Alpines Ambiente, spärliche Zwischensicherungen und fordernder Abstieg

Santnerspitze: Klettertour auf ein Südtiroler Wahrzeichen

Geklebte Stände, kommoder Zustieg, fester Fels: Klingt nach einer Plaisir-Tour – wären da nicht alpines Ambiente, spärliche Zwischensicherungen und ein fordernder Abstieg!

Santnerspitze: Klettertour auf ein Südtiroler Wahrzeichen
© Joachim Stark
Inhaltsverzeichnis

Florian Riegler hat ständig das Nashorn vor Augen. So sieht der Schlern mit der vorgelagerten Santnerspitze jedenfalls aus, wenn man von seinem Haus bei Bozen hinüberblickt. Der Schlern, das Wahrzeichen Südtirols, ist ein dicker Klotz, über 2500 Meter hoch und ei schönes Ziel – auch für Wanderer. 

<p>"Schritt für Schritt auf die Santnerspitze" ist aus ALPIN 06/2019. Das Heft mit den Tourenkarten findet Ihr <a href="https://leserservice.alpin.de/einzelhefte/2019/" rel="nofollow" target="_blank">in unserem Heftshop zum Nachbestellen</a>. </p>

"Schritt für Schritt auf die Santnerspitze" ist aus ALPIN 06/2019. Das Heft mit den Tourenkarten findet Ihr in unserem Heftshop zum Nachbestellen

© www.alpin.de

Das vorgelagerte Horn dagegen bleibt Alpinisten vorbehalten. Kletterer aus Regionen nördlich des Brenners kennen meist nicht mal seinen Namen. Die Santnerspitze. Einheimischen Kletterern gilt die „Wolf von Glanvell“, der heutige Normalweg, als Ultraklassiker.

Fotogalerie: Schritt für Schritt auf die Santnerspitze - so geht's!

So auch Florian: Ohne zögern sagte er zu, mich zu begleiten. Einer der besten Fels- und Eiskletterer Südtirols nimmt sich einen Tag lang Zeit, um einen alpinen IVer zu klettern ... eine entspannte Haltung. Der Berg scheint ihm wirklich etwas zu bedeuten und sein Motto „always climbing“ nicht auf superschwere Kletterrouten beschränkt zu sein.

Vom Parkplatz erreicht man vorbei an der idyllischen Schlernbödelehütte in gut eineinhalb Stunden den Einstieg der Route. Sie durchzieht die Nordostwand diagonal nach rechts und führt dann über die schwach ausgeprägte Nordkante in den Kletterhimmel. Die Wegfindung ist mit ein wenig Erfahrung gut machbar, aber nicht völlig offensichtlich. Schauen, steigen, zwischendurch was legen, weitergehen, Stand, weitergehen ...

<p>Die ersten Seillängen führen durch leichtes, schönes Krabbelgelände schnell höher. Ihre Länge variiert sehr. Manchmal geht man das Seil komplett aus oder kann es kurz aufnehmen.</p>

Die ersten Seillängen führen durch leichtes, schönes Krabbelgelände schnell höher. Ihre Länge variiert sehr. Manchmal geht man das Seil komplett aus oder kann es kurz aufnehmen.

© Joachim Stark

Unterwegs passiert man immer wieder die rußigen Hinterlassenschaften der alljährlichen Herz-Jesu-Feuer. Seit über 200 Jahren leuchten am dritten Sonntag nach Pfingsten die Fackeln auf Südtirols Bergen. So kann Florian am 30. Juni seinen „Hausberg“ vielleicht sogar in der Nacht von zu Hause aus beobachten.

Etwas schrofig, schotterig, aber nicht brüchig geht es bis zum riesigen Latschenfeld. Halbzeit. Hier steigen die meisten Begeher auf Kletterschuhe um. Auch Florian: „Das sieht einfach klettermäßiger aus.“ So nimmt er den immer besser werdenden Fels unter die Reibungssohlen seiner Kletterpatschen. Bald darauf erreicht man die Schlüsselstelle. Ein altes Telefon hängt ein paar Meter links davon in der Wand – ein Markenzeichen der Route.

