Hochtour nicht nur für zweifelhaftes Wetter

4000er Express – über den Hohlaubgrat auf das Allalinhorn

Das Wallis macht es einem manchmal leicht. Das gilt besonders für das Allalinhorn, das dank Bahn fast zur Halbtagestour schrumpft. Der spannende Anstieg über den Hohlaubgrat ist jeden Höhenmeter wert. Eine super Tour – nicht nur bei zweifelhaftem Wetter!

4000er Express – Hochtour auf das Allalinhorn
© Birgit Gelder

Mit der Bahn zum Hohlaubgrat

Mit offenen Schnürsenkeln laufen wir durch Saas-Fee. Der Rucksack nur provisorisch geschlossen, die Jacke offen, die Mütze schief auf dem Kopf. Wir haben verschlafen, der Handy-Wecker hat nicht oder zumindest nicht laut genug geweckt. Und so musste unser alt gedienter Bus alles geben, um die paar Höhenmeter von Saas-Grund nach Saas-Fee möglichst schnell raufzuschnaufen.

Jetzt schnaufen wir. Ohne Frühstück und ohne „Warmlaufphase“, so eine Hektik morgens. Aber wir müssen unbedingt die erste Bahn Richtung Allalinhorn bekommen. Denn nur in der ersten Bahn ist es möglich, am "Zwischenhalt", dem Ausstieg zum Hohlaubgletscher, auszusteigen. Man gibt es an der Bahn dem entsprechenden Schweizer Bahnvorsteher vorher bekannt und wird dann an einem Tunnel rausgelassen.

<p>Gut durchlöchert: Viele Tunnel unterhöhlen Saas-Fee und einer führt zur Bahn Metro Alpin Richtung Mittelallalin.</p>

Gut durchlöchert: Viele Tunnel unterhöhlen Saas-Fee und einer führt zur Bahn Metro Alpin Richtung Mittelallalin.

© Birgit Gelder

Dieser Tunnel spuckt einen 50 Meter weiter oberhalb des Hohlaubgletschers wieder aus. Zugegeben, eine etwas abgefahrene Art des Zustiegs, aber für Tage wie diese ideal. Ab dem frühen Nachmittag sind nämlich Gewitter angekündigt und so haben wir diese Tour gewählt, bei der man relativ schnell wieder im Tal ist. Unsere Eile hat sich gelohnt, wir erreichen die erste Bahn und müssen sogar noch warten.

Jetzt hätte ich dann doch gerne einen Kaffee. Etliche andere Alpinisten stehen mit uns herum. Die Rucksäcke der Kollegen variieren zwischen groß, sehr groß und gewaltig. Dagegen sind wir ja richtig leicht unterwegs, wir müssen ja auch nicht viel mitnehmen: Steigeisen, ein 30-Meter-Gletscherseil, einen Eispickel, etwas zu essen, eine Thermoskanne und ein paar Riegel. Und natürlich unser Frühstück, für das im Tal keine Zeit mehr war.

<p>Seil aufnehmen nach getaner Arbeit: Hochgefühle kurz vor dem Gipfel mit Tiefblick auf den Hohlaubgrat.</p>

Seil aufnehmen nach getaner Arbeit: Hochgefühle kurz vor dem Gipfel mit Tiefblick auf den Hohlaubgrat.

© Birgit Gelder

Am "Zwischenstopp" steigt mit uns nur eine Handvoll anderer Bergsteiger aus, alle anderen fahren bis ganz oben. Sie werden wohl den Normalweg zum Allalin gehen oder auf den Alphubel marschieren. Wir möchten den Hohlaubgrat machen, eine etwas anspruchsvollere Variante als der Normalweg. Es gibt dafür zwei Möglichkeiten: von der Britanniahütte oder eben unsere etwas kürzere Variante vom Tunnel der Metro-Alpin-Bahn aus.

Vom Mittelallalin zum Hohlaubgrat

Durch den Tunnel erreichen wir die Moräne und steigen hinab zum Gletscher. Hier frühstücken wir erst mal in Ruhe. Noch zeigt sich der Himmel wolkenfrei, nichts deutet auf ein drohendes Gewitter hin. Eine andere Seilschaft macht sich fertig und marschiert los. Zuerst geht es flach über den hier aperen Gletscher, dann steilt es immer mehr auf, um schlussendlich den Sattel am Fuße des eigentlichen Hohlaubgrates zu erreichen.

