Tourenziel Triglav

Der Größte weit und breit

Der Triglav beherrscht die wilde Welt der Julischen Alpen - und trägt den wohl seltsamsten Gipfelschmuck der Welt. Als höchster Gipfel Sloweniens ist er ein Nationalheiligtum, das selbst die Flagge Sloweniens ziert. Alle Aufstiege sind lang und gleichen eher Klettersteigen als Wanderwegen.

Der Größte weit und breit
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Diese Tour ist nicht mehr aktuell und "außer Betrieb". Unsere aktuelle Tourenbeschreibung zum Bambergweg auf den Triglav findet ihr hier!

<p>Endspurt nach 1600 Höhenmetern: Kurz unterm Gipfel des Triglav auf dem Bamberg-Weg.</p>

Endspurt nach 1600 Höhenmetern: Kurz unterm Gipfel des Triglav auf dem Bamberg-Weg.

Es ist später Nachmittag, als wir auf der Terrasse des Aljažev Dom sitzen. Das ist eine typisch slowenische Berghütte, die mit ihren drei Stockwerken behäbig in einer Waldlichtung steht, zuhinterst im Vratatal.

Zwischen zwei Schluck Alpenkräutertee blicken wir auf den Berg, den wir am nächsten Tag erreichen wollen: den 2864 Meter hohen Triglav. Den höchsten Gipfel Sloweniens. Ein Riese aus Kalkstein, der die Julischen Alpen überragt.

Und er ist ein Nationalheiligtum: Er ziert die slowenische 50-Cent-Münze, und als Jugoslawien vor gut zwanzig Jahren zerbrach, ließen die Slowenen auf dem Triglav ihre Flagge wehnen. Als wir aus dem Vratatal zum Triglav blicken, müssen wir den Kopf weit in den Nacken legen. Unwirklich weit oben scheint der Gipfel im Himmel zu stehen, fast zweitausend Meter über dem Talboden.

Fast unser ganzes Blickfeld füllt seine Nordwand aus. Eine mächtige Felsflucht, die die Slowenen nur "Stena" nennen: die Wand. Anspruchvolle Kletterrouten führen durch die "Stena".

Die meisten Berggänger aber steigen über einen der drei Normalwege auf den Gipfel: den Prag-Weg, den Tominšek- Weg oder den Bamberg-Weg. Wobei sich mancher über "Weg" wundern mag: Die Kalkgipfel sind so steil, dass hier "Wege" durch senkrechte Wände führen.

Als wir frühmorgens die Tür des Aljažev Dom hinter uns schließen, sind Helm, Klettergurt und Klettersteigset im Rucksack. Über dem Triglav verblassen die letzten Sterne und der Tag zieht fahl über die Gipfel des Vratatals, als wir losziehen. Wir tun gut daran, früh aufzubrechen: Der Bamberg-Weg führt in nur einem Tag auf den Berg.

Wir denken nicht daran, dass unser Tagesziel knapp 1900 Meter über uns liegt. Wir genießen die kühle Morgenluft, wandern durch Buchenwälder und steigen bald dem rauschenden Wasser der Bistrica entlang bergwärts, während das erste Licht der Morgensonne wie zäher Honig über die Felszacken weit oben fließt.

<p>Wildes Land: Die Gipfelwelt von Razor und Stenar, dahinter die Tauern.</p>

Wildes Land: Die Gipfelwelt von Razor und Stenar, dahinter die Tauern.

Doch als wir die schmale Scharte am nordwestlichen Fuß des Triglav – sie heißt "Luknja", das Loch – zuhinterst im Tal erreichen, haben wir keine Muße mehr für die Morgensonne. Stattdessen blicken wir staunend in die Wand über uns. Zu den ersten Eisenstäben, die aus dem Fels ragen, und zu den rotweißen Wanderwegmarkierungen, die sich weit oben in der Flanke verlieren.

Wir stehen am Beginn des eigentlichen Bamberg-Wegs. An der Schwelle, die ins Zauberreich des Triglav führt. Seit Jahrhunderten erweisen Menschen diesem Berg die Ehre. So versuchte bereits 1777 eine Gruppe von Männern unter der Leitung des französischen Naturwissenschaftlers Belsazar de la Motte Hacquet den Gipfel zu besteigen.

In einer Zeit, als wissenschaftliche Neugier den Alpinismus zum Leben erweckte und der Schweizer Naturforscher Horace Bénédict de Saussure am anderen Ende des Alpenbogens die Erstbesteigung des Montblanc vorantrieb.

Doch während die Erstbesteigung des Montblanc erst 1786 gelang, war die erste Besteigung des Triglav nur ein Jahr nach dem ersten Versuch vollbracht: Ende August 1778 brachen der Arzt Lovrenc Willomitzer und drei weitere Slowenen im Bohinjtal im Süden der Julischen Alpen auf, wanderten über die Alpweiden von Velo Polje zum Triglavgletscher und stiegen über diesen auf den Gipfel des Berges.

