Routenverlauf, Absicherung, Abstieg

Mehrseillängenrouten klettern: Das gilt es zu beachten!

Mehrseillängen-Touren klettern gilt als Königsdisziplin des Felskletterns. Beim Klettern zweier Routen hintereinander gilt es einige Dinge zu beachten.

Mehrseillängenrouten sind immer eine besondere Herausforderung, auch für erfahrene Kletterer.
© Imago / Cavan Images

Um einen genussreichen Klettertag zu haben, braucht man eine gute Planung. Dafür gilt es, einige Kernpunkte abzuchecken: Welche Jahreszeit ist aktuell? Wie lang sind die Tage? Wie lange dauert der Abstieg (inklusive Puffer)? Wann kommt die Sonne in die Wand oder wann verlässt sie diese? Fragen, die man vor dem Festlegen einer Route klären sollte. Bei der Klettertour selbst ist dann vor allem die Frage nach der Schwierigkeit und der Ernsthaftigkeit zu klären. Letztere richtet sich vor allem nach der Qualität der Absicherung und der Länge der Route. Das ist ganz maßgeblich dafür verantwortlich, wie viel Zeit man für eine Route einplanen muss. Je anspruchsvoller (spartanischer) die Absicherung bzw. je mehr man selbst absichern muss, desto länger braucht man.

Alle wichtigen Infos zu Routenfindung, Sichern und Zeitmanagement in Mehrseillängen-Touren haben wir hier für euch zusammengefasst!

Mehrseillängenrouten klettern: Die erste Sicherung

Der Sturzfaktor errechnet sich aus Sturzhöhe geteilt durch ausgegebene Seillänge. Spätestens ab einem Sturzfaktor von 1 (fünf Meter ausgegebenes Seil, fünf Meter Sturzhöhe) schlägt man beim Sportklettern auf dem Boden auf. Bei Mehrseillängentouren ist das anders. Klettert man von einem Standplatz fünf Meter höher und hat noch keine Zwischensicherung geklinkt, würde man bei einem Sturz zehn Meter fallen.

Solche Stürze sind gefährlich:

1. Man stürzt in den Standplatz (alle Last auf den Stand). Versagt der, kommt es zum Seilschaftssturz.

2. Der Sturz wird hart für den Stürzenden, da nur die Dehnung von fünf Metern Seil zum Tragen kommt.

<p>Haken weit weg, Gelände nicht sturzfreundlich: häufig in leichteren Routen.</p>

Haken weit weg, Gelände nicht sturzfreundlich: häufig in leichteren Routen.

© IMAGO

Daher sollte man möglichst bald nach dem Stand eine Zwischensicherung klinken. Schlau eingerichtete Routen haben solche frühen Zwischensicherungen. Ist kein Fixpunkt vorhanden, ist es sinnvoll, in den oberen Haken des Standplatzes eine Dummy-Expresse einzuhängen. So wird ein möglicher Sturz immerhin etwas verkürzt und der Zug am Stand erfolgt nach oben.

Routenfindung, Topos & Routenverlauf in Mehrseillängen-Touren

Die Routenfindung ist mitunter der zeitintensivste Faktor bei (alpinen) Mehrseillängen-Routen. Hier ist schnell mal eine Stunde verstrichen, wenn man mit der Wegsuche beschäftigt ist. Bei Plaisir­-Routen weisen die Bohrhaken den Weg. Doch Vorsicht in leichteren Passagen, wenn die Haken mal weiter auseinander liegen. Generell (und insbesondere bei alpinen Routen) gilt: Es ist sinnvoll, sich im Vorhinein intensiv mit der Tour auseinanderzusetzen und alle verfügbaren Infos zu sammeln. Sowohl der Zustieg sollte gut geplant und sorgfältig studiert sein als auch das Topo an sich. Bei Routen, die viel begangen werden, sind typische "Verhauer" oft sogar im Internet beschrieben.

