Anspruchsvolle Paradetour im Wettersteingebirge

Über den Jubiläumgsgrat von der Zugspitze zur Alpspitze

Kompakter kann sich ein Gebirge wirklich nicht präsentieren. Kaum ein Bergsteiger kann sich der Anziehungskraft des Jubiläumsgrats entziehen! Zwischen Alpspitze und Zugspitze befindet sich der Grat mit mehreren Kilometern im ausgesetzten Klettergelände (bis III-). Die Tour ist sommers wie winters beliebt und vielbegangen. Aber Achtung: Wer einen klassischen Klettersteig erwartet, ist hier fehl am Platz.

Gehört ins Tourenbuch aller "gscheiten" Alpinist:innen: Der Jubigrat von der Zug- zur Alpspitze, oder umgekehrt!
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Garmischer Traumtour für Alpinist:innen: Der Jubiläumgsgrat zur Zugspitze

Steil schießt die Westflanke der Zugspitze aus dem Ehrwalder Becken in den bayerisch-tiroler Himmel. Vom höchsten Punkt aus zieht sich der Wetterstein dann als mächtige Kalkmauer in Richtung Alpspitze. Die Grenze zwischen Atmosphäre und Fels bildet ein scharfer, sich endlos auf- und abschwingender Kamm.

Für viele ist es eine Frage der Ehre, nicht mit der Seilbahn, sondern aus eigener Muskelkraft zum knapp 3000 Meter hoch gelegenen Ausgangspunkt zu gelangen. Der beliebteste Zustieg über das Höllental hat allerdings einen Haken. Hat man die Zugspitze erreicht, liegt vor der luftigen Überschreitung eine stickige Nacht im chronisch überfüllten Münchner Haus.

Eine anschauliche wie detaillierte Beschreibung der Tour in Videoform findet ihr beim YouTube-Kanal AlpineFex. Wer nicht konditionell fit ist, sich in ausgesetztem Absturzgelände wohlfühlt und ausreichend Erfahrung besitzt, dem empfehlen wir die Übernachtung auf einer der Hütten!

Auf der Suche nach einer weniger frequentierten Alternative wird Thomas an der Westseite der Zugspitze fündig: "Wir übernachten auf der Wiener-Neustädter-Hütte. Ich kann mir kaum vorstellen, dass es viele Leute anmacht in aller Herrgottsfrüh erst 800 Meter hoch zu kraxeln, bevor es am Jubelgrat so richtig zur Sache geht!" Bergeinsamkeit muss man sich rund um die Zugspitze eben verdienen.

Zustieg Jubigrat: Vom Eibsee zur Wiener-Neustädter-Hütte

Der Großparkplatz am Eibsee holt uns an einem schönen Freitagnachmittag auf den Boden der Tatsachen zurück. So schnell wie möglich entfliehen wir der Blech- und Betonwüste am Fuße der Zugspitze und sind auf dem gesamten Anstieg zur Wiener-Neustädter-Hütte mutterseelenallein. 

Seltsam eigentlich, denn der Hüttenanstieg steht den anderen Bergwegen im Wetterstein in nichts nach. Je höher man kommt, desto beeindruckender sind die Tiefblicke auf den Ehrwalder Talkessel und den darüber thronenden Daniel. Kurze ausgesetzte, mit Drahtseilen versicherte Passagen stimmen auf das Programm des nächsten Tages ein.

<p>Karibische Lagune oder skandinavischer Waldsee? Nein, schlicht der Eibsee.</p>

Karibische Lagune oder skandinavischer Waldsee? Nein, schlicht der Eibsee.

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Kurz vor Sonnenuntergang ist die kleine Unterkunft erreicht, die genau am Rande des Österreichischen Schneekars liegt. Tatsächlich überdauert der Firn hier oben selbst heiße Sommer. Den aus der steilen Felswand herabstürzenden Lawinen sei es gedankt. Unsere Blicke richten sich jedoch nicht auf die heimelige Hütte, sondern auf die beeindruckende Westwand der Zugspitze.

Der so genannte Stopselzieher - der steilste Teil des morgigen Aufstiegs - scheint in der direkten Draufsicht nahezu senkrecht zu sein. "Und da müssen wir morgen früh wirklich hinauf?" Etwaige Bedenken werden von einem unwiderstehlichen Bratwurstduft abgelenkt, heute ist wirklich Barbecue-Abend auf der Wiener-Neustädter-Hütte. Bis Mitternacht labt man sich am schönsten Grillplatz der Nördlichen Kalkalpen.

