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Höhenangsttraining im Karwendel

Zittrige Knie. Unbehagen. Und nur noch Augen für den Abgrund statt für das traumhafte Panorama. Wenn beim Bergsteigen Höhenangst einsetzt, kann man den Gipfel schnell mal vergessen. Damit das nicht öfter passiert, haben sich sieben der Munich Mountain Girls ihrer Höhenangst gestellt und ein Training im Karwendel absolviert.

Höhenangsttraining im Karwendel
© Christine Prechsl / Lisa Amenda

"Angst bewahrt einen davor leichtsinnig zu handeln – und das ist grundsätzlich erst einmal gut", begann Bergführer Winni die Einführung zum Höhenangsttraining.

"Wenn die Angst allerdings in Momenten auftritt, in denen sie objektiv gesehen nicht unbedingt begründet ist, ist sie eher hinderlich. Dann könnte man nämlich etwas erreichen, was einen weiterbringt - und man tut es nicht, weil sich der Kopf dazwischen schaltet und einem das Vorhaben ausredet."

Genau solche Momente hat es auch für die sieben Munich Mountain Girls, die sich zusammen auf der denkmalgeschützten Falkenhütte im Karwendel eingefunden hatten, schon öfter gegeben.

<p>Stellen sich ihrer Höhenangst: Die Munich Mountain Girls. </p>

Stellen sich ihrer Höhenangst: Die Munich Mountain Girls. 

© Christine Prechsl / Lisa Amenda
<p>Dem Gipfel entgegen: Die Gruppe im Aufstieg. </p>

Dem Gipfel entgegen: Die Gruppe im Aufstieg. 

© Christine Prechsl / Lisa Amenda

Die Angst vor dem Fallen schnürte ihnen die Kehle zu, ließ ihre Knie zittrig und die Hände schwitzig werden. Diesen Ängsten wollten sie sich, ganz unter Frauen und nur mit der Hilfe von DAV-Bergführer Winni, bei der Tour auf den Steinfalk stellen und vor allem lernen mit dieser umzugehen und ihre Grenzen neu auszuloten.

Die Wanderung hat zwei bis drei ausgesetzte Stellen im ersten bis zweiten Schwierigkeitsgrad und eignet sich besonders für ein Höhenangsttraining, da man über die gesamte Tour fast uneingeschränkten Tiefblick ins Tal hat.

Los ging es am Abend zuvor mit einer kurzen Besprechung und der Erklärung des Drei-Zonen-Modells zur besseren Einschätzung der eigenen Angst:

  • Komfortzone

  • Lernzone

  • Panikzone

Das ist zwar kein hoch-wissenschaftliches Modell, hilft aber in der Realität ziemlich gut. In der Komfortzone fühlt man dabei keinerlei Angst, man fühlt sich schlichtweg wohl, ist sicher und entspannt. In der Lernzone kommt manchmal ein flaues Gefühl auf, man ist sich teilweise unsicher. Wenn man dies nutzt, kann man lernen seine Angst zu überwinden bzw. seine Grenzen neu zu setzen. Die Panikzone steht dabei wohl für sich.

Dieses Modell konnten die Munich Mountain Girls am nächsten Tag selbst ausprobieren und sich an jedem Punkt fragen, in welcher Zone sie sich gerade befinden. Dazu unterstützte Winni mit einfachen Übungen:

<p>Blick in den Abgrund: DAV-Bergführer Winni gibt nützliche Tipps. </p>

Blick in den Abgrund: DAV-Bergführer Winni gibt nützliche Tipps. 

© Christine Prechsl / Lisa Amenda

1. Die Wohlfühlübung

In der ersten Übung sollten sich die Munich Mountain Girls einen Ort vorstellen, an dem sie sich ganz besonders wohlfühlen. Schnell fielen Begriffe wie "Hängematte am See" oder "Picknickdecke auf einer Wiese".

<p>Die Vorbereitungen für den Abstieg beginnen: DAV-Bergführer Winni gibt Anweisungen. </p>

Die Vorbereitungen für den Abstieg beginnen: DAV-Bergführer Winni gibt Anweisungen. 

© Christine Prechsl / Lisa Amenda

Minutenlang sollten sie sich in diesen Zustand hineinfühlen. Ziel dieser Übung ist es, sich in Momenten, in denen leichtes Unbehagen aufkommt, sich genau in diesen Bild hineinzuversetzen. So kann die "Angst im Anflug" ein wenig zurückgedrängt werden.

2. Ab und zu Tiefblicken

Bei der zweiten Übung sollte man ab und zu tief ins Tal blicken. So gewöhnt man den Kopf an die Aussicht und muss nicht jedes Mal aufs Neue dieselbe Angst spüren. So wird die Komfort- zur Lernzone.

