Streitschrift zum Volksbegehren "Rettet die Bienen!" von Margarete Moulin

"In puncto Umweltschutz fallen die meisten Bergsteiger aus!"

Pluspunkte gibt es für den Kletterurlaub im Oman - Minuspunkte für das Krötentragen in der Heimat: Journalistin Margarete Moulin kritisiert tatenlose Bergfreunde.

Blumenwiese 
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Update vom 12.02., 15 Uhr

Unter unseren Usern herrscht große Einigkeit: 84,44 % sagen, dass sie sich für das "Volksbegehren Artenschutz" eintragen. Bislang wurden 900.000 Eintragungen gezählt, knapp eine Million Unterschriften werden benötigt. Das Ziel ist in greifbarer Nähe, aber weitere Unterstützung wird benötigt.

Die Eintragungsfrist läuft noch bis einschließlich Mittwoch, 13. Februar. Die Eintragungsorte findet Ihr unter rathausfinder.volksbegehren-artenvielfalt.de.

Zum Thema Volksbegehren in Bayern "Artenvielfalt und Naturschönheit in Bayern. Rettet die Bienen!" hat uns ein Schreiben der Journalistin Margarete Moulin erreicht. Sie arbeitete unter anderem für BERGE, l'ALPE, FAZ und DIE ZEIT. Aktuell ist sie für das Volksbegehren tätig. Wir haben uns entschieden, die pointierte Streitschrift in voller Länge zu veröffentlichen:

<p>Setzt sich ehrenamtlich für Arten- und Klimaschutz ein: Margarete Moulin.</p>

Setzt sich ehrenamtlich für Arten- und Klimaschutz ein: Margarete Moulin.

© beschreiber.de

Ein Streitschrift zum Volksbegehren Artenschutz von Margarete Moulin

Warum die ach so naturverbundenen Bergsportler ihren Hintern zum Volksbegehren schwingen sollten. 

In Bayern hat die Eintragungsfrist für das Volksbegehren Artenvielfalt begonnen. Ein neues Naturschutzgesetz muss her, dringend! Denn im Freistaat gibt es - wie in ganz Deutschland - einen dramatischen Rückgang der Arten zu verzeichnen, sei es bei Feldvögeln, Amphibien oder gar dem Feldhamster. Noch schlimmer aber sieht es bei den Fluginsekten aus: Ein Verlust von Dreiviertel der Biomasse im Laufe der vergangenen 30 Jahre. 

<p>Vom Artensterben bedroht: Eine Wildbiene bei der Arbeit.</p>

Vom Artensterben bedroht: Eine Wildbiene bei der Arbeit.

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Klartext: Da wird gerade unser ökologisches Betriebssystem gelöscht. Denn die Aktivität von Insekten ist die Basis jeden Ökosystems. Norbert Schäffer, Vorsitzender des LBV formuliert es so: "Wenn wir dieses Fundament verlieren, bricht die ganze Konstruktion darüber auch zusammen. Der Mensch hängt mit seinem ganzen Schicksal voll mit drin."

Da fragt man sich: Was machen Umweltpolitiker eigentlich beruflich so? Und: Wie konnte es soweit kommen? Tja, da ist die Antwort nicht weit: Versagt hat nicht nur die Politik. Versagt hat auch die Mitte der Gesellschaft, die diese Entwicklung seit Jahren erschreckend tatenlos und unpolitisch begleitet. Und unter all diesen Tatenlosen ist auch eine Gruppe, die die Natur zwar gerne nutzt, aber wenig für ihren Schutz tut: Ihr Bergsportler.

Als BERGE-Redakteurin (2004 bis 2007) und langjähriges Mitglied sowohl im DAV als auch beim Bund Naturschutz habe ich lange genug Einblick in die "community" der Bergsportler als auch in die BN-Gruppen gehabt, um zu sagen: In puncto Umweltschutz fallt Ihr, die meisten Kletterer, Biker und Bergsteiger als aktive Staatsbürger, leider aus. 

Neues Jackenlabel statt heimische Arten

Die Naturschutzverordnung entdeckt Ihr in der Regel erst, wenn "Euer" Bouldergebiet bedroht ist oder "Euer" Skitourenberg. Ansonsten ist die Natur der Echo-Raum fürs Ego. Wenn mal ein Schachbrettfalter herumflattert oder ein Knabenkraut blüht - wenn diese Arten überhaupt erkannt werden – ist das allenfalls nett, klick und wisch, für die Bildersammlung Smartphone.