Wenn eine Bohrhakenlinie den Weg weist - schön. Dann ist der Routenverlauf nicht allzu schwer zu erkennen. Aber nicht immer sind die Haken so dicht gesetzt, dass man diesen "blind" hinterherstiefeln kann. Dann gilt es, den Fels "zu lesen", die richtige Route zu finden. Je nach Schwierigkeit und Felsbeschaffenheit kann das der vermeintlich leichteste Weg sein, gerade bei Sportkletterrouten kann es aber auch die schwierigere Variante sein. Es gilt abzuwägen, welche Linie der Route entsprechen könnte. 

<p>Auf die Topo und die Erfahrung kommt es bei der Routenfindung an.</p>

Auf die Topo und die Erfahrung kommt es bei der Routenfindung an.

© IMAGO / Cavan Images

Welches Topo beziehungsweise welche Be­schreibung der Tour vorliegt, ist auch ausschlaggebend für die Routenfindung. Gute Topos erleichtern das Finden des Einstiegs und die Orientierung in der Wand. Leider gibt es (viel zu) häufig ungenaue oder fehlerhafte Beschreibungen. Wer Topos aus dem Internet herunterlädt, sollte sich auch die Kommentar-Spalte dazu anschauen. Hier gibt es sehr oft gute Tipps von Leuten, die die Tour bereits gemacht haben und die Wegfindung detaillierter beschreiben oder verbessern und Kommentare zu dem Topo hinterlassen.

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Wer mit digitalen Topos auf dem Smartphone arbeitet, sollte eine „leash“ für das Handy in Erwägung ziehen, da dieses bei häufigem He­rausholen leicht einmal abstürzen könnte. Dann ist nicht nur das Handy futsch, sondern auch die Orientierung! Die einfachste Lösung: Ein Bändchen in der Hülle befestigen und mit einem Stück Reepschnur das Handy am Gurt sichern! Das funktioniert gut und ist preiswert.

Mehrseillängen richtig absichern

Die Absicherung in Mehrseillängenrouten ist fast nie wie in Sportkletterrouten, die mögliche Sturzhöhe somit größer. Diese Faktoren gilt es schon bei der Routenwahl zu berücksichtigen. Denn Stürze können besonders im alpinen Terrain böse Folgen haben. Meist sind Plaisirrouten (komplett mit Haken versehene Routen) zwar so eingerichtet, dass an den schwierigen oder gefährlichen Stellen Haken sind, aber darauf sollte man sich nicht verlassen.

Seilverlauf, Zwischensicherungen & mobile Sicherungsmittel

Sind Bohrhaken da und wurden sie von einem erfahrenen Kletterer gesetzt, sollte der Seilverlauf einer Route passen. Aber das ist nicht immer der Fall. Um nach 30 gekletterten Metern nicht einen enormen Seilzug zu haben, der dann entsteht, wenn die Zwischensicherungen nicht in etwa auf einer Linie liegen, kann es sinnvoll sein, die Zwischensicherungen zu verlängern. Dadurch wird natürlich auch die Sturzhöhe größer, aber das kann in vielen Fällen das kleinere Übel sein. Vorbereitete "Alpin-Pärchen" (lange Zwischensicherungen) oder Schlingen können hier Abhilfe schaffen und dafür sorgen, dass man keinen allzu großen Seilzug hat.

Neben dem Seil sind die Sicherungsmittel ein wichtiger Bestandteil der Packliste. Falls zusätzliche mobile Sicherungen gelegt werden müssen, ist es gut zu wissen, welche Anzahl und welche Größen. Generell schadet es aber nie, in einer Wand den einen oder anderen Friend oder Klemmkeil dabeizuhaben. Denn gerade, wenn die Routenfindung nicht klar ist, hat man sich schnell einmal verstiegen und ein mobiles Sicherungsmittel kann häufig eine brenzlige Situation entschärfen.

Fixpunkt- oder Körpersicherung in Mehrseillängentouren?

Bleibt noch eine Grundsatzfrage zu klären: Den Vorsteiger über Körper oder Standplatz sichern? Bequemer und komfortabler ist die Körpersicherung. Aber bei einem deutlichen Gewichtsunterschied und wenn weite, ungebremste Stürze vorkommen können, ist die Fixpunktsicherung sinnvoller. Denn da der Sichernde am Stand fixiert ist (durch seine Selbstsicherung), kann er nicht weit nach oben gezogen werden, sondern „klatscht“ oberhalb des Standplatzes gegen die Wand. Ob er den Sturz dann noch hält …?