Hier treffen "Tunnel-Route" und Britannia-Variante aufeinander. Ein wunderschöner Grat zieht aus dem Sattel bis zu einer Felsbarriere, die etwa 30 Meter hoch ist. Kletterei im III. Grad ist hier gefragt. Vom Ende der Felsen sind es angeblich nur noch wenige Schritte bis zum Gipfel. Das kann man von hier unten aber nicht einsehen. Wir tragen Steigeisen, denn noch ist der Gletscher hart gefroren. Gemächlich streben wir dem Sattel entgegen.

<p>Einfach wunderschön: der Hohlaubgrat auf das Allalinhorn.</p>

Einfach wunderschön: der Hohlaubgrat auf das Allalinhorn.

© Birgit Gelder

Plötzlich ein Schrei. In der Seilschaft, die ein ganzes Stück vor uns geht, ist der Seilschaftserste bis zur Hüfte in eine Spalte gefallen. Da der Gletscher hier recht flach ist, sind die Spalten nicht gigantisch groß. Reinfallen möchte ich deswegen trotzdem nicht. Bevor wir bei der anderen Seilschaft sind, haben sie sich berappelt und gehen weiter. Wir wählen eine andere Spur.

Eine halbe Stunde später treten wir aus dem beschatteten Sattel ins Sonnenlicht. Momente, die einem klar machen, warum man in die Berge geht. Auch wenn es heute nicht besonders kalt ist, so sind die ersten wärmenden Sonnenstrahlen des Tages immer wieder ein besonderer Moment.

In dieser Bildergalerie findet ihr alle Schlüsselstellen des Hohlaubgrats: 

Über den Hohlaubgrat aufs Allalinhorn

Ich hatte erwartet, hier auf die "Massen" von der Britanniahütte zu stoßen, aber die bleiben aus. Außer unseren "Spaltenstürzern" sehen wir weit unten eine Zweier-Seilschaft. Etwas oberhalb sind auch noch zwei Leute unterwegs. Nicht viel für so einen Tag und so eine Tour – in den Sommerferien. Aber vielleicht hat das angesagte Wetter doch einige abgeschreckt.

Entlang des Grates steigen wir nun dem Felsriegel entgegen. Vielleicht nicht ganz so schön wie der Biancograt, aber fast so schön. Die Zweierseilschaft vor uns kommt nicht besonders schnell voran und so haben wir sie bald eingeholt. Kein Wunder. Mit solchen Rucksäcken würden wir auch langsamer gehen. Ich weiß nicht, was sie alles dabei haben oder wo sie hinwollen. Nach ein paar kurzen Sätzen gehen wir weiter und erreichen bald den Fuß des Felsriegels.

<p>Nicht nur Schnee am Allalin: Standplatz am Ende der Felsstufe vor dem Gipfel.</p>

Nicht nur Schnee am Allalin: Standplatz am Ende der Felsstufe vor dem Gipfel.

© Birgit Gelder

Brüchiger, von Erde und Matsch zusammengehaltener Fels, der überraschend steil ist. Eine Bandschlinge kurz oberhalb des Einstieges zeigt an, dass hier schon mal der eine oder andere anziehen musste. Naja, nach Genusskletterei sieht das nicht gerade aus. Ruhig und konzentriert klettern wir die wenigen Meter im Fels.

Nach den abweisenden ersten Metern wird es schnell leichter. Schon bald haben wir wieder Schnee unter den Füßen. Und es stimmt tatsächlich: Es sind nur noch wenige Schritte von hier zum Gipfel. Dort sind wir allerdings nicht alleine. Das Allalinhorn ist einer der einfachsten und kürzesten Viertausender der Alpen, wenn man von der Bergstation des Gletscher Express geht. Ein Lockruf, dem viele Leute folgen.