Der Wahrheit eine Gasse: Der gemeine Bergsportler kann mehr Skibindungsmarken oder Jackenlabels herunterbeten als heimische Vogel- oder Insektenarten aufzählen. Die Präsenz von Natur empfindet er als selbstverständlich - und verschläft darüber ihre Verteidigung. Mehr noch, er delegiert sie. 

Bergsportler entziehen sich der Verantwortung

Denn so läuft‘s doch: Solange Ihr damit befasst seid, Routen in der Fränkischen zu ziehen, durch den Powder zu riden oder im Karwendel Höhenmeter zu machen, können ja die Langweiler von der Naturschutzfraktion den Umweltjob machen. Am besten gleich die Typen vom Bund Naturschutz oder LBV. Die, die halt nicht ganz so cool und durchtrainiert sind wie ihr. Die ein Fernglas vor der karierten Hemdbrust baumeln haben, Vogelbestände kartieren und Insekten fotografieren. Die Öko-Nerds halt.

So außergewöhnlich die alpine "community" sich stets selbst findet, so folgt sie doch den Gesetzen jeder Subkultur. Das heißt, innerhalb der eigenen In-Group müssen die Mitglieder mit Narrativen punkten.

Pluspunkt für den Oman - Minuspunkt für die Kröten

Beispiel: Pluspunkte gibt es für einen Kletterurlaub im Oman, oder dafür, ein neues Bouldergebiet in einem unberührten Gebiet ausgecheckt zu haben oder dafür Anfang November im – schneekanonenbeschneiten - Kaunertal gewesen zu sein. Keine Punkte oder Minuspunkte indes erhält man für Erzählungen, man sei mit der BOB in die Berge gefahren, habe beim Krötentragen geholfen oder gar den Weltklimabericht gelesen.

<p>Wenig Wertschätzung gibt es für's Krötentragen.</p>

Wenig Wertschätzung gibt es für's Krötentragen.

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Diese mal subtile, mal offene Verachtung von Bergsportlern gegenüber jenen, die von der Verletzlichkeit der Natur berührt sind, ist mir oft aufgefallen. Einmal, 2004, bin ich mit dem Zug nach Chamonix gefahren, bepackt mit Steigeisen, Pickel, Berg- und Kletterschuhen sowie Kleidung für eine Woche Bergtouren mit den Absolventen der ENSA, der französischen Ausbildungsschmiede der Bergführer. Eine wunderbare Zugreise. Aber was wurde ich zuhause ausgelacht für meine "Ökomobilität".

Ökologisches Bewusstsein ist süß, gell?

Das ist seither nicht besser geworden. Ich weiß nicht, wie oft mir Bekannte oder Freunde das Wort abgeschnitten oder mit den Augen gerollt haben, wenn ich den Verkehr in den Alpen, die nötige Kompensation von Flugreisen oder die Materialschlacht im Bergsport angesprochen habe. Gerade, dass man mir nicht übers Haar kopfstreichelte, so als sei ich acht Jahre alt, und mein Öko-Gewissen für süß befand. 

Unlängst sagte mir Michael Schrödl, Professor an der Zoologischen Sammlung München: "Wenn Artenschwund und Klimawandel so weitergehen, kriegen wir ab 2030 ernste Ernährungsprobleme, und die werden nicht friedlich verlaufen. Sie werden von hohen Kosten und massiven Verteilungskämpfen begleitet sein." Süß, gell?

Der Zustand unserer Natur ist auch das Symptom eines Rückzugs in eine weinerliche Biedermeierlichkeit, in der Menschen sich als Konsumenten verstehen. Es ist der Rückzug in ein saturiertes Milieu, in dem man es – elendige Feigheit! – nicht wagt, Freunde und Bekannte für ihr klimaschädliches Verhalten zur Rede zu stellen, weil man Schiss hat vor der fälligen Debatte. 

<p>Viel Zuspruch gibt es für's Bereisen ferner Länder.</p>

Viel Zuspruch gibt es für's Bereisen ferner Länder.

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Kein einziges Mal habe ich es erlebt, dass innerhalb der Mountainbike-Wanderer-Kletter-Community je Kritik geübt würde, wenn einer oder eine erzählt, er/sie sei irgendwo hin zum Klettern oder Trekken geflogen. Meistens lautet die Reaktion: "Toll!" oder "Ja, die Mongolei steht auch auf meiner Liste!" Fürs Zerstören von Zukunft gibt es unter Bergsportlern meist Applaus.

