Frei und unabhängig - in Demut und Bescheidenheit

Video: Die Sennerin vom Geigelstein

"Marie vom Geiglstoa" hat nahezu ihr gesamtes Leben auf der Oberkaseralm, der letzten Hütte vor dem Aufstieg zum 1808 Meter hohen Geigelstein verbracht. Kurz vor ihrem Tod gewährte die über 90-Jährige der Autorin Christiane Tramitz persönliche Einblicke in ihr hartes aber erfülltes Leben fernab der modernen Welt.

Video: Die Sennerin vom Geigelstein
© Heinrich Rehberg

Die "Marie vom Geiglstoa" lebte von 1941 bis 2017, mehr als ein dreiviertel Jahrhundert ohne jeden Luxus und im Einklang mit der Natur. Die Frau entschied sich bereits in jungen Jahren - wegen einer enttäuschten Liebe - für ein bescheidenes aber unabhängiges Leben auf der Alm. Sie blieb nicht nur den Sommer über auf der Alm, sondern das ganze Jahr über auch nachdem das Vieh längst zum Überwintern ins Tal geführt worden war.

© Heinrich Rehberg

Auf der Alm lebte sie ohne die Annehmlichkeiten und den Luxus, der heutzutage selbstverständlich geworden ist. Auf der Hütte gab es kein warmes Wasser - manchmal auch gar kein Wasser -, keinen Kühlschrank, keine Spülmaschine oder Waschmaschine. Dazu meinte die sympathische alte Dame nur: "Geht a".

Die Zeit schien in den Chiemgauer Alpen für die Sennerin stehen zu bleiben. Das Leben im Tal änderte sich rasant. Bei Marie blieb alles beim Alten. Besucher der Alm wurden von ihr, die das Kochen mit dem alten Holzofen und den wenigen Zutaten perfekt beherrschte, bestens versorgt. Ihre Kasspatz’n aus dem Kessel waren berühmt.

<p>Eine gute Köchin: Trotz der entbehrungsreichen Umstände waren die Gäste der Mare immer gut versorgt.</p>

Eine gute Köchin: Trotz der entbehrungsreichen Umstände waren die Gäste der Mare immer gut versorgt.

© YouTube-Video Machwerk TV

Maria liebte ihre Alm und die Natur, die sie umgibt. Die tierliebe Dame hielt sich sechs Katzen, die ihr auf der Alm Gesellschaft leisteten. Sie liebte die Abgeschiedenheit vom Trubel im Tal und lernte selbstständig von und mit der Natur zu leben.

Das Gesicht der "Oberkaser-Marie" erzählt von einem arbeitsreichen Leben, das vielen modernen Menschen wohl kaum erträglich gewesen wäre. Einen Arzt ließ die eigensinnige Frau bis zuletzt nicht an sich ran und half sich stattdessen selbst mit Tinkturen oder Salben aus Heilkräutern. Selbst ein gebrochener Fuß im Winter 2013 konnte sie nicht ins Tal bewegen. „Der wächst hier oben a wieder zam“, meinte die Marie.

<p>Die Mare liebte das einfache und unabhängige Leben auf ihrer Alm.</p>

Die Mare liebte das einfache und unabhängige Leben auf ihrer Alm.

© YouTube-Video Machwerk TV

Das hohe Alter hielt sie ebenfalls nicht davon ab, sich um das Alm-Vieh zu kümmern, das auch des Öfteren von nahe des über 1800 Meter hohen Gipfel des Geigelsteins zurückgeführt werden musste. Sie liebte die Natur und das Leben mit den Tieren.

Als ihre Alm im Winter 2009 von einer Lawine und heftigen Schneefällen komplett bedeckt wurde, mussten sich Rettungskräfte der Bergwacht zur Sennerin durchgraben. Die Hütte war leicht zu finden. Der Schornstein war im oberen Bereich, durch zünftiges Einheizen aus dem Inneren der Alm, freigeschmolzen. Da das nicht die erste Lawine war, die die "Oberkaser-Marie" mit (und üb-)erlebt hatte, beschäftigte sie sich in aller Ruhe zwischenzeitlich mit einem gründlichen Hausputz bei Kerzenschein.

<p>Das Bild zeigt unten links den freigeschmolzenen Kamin der Oberkaseralm. Der Rest der Hütte ist von den Schneemassen bedeckt.</p>

Das Bild zeigt unten links den freigeschmolzenen Kamin der Oberkaseralm. Der Rest der Hütte ist von den Schneemassen bedeckt.

© YouTube-Video Machwerk TV

Zwei Tage später wurde die zähe Dame aus den Schneemassen befreit. Und trank erstmal zwei Schnäpse. Die naturverbundene Frau hing so sehr an ihrer Alm, dass man sie lediglich zu einem kurzen Aufwärmen überreden konnte. Kurz darauf ging es schnell wieder zurück in ihre Hütte.