Über den Stopselzieher und das Münchner Haus zum Jubigrat

Um fünf Uhr in der Frühe stellt sich heraus, dass wir vier als einzige die Zugspitzbesteigung und daran anschließend den Jubiläumsgrat in Angriff nehmen wollen. Noch in der Dämmerung steigen wir in den Stopselzieher ein, wo uns eiskalte Stahlseile und glattpolierter Kalk erwarten. 

Die Passage ist lange nicht so steil wie vermutet und auch der weitere Anstieg hinauf zur Zugspitze ist viel angenehmer als gedacht. Erste Sonnenstrahlen streicheln die höher aufragenden Felstürme und kurze Zeit später auch uns. In ihrer ganzen Pracht steigt die Sonne über die westliche Umrahmung des Zugspitzplattes.

<p>Das Münchner Haus auf der Zugspitze ist ziemlich überlaufen.</p>

Das Münchner Haus auf der Zugspitze ist ziemlich überlaufen.

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Um kurz vor acht Uhr erreichen wir die Terrasse des Münchner Hauses, wo bereits geschäftiges Treiben herrscht. Während sich verschlafene und fröstelnde Bergsteiger Klettergurte anziehen, haben wir die Betriebstemperatur längst erreicht. Nur Stefan ist schwer am Grübeln: "Ich habe jetzt schon weiche Oberschenkel. Und im Führer sind sechs bis neun Stunden für den Grat angegeben!" 

Hin- und hergerissen steht er am goldenen Gipfelkreuz. Es hilft alles nichts, die Entscheidung muss jetzt fallen! Im Zweifel steht Verzicht vor Übermut. Es ist eine alpinistische Leistung, nicht um jeden Preis am begehrten Ziel festzuhalten. Stefan entscheidet sich für den Abstieg, die Wanderung über Knorrhütte und Reintal.

Jubiläumsgrat: Im Sommer und Winter beliebt

Der Jubiläumsgrat, manche nennen ihn Jubelgrat, oder - wie er offiziell heißt: Jubiläumsweg. Ausgesetzte Gratstellen und abwechslungsreiche Kletterpassagen nehmen jetzt die Konzentration voll und ganz in Anspruch. Schaurig-schöne Tiefblicke auf den knapp 700 Meter unterhalb gelegenen Höllentalferner bestätigen die richtige Wahl der Aufstiegsroute.

<p>Wer entdeckt die rote Biwakschachtel am Jubiläumsgrat? </p>

Wer entdeckt die rote Biwakschachtel am Jubiläumsgrat?

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Der Klimawandel hat auch hier seine Spuren hinterlassen. Der Minigletscher weist eine erstaunlich zerrissene Oberfläche auf. Einer Ameisenstraße gleich sucht sich die Karawane der Spätaufsteher einen Weg durch das kalte Spaltenlabyrinth. Beim Anstieg zur Inneren Höllentalspitze wird klar, wie anspruchsvoll der Weg in der kalten Jahreszeit sein muss. Unzählige Kratzspuren von Steigeisen zeugen davon, dass mutige Winterbegeher auf den glatten Felsplatten mühsam nach sicherem Halt suchten.

Im Sommer hingegen stellen gerade diese leichteren Kletterpassagen eine Abwechslung in der nicht enden wollenden - und gerade deswegen so eindrucksvollen - Gratüberschreitung dar. Die Karabiner des Klettersteigsets bleiben unbenutzt und an der Höllengrathütte zieht Thomas seinen Hüftgurt wieder aus. "Die Vollkarspitze wird schon nicht so schwer sein!" In der davor liegenden Scharte wird er sogleich eines Besseren belehrt. Über dem Freund ragt eine glatte, fast senkrechte Wandstufe in den Himmel, die in unserem alten AV-Führer mit keinem Wort erwähnt wird.

Alles über die Zugspitze aka "Top of Germany" erfahrt ihr in unserer Bildergalerie:

Die Vollkarspitze: Ein geomorphologischer Säugling

Dieser Steilaufschwung ist ein geomorphologischer Säugling. Bei zwei gewaltigen Felsstürzen im Winter 2000/01 und gleich darauf im Herbst 2001 brach der komplette Nordgipfel der Vollkarspitze ins Mathaisenkar ab. 50 Meter Drahtseilsicherung vollständig zerstört. Lange war die Stelle für Normalbergsteiger unpassierbar. Dann installierte man ein Drahtseil und im Sommer 2002 wurden zur Entschärfung der Passage zusätzlich Eisenstifte in den Fels geschlagen.

