich Mountain Girls, 2016 von Christine Prechsl aus Liebe zu den Bergen ins Leben gerufen, sind eine Community aus 50 bergbegeisterten Münchnerinnen, die am liebsten jede freie Minute draußen verbringen und bei ihren gemeinsamen Bergabenteuern schon einmal über sich hinauswachsen. Auf ihrem Blog www.munichmountaingirls.de sowie auf Instagram berichten sie darüber.

Text von Stefanie Ramb

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