<p>In einer aufwändigen Aktion gruben sich die Rettungskräfte der Bergwacht vier Meter tief bis zur Hütte der "Sennerin vom Geigelstein" durch.</p>

In einer aufwändigen Aktion gruben sich die Rettungskräfte der Bergwacht vier Meter tief bis zur Hütte der "Sennerin vom Geigelstein" durch.

© YouTube-Video Machwerk TV

Die Verschüttung durch die Lawine war nicht das einzige Mal, dass die Marie dem Tod entrinnen konnte. Beinahe wäre sie verhungert, erfroren, verbrannt oder erstickt. Doch Klagen, Bedauern oder Jammern waren Mare fremd. Stets hat sie sich dem gefügt, was gekommen ist.

<p>Die Rettung war geglückt: Nach zwei Tagen konnte die  "Marie vom Geiglstoa" wieder Tageslicht sehen.</p>

Die Rettung war geglückt: Nach zwei Tagen konnte die "Marie vom Geiglstoa" wieder Tageslicht sehen.

© Bergwacht Sachrang

Das außergewöhnliche Leben der "Marie vom Geiglstoa" motivierte Christiane Tramitz eine Biografie über die zurückgezogen lebende Sennerin zu schreiben. Drei Jahre hat die Autorin die Mare immer wieder besucht und ihr zugehört. Das fertige Buch konnte die Sennerin noch wenige Tage vor ihrem friedlichen Tod im Sommer 2017 auf ihrer Alm in Händen halten. Zwar hat Marie unsere Welt verlassen, aber die Geschichte dieser starken und eigenwilligen Frau ist geblieben. Festgehalten in der Biografie "Harte Tage, gute Jahre" von Christiane Tramitz.

<p>Sie lebte im Einklang mit der Natur und trotzte auch im hohen Alter noch den harten Bedingungen.</p>

Sie lebte im Einklang mit der Natur und trotzte auch im hohen Alter noch den harten Bedingungen.

© Heinrich Rehberg

Hier seht Ihr das Video über das Leben der "Marie vom Geiglstoa"

Nehmt Euch ein paar Minuten Zeit für dieses berührende Video, dem wir viele Fakten für diesen Text entnommen haben.

Text von Dominic Hauer

12 Kommentare

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Werner

Ich habe die Marie in ihren Vierzigern gekannt. Wir kamen auf unserer Skitour von Schleching über den Geigelsteingipfel und fuhren dann zu ihrer Hütte ab, wo wir bei Wein und Bier und Gitarrenmusik rasteten.
Säter stiegen wir zur Breitensteinscharte auf um wieder in Richtung Schleching abzufahren.
Es waren schöne Momente und eine wunderbare Zeit.
Das Buch hat alle diese Erinnerungenin mir wachgerufen. Es hat mir gut gefallen.
Leb wohl Mare

Monika

Wunderbares Buch, sehr schön geschrieben Danke

Dorothea

Ein wunderbares Buch voller Leben, das auch sehr zum Nachdenken anregt und mich irgendwann zur Oberkaseralm führen wird. Danke Mare und ChristianeTramitz!

Monika

Ein wunderbares Buch entführt in längst vergessene Zeiten....
wie sehr liebe ich die Berge und ihre Geschichten. Wenn man angefangen hat zu lesen, kann man nicht mehr aufhören. Danke Mare , danke Christiane Tramitz ??

Lisa 20.08.

Ein wunderschönes Buch, das mich sehr beeindruckt hat! Ich werde zum Wandern dort hin fahren und zur Oberkaseralm laufen und an Sie denken, was sie doch für ein schönes, aber entbehrungsreiches Leben geführt hat! Eine sehr mutige und starke Frau, ich hätte sie gerne kennengelernt!

luckysylvie

Hab das Buch verschlungen - super geschrieben!

Hatte oft Tränen vor Rührung, Mitgefühl und Glück in den Augen. Wer die Berge liebt und sich dort zu Hause fühlt (und da mein ich nicht sich bequem mit dem E-Bike, der Gondel oder sonst einem Hilfsmittel fortbewegen) dem geht das Herz beim Lesen auf. Tatsächlich aber nachvollziehen (sich auf dieses Minimum der Oberkasermare über Jahrzehnte zu reduzieren) ist in unserer schnelllebigen und getriebenen Zeit schlicht nicht möglich.

Ludwig

@ Albrecht: "Mare lebt irgendwie weiter" - 16. Januar 2019: Raiten wird evakuiert.

Scholliberlin

Ein tolles Buch. Der Leser ist auf der Alm dabei. Über Jahrzehnte hinweg.

Roland

Ich habe das Buch noch nicht gelesen, aber ich habe jetzt gerade vor 2 Wochen die Biografie von meinen Opa geschrieben im Dezember 1977 bekommen, die 1780 angefangen hat bis 1979 geht, und genau diese Marie mit ihrer 20 Jahre jüngeren Schwester Zenzl teilweise gemeinsam auf dieser Hütte hausten. Jetzt bin ich gespannnt.

Esther

Sehr schönes Buch über Mare und ihr Leben auf der Alm!! Für die meisten von uns unvorstellbar!

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