Kurz nachdem wir in der Luknja losgeklettert sind, fühlen wir uns auch ein wenig wie die Abenteurer von damals. Hier, auf der wilden Nordseite des Triglav, ist es bis heute still geblieben. Nur das Klimpern der Karabiner am Drahtseil ist zu hören, während wir Meter um Meter hochsteigen, hinein in eine senkrechte Welt aus hellgrauen Felsfluchten und Schrofen.

Mal kraxeln wir der alten Ferrata entlang nach oben, die Hände im griffigen Kalk oder an kalten Eisenstäben. Dann hängen wir die Karabiner wieder aus und steigen weglos über Felsbänder und Geröllkessel bergwärts.

<p>Die kleine "Rakete" gegen Blitzschlag, von einem Pfarrer erbaut.</p>

Die kleine "Rakete" gegen Blitzschlag, von einem Pfarrer erbaut.

Nur hier und da halten wir an, um vom Nordwestgrat aus in die "Stena" zu blicken. Wie ein senkrechter Ozean aus Fels breitet sie sich über uns, vor uns und unter uns aus, während das Aljažev Dom winzig wie ein Stecknadelkopf heraufleuchtet. Doch lange dauern unsere Pausen nicht.

Mit uns steigt auch die Sonne immer höher in den Himmel und erinnert uns daran, dass es längst Nachmittag ist. Minuten und Stunden rinnen dahin, während wir höher steigen, kraxeln, klettern, Karabiner einklinken und wieder aushängen. Bis die Arme irgendwann träge werden, die Beine schwer und der Geist müde.

Doch dann, nach sieben Stunden, ist die Via Ferrata auf einmal zu Ende. Und über ein paar Wegspuren wandern wir die letzten Meter hoch Richtung Gipfel, auf dem ganz unvermittelt der vielleicht seltsamste Gipfelschmuck der Welt auftaucht: der "Aljažev Stolp", auf Deutsch der "Turm des Aljaž".

Ein Notbiwak, das wie eine Rakete auf dem Triglav steht. Mit einem Metallwimpel auf dem Dach, der quietscht, sobald der Wind an ihm dreht. Seit 1895 trotzt der Aljažev Stolp hier oben Sturm und Unwetter. Wobei das eigenwillige Bauwerk - gerade mal zwei Menschen finden stehend in ihm Platz - in erster Linie an Jakob Aljaž erinnert: den bergsteigenden Priester, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts für fünf Forint den Gipfel des Triglav kaufte.

Er war es, der dem Gipfel den Turm schenkte, der heute als Logo das Alpine Museum Sloweniens schmückt und in jedem Souvenirgeschäft Sloweniens als Schlüsselanhänger oder Ölgemälde zu kaufen ist. Und nach dem auch unser Startpunkt benannt ist, die Hütte, die "Haus des Aljaž" heißt.

Jeder Slowene muss einmal im Leben auf dem Triglav stehen.

<p>Kurz unter dem Gipfel: Triglavski Dom na Kredarici.</p>

Kurz unter dem Gipfel: Triglavski Dom na Kredarici.

Wer auf dem Triglav steht, vergisst den Turm indes bald. Zu schön ist die Aussicht vom slowenischen Dach der Welt auf die Julischen Alpen, in deren tiefen Tälern sich Wälder wie dicht gewobene Teppiche ausbreiten, während die Kalkgipfel darüber in den Himmel ragen. Špik, Škrlatica, Razor, Jalovec, Prisojnik oder Mangart heißen sie - stolze Zacken, die den südöstlichsten Zipfel der Alpen bilden.

Lange Zeit blicken wir in die Gipfelwelt, die im Süden zu Hügeln verebbt und irgendwo die Adria ahnen lässt. Die slowenischen "Julijske Alpe" sind zum Teil auch italienische "Alpi Giulie". Heute teilt die Grenze zwei europäische Staaten, früher trafen Welten und Völker aufeinander: Kelten, Römer und Griechen, später Donaumonarchie und Italien, dann der kapitalistische Westen und der sozialistische Osten.

Wir könnten lange über die Weltgeschichte sinnieren und die müden Beine vergessen. Oder mit Slowenen plaudern, die von Osten her aufgestiegen sind - Kinder mit Eltern, Jugendliche mit Freunden, Großmütter mit Enkeln. Was nicht erstaunt, soll doch jeder Slowene einmal im Leben auf dem Triglav stehen.

Erst als die Sonne langsam dem Horizont entgegensinkt, schultern wir unsere Rucksäcke und steigen ab. Ganz ohne Eile, denn nur 350 Höhenmeter unter dem Gipfel steht das Triglavski Dom na Kredarici. Eine jener Hütten, die Jakob Aljaž gegründet hat. Wir sind ihm dankbar. Denn nach dem Bamberg-Weg schätzen wir den kurzen Abstieg.

Und freuen uns darauf, in der Hütte die Beine zu strecken, einen Teller slowenischen Quarkstrudels zu genießen und danach im kühlen Abendwind zu stehen. Zu betrachten, wie die Täler unter uns in Tusche versinken und der Triglav seinen mächtigen Schatten am östlichen Horizont in den Himmel wirft, während der Tag mit purpurnen Schleiern davonzieht.

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