Während Christian ungesichert die glatte Felspartie hinauf klettert, legt Thomas seinen Gurt wieder an. Eine vernünftige Entscheidung, denn die mittlerweile vier Stunden dauernde Gratüberschreitung macht sich in seinen Armen und Beinen langsam bemerkbar.

Abstieg vom der Alpspitze ins Höllental

Hinter der Vollkarspitze geht es ein Stück bergab und wieder einen Aufschwung hinauf. Hört das denn gar nicht mehr auf? Vor uns liegt der nächste Gipfel im Gratverlauf und Christian hat die nächsten Steigspuren schon ausgeguckt. Doch keine 50 Meter weiter zeigt ein Schild das Ende des Jubiläumsgrats an. Der von Christian entdeckte Wegverlauf führt bereits rüber zum Hochblassen. Aber nicht einmal ein Draufgänger wie er kommt auf die Idee, den Blassengrat auch noch dranzuhängen. Bekanntlich soll man ja aufhören, wenn es am schönsten ist!

Wir legen eine kurze Rast an der Grieskarscharte ein, dann geht es noch einmal richtig zur Sache. Der steile Abstieg ins Mathaisenkar gibt den geschlauchten Oberschenkeln den Rest. Am Karboden plumpst Thomas auf den ersten grünen Wiesenfleck und reißt die dampfenden Bergschuhe von den heißen Füßen. Wäre da nicht die Aussicht auf ein kühles Weißbier an der Höllentalangerhütte - er säße sicher heute noch da. Am darauffolgenden Tag beschließen wir die dreitägige Wettersteinrunde mit der Route von der Höllentalangerhütte über die Riffelscharte Richtung Eibsee.

Was darf im Rucksack auf keiner Bergtour fehlen? Hier erfahrt ihr es:

Alle Infos zur Bergtour über den Jubiläumsgrat an der Zugspitze

Sieben Kilometer. So lang ist die Strecke von der Zugspitze zur Alpspitze über den Jubiläumsgrat. Eine echte Herausforderung für viele Alpinisten. Manche gehen sie sogar im Winter. Wo der Grat doch auch schon im Sommer genug alpines Abenteuer bietet.

  • Schwierigkeit: Bergtour, schwer

  • Gesamtzeit: 7 - 9 Std. (mit Bahnunterstützung oder Zustieg am Vortag!)

  • Höhenmeter: 500 Hm

  • Hütten: Höllentalangerhütte, 1387 m, DAV, hoellentalangerhuette.de; Reintalangerhütte, 1369 m, DAV, reintalangerhuette.de; Knorrhütte, 2051 m, DAV, knorrhuette.de; Münchner Haus, 2964 m, DAV, muenchnerhaus.de; Wiener-Neustädter-Hütte, 2213 m, OeAV.

  • Anreise: Per Auto auf der A 95 zum Ende und weiter auf der B 2 nach Garmisch-Partenkirchen. Oder per Bahn vom Hbf München in knapp 1 ½ Std.

  • Bergbahnen: Bayerische Zugspitzbahn, zugspitze.de; Tiroler Zugspitzbahn, zugspitze.at; Alpspitzbahn, zugspitze.de

  • Karten: AV-Karte, 1: 25 000, Blatt Nr. 4/2, Wetterstein- und Mieminger Gebirge Mitte; Freytag & Berndt, 1: 50 000, WK 322, Wetterstein – Karwendel – Seefeld – Leutasch – Garmisch-Partenkirchen; Kompass-Verlag, 1: 50 000, Blatt 5, Wettersteingebirge, Zugspitzgebiet.

  • Literatur: S. Beulke: AVFührer Wetterstein, Bergverlag Rother, 1996; E. E. Hüsler: Klettersteigatlas Alpen, Bruckmann Verlag, 2007.

  • Infos/Bergführer: Garmisch-Partenkirchen Tourismus, gapa.de; Bergsteigerschule Zugspitze, bergsteigerschule-zugspitze.de; Berg- und Skischule Vivalpin, vivalpin.com; Alpinschule Berggenuss, alpinschule-berggenuss.de; Werdenfelser Bergführerbüro, bergfuehrer-werdenfels.de

Feste Bergschuhe dürfen am Jubiläumsgrat auf keinen Fall fehlen! Gut, dass wir einige Empfehlungen für euch parat haben:

Text von Michael Pröttel

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