Nun ist es nicht mehr weit zum Gipfel, aber bis zum Kaiserschmarrn: Denn der Abstieg erfordert Zeit, Geduld, Umsicht und die Einsicht, dass die „Glanvell“ oben nicht vorbei ist. Der Berg wird überschritten, hinauf ins Unbekannte, hinunter ins Unbekannte. Ist das geschafft, kann man sich eine Tour mit Charakter ins Routenbüchlein eintragen – eine wenig bekannte, mit der man zwar nicht in großer Runde angeben, aber zufrieden schweigend lächeln kann!

<p>Nach 15 bis 20 Seillängen steht man auf dem Gipfel. Im Mittelgrund die benachbarte Euringerspitze, dahinter das Flachdach des Schlern mit seiner gewaltigen Burgstallwand links.</p>

Nach 15 bis 20 Seillängen steht man auf dem Gipfel. Im Mittelgrund die benachbarte Euringerspitze, dahinter das Flachdach des Schlern mit seiner gewaltigen Burgstallwand links.

© Joachim Stark

ALPIN Info&Touren

Der Schlern dürfte wohl eines der bekanntesten Bergmassive Südtirols sein und gilt auch als Wahrzeichen der Südtiroler. Die Santnerspitze hingegen ist namentlich meist nur wenigen bekannt. Ihre Form ist jedoch vielen präsent – als markanter Sporn an der Schlernkante.

  • Unbekannter Klassiker: Die Besteigung der Santnerspitze ist lang, relativ leicht, aber tagesfüllend und fordert alpine Erfahrung.

  • Klettertour, mittel, II – IV–

  • Dauer: 8 – 11 Std.

  • Höhenmeter: 1220 Hm im Auf- und Abstieg

  • Beste Zeit: Juni bis September

  • Ausgangspunkt: Parkplatz am Hotel Ratzes, 1200 m.

  • Talort: Seis am Schlern, 1004 m.

  • Anreise: Über die Brennerautobahn bis Ausfahrt Klausen, weiter Richtung Kastelruth bis Seis, hier links nach Bad Ratzes/Bagni di Razzes.

  • Info: Tourist Information Seis am Schlern, Schlernstraße 16, I–39040 Seis am Schlern, Tel. +39 0471 707024, seis-am-schlern.com

  • Gehzeiten: Parkplatz Ratzes – Schlernbödelehütte 1 Std., Hütte – Einstieg ½ Std., Einstieg – Latschenschulter 2 Std., Schulter – Telefon 1½ Std., Telefon – Gipfel 1 Std., abseilen und absteigen zum Löwenmaul 1¼ Std., bis Wanderweg 1¼ Std., zurück zur Hütte 20 Min.

  • Hütte: Schlernbödelehütte, 1693 m, AVS, Tel. +39 0471 1885169, schlernboedelehuette.com

  • Literatur: Ivo Rabanser: Best of: Die besten Klettereien in den Dolomiten, Panico Alpinverlag, 2018.

  • Karte: Tabacco, 1:25.000, Blatt 05, Val Gardena/Gröden, Alpe di Susi/ Seiseralm.

  • Absicherung: Stände meist geklebt, sonst NH und SU. Evtl. kleines Cam-Set und Keile zur zusätzlichen Absicherung.

  • Ausrüstung: Kletterausrüstung, 60-m-Halbseile.

Route: Hinter der Schlernbödelehütte zweigt ein Pfad rechts ab. Durch Wiese und Wald bis zum Einstieg (Ringhaken, gelb markiert). Nun 4 SL rechts haltend aufwärts, die 5. SL quert Schuttgraben nach rechts zu Klebehaken, weiter rechts queren (Stand an NH), über Bänder rechts aufwärts, kurzes Gehgelände (mehrere SL, Stände an NH), rechts haltend zu Latschenfeld. Ab hier Gratkante aufwärts.

Nach Stand an SU kurzer Quergang nach links und zum „Telefonwandl“. In 3 SL zum Gipfel. Abstieg: 15 bis 18 Mal abseilen (meist 20 bis 30 m) und absteigen. Nach dem Gipfel ca. 4 m links (ostseitig) abklettern zu Abseilring. In Abstiegssinne ca. 9 Mal Richtung Scharte zwischen Santnerund Euringerspitze abseilen. In der Schuttrinne absteigen und nochmals kurz abseilen und absteigen zum Abseilring auf der rechten Wandseite über dem „Löwenmaul“. Danach in der rechten Rinne absteigen und wieder kurz aufsteigen. Seilstück mit Abseilring an Latsche. Weitere 3 bis 4 Mal abseilen in Geröllrinne. Absteigen zum Weg.