Wir halten uns nicht lange am Gipfel auf. Ein paar Fotos, ein paar Schlucke aus der Thermoskanne, dann steigen wir über den Normalweg ab – und nutzen für den Abstieg natürlich wieder die bequeme (und knieschonende) Bahn. Das Gewitter erleben wir an diesem Tag auch noch. Sicher und gemütlich auf der überdachten Terrasse eines Cafés in Saas-Fee – mit zufriedenem Blick auf das Allalinhorn.

Aufs Allalinhorn: Informationen zu Bergführer, Hütte & Route

Das Allalinhorn ist einer der bekanntesten 4000er der Alpen. Dank der Metro Alpin auf das Mittelallalin (3454 m) ist das gleichnamige Horn mit 4027 Metern schnell erreichbar. Der Hohlaubgrat ist eine interessante, etwas schwerere, dafür nicht ganz so überlaufene Alternative zum Normalweg.

  • Anreise: Saas-Fee erreicht man aus dem Rhonetal, von dem man in das Mattertal abbiegt. In Stalden links ins Saaser Tal. Hier weiter bis Saas-Grund bzw. Saas-Fee. Saas- Fee ist für den Autoverkehr komplett gesperrt. Das Auto am Ortseingang abstellen (gebührenpflichtig).

  • Info: Saas-Fee/Saastal Tourismus, saas-fee.ch

  • Hütte: Britanniahütte, 3.030 m, SAC-Sektion Genf, britannia.ch

  • Bergführer: Saas-Fee Guides, saasfeeguides.com

  • Bergbahn: Saas-Fee Bergbahnen AG, in den Sommermonaten fährt um 6.40 Uhr die Bergsteigerbahn, bei der man nach Vorankündigung am Hohlaubgletscher aussteigen kann, saas-fee.ch/bergbahnen

  • Literatur: Wolfgang Pusch, Edwin Schmitt, Thomas Senf, Michael Waeber: Hochtouren Westalpen - 88 Fels- und Eistouren zwischen Tödi und Grand Combin, Bergverlag Rother, 2013; Marianne Bauer, Michael Waeber: Gebietsführer Walliser Alpen, Bergverlag Rother, 2012.

  • Karte: Landeskarte der Schweiz, 1: 50 000, Blatt 284, Mischabel; Landeskarte der Schweiz 1: 25 000 Blätter 1328, Randa, und 1329, Saas-Fee.

  • Beste Zeit: Mai/Juni bis September

  • ALPIN-Tipps: 1. In Saas-Grund gibt es hinter dem Campingplatz einen herrlichen Klettergarten in der Schlucht, die nach Saas-Fee hochführt. Auch am Fuße des gigantischen Parkhauses findet sich talseitig ein kleiner, netter Klettergarten. 2. Wer einmal in Saas-Fee ist, muss sich den Ort ansehen und das besondere Flair auf sich wirken lassen. Es gibt zahllose Cafés und Kneipen, von denen aus man den Bergsteigern zuschauen kann, die sich nach "getaner Arbeit" durch Saas- Fee schleppen.

<p>Endlich geschafft: Am Gipfel des Allalinhorns wartet nur noch der Abstieg.</p>

Endlich geschafft: Am Gipfel des Allalinhorns wartet nur noch der Abstieg.

© IMAGO / agefotostock

Toureninfos: Über den Hohlaubgrat aufs Allalinhorn

Klassische Hochtour mit langen Firngratpassagen und kurzem Felsteil.

  • Schwierigkeit: Hochtour, mittel

  • Gesamtzeit: 4 Std.

  • Höhenmeter: 900 Hm

  • Route: Vom Tunnel der Station steigt man auf den Gletscher ab. Von hier zuerst flach, später mäßig steil zum Sattel am unteren Ende des Hohlaubgrates.Von dort weiter über den Grat oder leicht in der Flanke (je nach Verhältnissen) zum Felsriegel. Diesen leicht rechtshaltend ersteigen und wenige Meter weiter zum höchsten Punkt.

  • AusrüstungHochtourenausrüstung

<p>Umgebungskarte des Allalinhorn.</p>

Umgebungskarte des Allalinhorn.

© alpin.de

Text von Olaf Perwitzschky

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