Schwingt Euren Hintern zur Eintragung

Der Artenverlust hat mit vielem zu tun: Mit dem Zerschneiden der Landschaft durch Straßen, Gewerbegebiete und Skiarenen. Mit dem massiven Ausbringen von Mineraldünger, Gülle und Glyphosat – auch auf Almwiesen. Er hat zu tun mit der Klimaerhitzung, denn diese zwingt viele alpine Arten dazu, in immer höhere Gefilde zu wandern. Bis irgendwann Schluss ist.

<p>Ein Verursacher des Artensterbens: Pestizide.</p>

Ein Verursacher des Artensterbens: Pestizide.

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Engagiert Euch beim Aktionsbündnis in Eurem Landkreis. Und geht zwischen dem 31.1. und 13.2. ins Rathaus und unterschreibt beim Volksbegehren. Ja, man muss da persönlich hin. Nein, das ist keine Klick-Petition.

Wer glaubt, ich, die Autorin, nähme mir hier zu viel heraus, der hat nicht kapiert, wie es um ihn und seine Kinder bestellt ist. Ein Buchtipp: Unsere Natur stirbt von Michael Schrödl. Weiterer Vorschlag: Wenn Euch wieder ein Kletterspezl oder Wanderfreundin erzählt, wo er/sie mit dem Flieger hingedüst ist, dann antwortet doch mal: "Eine Tonne CO2 zu emittieren, schmilzt drei Quadratmeter Packeis ab!" Das wäre mal ein "Highball"."

 

32 Kommentare

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adamsnow

What do environmental politicians actually do for a living? And: How did that happen? Well, the answer is not far , if you want to game on my website visit this link games.lol/horror/

Lotte

Danke für die deutlichen Worte! Von wegen, nur was man kennt, kann man schützen... Ja, traurig, vor 20 Jahren war der Gletscher viel größer. Da braucht man jetzt viel länger vom SUV hoch zum Eis... aber egal, bald geht's ja nach Patagonien zum Heliskiing. Grrr.
Aber klar, wenn man nicht in Begeisterung ausbricht, ist man der Spaßverderber.

Anonymer User

Allerhöchste Zeit!

Anonymer User

Leider wohne ich nicht in Bayern. Sonst würde ich es tun!

Anonymer User

Weil nicht allen Kletter/innen Umweltschutz egal ist!

Anonymer User

Es ist endlich mal ein kleiner Schritt in die richtige Richtung: das Volksbegehren für den Artenschutz. Das Thema Umwelt ist endlich präsenter und ich setze große Hoffnungen in das Volksbegehren.
Ich hoffe, die Politik wird dazu gezwungen zu reagieren. Ich denke, es ist wirklich höchste Eisenbahn!
Selbst wenn in dem Gesetzentwurf noch nicht alles steht „was besser gemacht werden kann“, ist es doch mal wenigstens irgendwas, was passieren kann. Es muss dringend zum Wohle aller und zum Wohle der Umwelt gehandelt werden und nicht zum Wohle Einzelner und zum Wohle des Dauervergnügens und, dass man ja auf nichts verzichten muss!

Anonymer User

Es ist 5 nach 12 Uhr!

Anoymer User

Ich habe mich gleich und nicht im Rathaus eingetragen. Es gibt sieben andere Orte, damit man so gut wie gar nicht Schlange stehen muss. Selbst meine Tochter (8) weiß bereits ohne Bienen keine Bestäubung, ohne Bestäubung keine Äpfel, keine Birnen, etc.

Bernhard

Es ist höchste Zeit Gleichgültigkeit und Gedankenlosigkeit im Umgang mit unserer Natur zu beenden!

Friedl Krönauer

Etliche Jahrzehnte der Freiwilligkeit bei ökologischen Leistungen in der Landwirtschaft konnten das dramatische Artensterben nicht ansatzweise bremsen, geschweige denn verhindern. Deshalb muss das Volksbegehren Erfolg haben und verbindliche Regelungen müssen her. Jeder Einzelne von uns Bergbegeisterten darf es aber nicht mit der Eintragung bewenden lassen. Das Bewusstsein für ökologisch verträgliches Handeln und Konsum muss Eingang in unser tägliche Leben finden, bei unseren Aktivitäten draußen und bei unserem Einkauf von Lebensmitteln.

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