<p>Das alte Telefon, Markenzeichen der Tour wenige Meter links neben der Schlüsselstelle, ist doch etwas marode!</p>

Das alte Telefon, Markenzeichen der Tour wenige Meter links neben der Schlüsselstelle, ist doch etwas marode!

© Joachim Stark
  • Beliebtes Ziel und besonderer Weg: Der Monte Pez ist ein vielbesuchter Gipfel, nicht so häufig jedoch über den felsigen und steilen Gamssteig.

  • Bergtour, mittel, II

  • Dauer: 7 – 8 Std.

  • Höhenmeter: 1370 Hm im Auf- und Abstieg

  • Beste Zeit: Juni bis September

  • Ausgangspunkt: Parkplatz am Hotel Ratzes, 1200 m.

  • Talort: Seis am Schlern, 1004 m.

  • Anreise: Über die Brennerautobahn bis Ausfahrt Klausen, weiter Richtung Kastelruth bis Seis, hier links nach Bad Ratzes/Bagni di Razzes.

  • Info: Tourist Information Seis am Schlern, Schlernstraße 16, I–39040 Seis am Schlern, Tel. +39 0471 707024, seis-am-schlern.com

  • Gehzeiten: Parkplatz Ratzes – Schlernbödelehütte 1 ½ Std., Schlernbödelehütte – Gamssteig ½ Std., Gamssteig – Schlernhaus 2 Std., Schlernhaus – Gipfel ¼ Std., Gipfel – Schlernbödelehütte über Touristensteig 2 ½ Std., Abstieg ins Tal 1 Std.

  • Hütte: Schlernbödelehütte, 1693 m, AVS, Tel. +39 0471 1885169, schlernboedelehuette.com

  • Literatur: Franz Hauleitner: Rother Wanderführer Dolomiten 1: Grödnertal – Villnößtal – Seiser Alm, Bergverlag Rother, 2017.

  • Karte: Tabacco, 1:25.000, Blatt 05, Val Gardena/Gröden, Alpe di Susi/ Seiseralm.

  • Ausrüstung: Wanderausrüstung, Klettersteigset, Helm.

Route: Vom Parkplatz dem Frötschbach entlang des Wegs Nr. 1 folgen, bis zur Abzweigung Tomlegg. Dort rechts auf schmalem Steig durch den Wald zur Schlernbödelehütte (markiert). Unmittelbar dahinter zweigt der Gamssteig (rote Punkte) rechts ab. Noch in den Latschen erreicht man erstmals die Felsen. Unter ihnen nun gen Südwesten hinauf in eine steile Felsrinne. Ab dort kurz drahtseilversichert. Am Seil hinauf und nach dessen Ende noch über ein paar luftige Felspassagen. Danach links wieder in eine Rinne – diesmal mit grobem Blockwerk. Hinauf und am Ende links heraus. 

Es folgt ein steiler langer Geröllhang mit Trittspur. Um eine Hangkante herum und weiter bis zur Graskante, hinter der Wiesengelände wartet. Bald mündet man auf den Touristensteig und folgt ihm zur Schlernhütte. Von dort kurz zum Gipfel. Zurück anfangs wie im Aufstieg. Dann aber lange auf dem Touristensteig bleiben, bis man in einer Weide eine Wegverzweigung erreicht. Dort links den Touristensteig verlassen und gen Waldrand auf schmalem Pfad. Weiter bis zu einer Gedenkkapelle und zur Schlernbödelehütte. Zurück ins Tal auf bekanntem Weg.

ALPIN-Tipp

Die Wirtsleute der Schlernbödelehütte Verena und Erich sorgen für gute Laune, herausragende Verpflegung und Schnaps (bei Bedarf). Bei Südtiroler Tris, lokalem Bier und spitzenmäßigem Schüttelbrot bleibt man gerne auch mal länger!

Text von Joachim Stark

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