3. Trittsicherheit gewinnen

Wenn man von Anfang an weiß, dass die Tour an manchen Stellen eine Herausforderung werden wird, kann man sich in Trittsicherheit üben. Das bedeutet, auf dem zu Beginn noch breiten Wander- oder Forstweg nicht herumzuhampeln oder herumzuhüpfen, sondern gleichmäßig den ganzen Fuß aufzusetzen, sicher zu gehen und zu stehen.

<p>Im Karwandel: Herrliches Bergpanorama mit Hütten. </p>

Im Karwandel: Herrliches Bergpanorama mit Hütten. 

© Christine Prechsl / Lisa Amenda

Denn gerade dann, wenn der Weg schmaler und abschüssig wird, fühlt man sich beim stabilen Gehen deutlich sicherer. Auch wenn sich das flaue Gefühl im Magen anbahnt. Das ist eine ganz einfache Übung für die eigene innere Sicherheit.

4. Sicherheits-Mantras aufsagen

Ähnlich wie bei der ersten Übung kann man sich in Situationen, in denen langsam Angst aufkeimt, Sicherheits-Mantras aufsagen. Das können zum Beispiel sein:

  • "Ich fühle mich hier sicher und geborgen."

  • "Ich passe auf mich auf!"

  • "Ich weiß, dass ich meinem Körper und meinem Können vertrauen kann."

<p>Blick aufs Bergpanorama: DAV-Bergführer erläutert die Namen der einzelnen Berge. </p>

Blick aufs Bergpanorama: DAV-Bergführer erläutert die Namen der einzelnen Berge. 

© Christine Prechsl / Lisa Amenda

Diese Sätze stärken dein Selbstbewusstsein am Berg - egal in welcher Situation.

Aber was ist, wenn man selbst nicht derjenige ist, der auf Tour in Panik gerät, sondern man jemandem beistehen muss? Laut Bergführer Winni ist hier "Ruhe bewahren" das A und O. Am besten schirmt man als Erstes den Abgrund mit dem eigenen Körper ab, so dass die Person nicht mehr in die Tiefe blicken kann.

Dann auf jeden Fall gut zureden, die Person eine Pause machen lassen und dadurch Sicherheit vermitteln. Praktische Hilfe kann man ihr dann anbieten, wenn sie sich wieder etwas beruhigt hat, z.B. indem man die nächsten Tritte im Fels aufzeigt und vielleicht auch die Hand gibt, wenn es die Wegbeschaffenheit zulässt.

Es hilft auch immer ein Wohlfühlbild für die Person zu entwerfen und beispielsweise von der Hängematte am See zu schwärmen.

Mitwanderer sollte man deshalb immer beobachten und auch ihren Gang genauer unter die Lupe nehmen. Wenn sie schon von Anfang an Angst haben, aber trotzdem sicher und stabil gehen, kann man davon ausgehen, dass sie sich in der Lernzone befinden. Dann werden bei der Tour eher die eigenen Grenzen überschritten und auf gute Art und Weise gelernt.

<p>Angstfrei: Munich Mountain Girl läuft mühelos am Abgrund entlang. </p>

Angstfrei: Munich Mountain Girl läuft mühelos am Abgrund entlang. 

© Christine Prechsl / Lisa Amenda

Mit diesen Tipps haben es alle Munich Mountain Girls – mit mehr oder weniger weichen Knien –am Ende des Tages auf den Steinfalk geschafft. Sie haben gelernt, dass es absolut keine Schande ist, sich seine Höhenangst einzugestehen und dass man sich mit den richtigen Übungen selbst und vor allem gegenseitig motivieren und Hilfestellungen am Berg geben kann.

© Christine Prechsl

Die Munich Mountain Girls, 2016 von Christine Prechsl aus Liebe zu den Bergen ins Leben gerufen, sind eine Community aus 50 bergbegeisterten Münchnerinnen, die am liebsten jede freie Minute draußen verbringen und bei ihren gemeinsamen Bergabenteuern schon einmal über sich hinauswachsen. Auf ihrem Blog www.munichmountaingirls.de sowie auf Instagram berichten sie darüber.

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Text von Christine Prechsl / Lisa Amenda

1 Kommentar

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Gast

Interessanter Artikel. Kritisch sehe ich allerdings, dass hier typische Genderklischees bedient werden. Mann erklärt "Mädchen" (müssen sich erwachsene Frauen wirklich als "Girl" bezeichnen?) wie's richtig geht. Vielleicht war die Konstellation grade opportun, allerdings würde ich mir wirklich wünschen, dass an solche Thematiken gedacht wird.