<p>Ein guter Standplatz bietet genügend Platz, um z.?B. auch das Seil auf ­einem Haufen abzulegen. </p>

Ein guter Standplatz bietet genügend Platz, um z.?B. auch das Seil auf ­einem Haufen abzulegen.

© IMAGO / argum

Ob man mittels Halbmastwurfsicherung (universell) oder Tuber sichert, ist auch Geschmacksache. Wer mit Tuber über einen Fixpunkt sichert, muss aber unbedingt am Standplatz einen Dummy-Runner einhängen, was natürlich auch für die Körpersicherung gilt. Das ist nicht immer gut möglich (Beispiel: ein Ringhaken). Das Wichtige beim Klettern von Mehrseillängen-Routen ist: Variabel sein, die Abläufe verstehen und nicht blind irgendeine Standardmethode anwenden, die unter den gegebenen Umständen vielleicht gar nicht sinnvoll ist. Und: Erfahrung sammeln.

Funkgeräte beim Mehrseillängenklettern: Nützlich oder No-Go?

Beim Klettern ist Kommunikation wichtig, aber nicht immer einfach. Solange man in Rufweite ist, kein Thema. Aber Wind, Umgebungsgeräusche oder das Gelände verhindern schnell eine Kommunikation. Zunehmend werden in den letzten Jahren kleine Funkgeräte eingesetzt. Für „alte Hasen“ vielleicht ein NoGo, aber oft echt praktisch. Wer mit Doppelseilen unterwegs ist, hat die Möglichkeit über diese zu kommunizieren. 

Sobald die vorsteigende Person am Stand anlangt, kann diese mit einem der beiden Stränge den Stand bauen und somit nur einen der beiden Seilstränge einziehen: Dies merkt die sichernde Person und weiß: aha, Stand! Wenn der Vorsteiger das ganze Seil durchgezogen hat, hängt dieser die Nachstiegssicherung ein und zieht beide Enden wieder gleich lang. Dies signalisiert der nun nachsteigenden Person, dass sie gesichert ist und den Stand abbauen und losklettern kann.

Fotogalerie Standplatzbau: Klickt auf das Bild für eine Großansicht.

Seil-Handling: Ordnung spart Zeit & Ärger

Was generell wichtig ist, ist eine ordentliche Seilführung beziehungsweise Seil-Hygiene. Hier helfen eingespielte Abläufe, um Fehler zu vermeiden. Ein sauber gelegter Haufen auf einem Felsband oder in flacherem Gelände stellt kein Problem dar. Besonders dann nicht, wenn in Wechselführung geklettert wird und das Seil, das oben liegt, auch wieder als erstes rausläuft. Wenn immer derselbe vorsteigt, ist es zu empfehlen, das Seil vor der neuen Seillänge durchzuziehen, da das herauslaufende Seil unten liegt.

Ist das Gelände verblockt und steiler, sollte man besser saubere Schlaufen über die Füße oder die Selbstsicherung legen. (Wie man das am besten macht, muss jeder für sich herausfinden). Das Legen der Schlaufen auf die Selbstsicherung kann mühsam und zeitintensiv sein, bewahrt einen aber vor einem enormen Seilsalat. Lässt man das Seil (weit) herunterhängen, kann es sich verfangen und man hat beim Ausgeben das Seilgewicht zu beachten.

Um beim Klettern einen möglichst guten Seilverlauf zu haben, empfiehlt es sich immer ein paar „Alpin-Exen“ dabeizuhaben. Diese sind meist mit einer 60 Zentimeter langen Bandschlinge versehen, die im Normalfall doppelt oder dreifach genommen wird, aber schnell „ausgefahren“ werden kann. Liegen also Haken weit außerhalb der Kletterlinie, lässt sich mit einer Alpin-Exe unnötige Seilreibung effektiv reduzieren.

<p>Wer das Seilhandling perfektioniert, spart sich viel Zeit und mühsames Sortieren.</p>

Wer das Seilhandling perfektioniert, spart sich viel Zeit und mühsames Sortieren.

© IMAGO / Cavan Images

Mehrseillängenrouten klettern: Abseilen oder Absteigen

Bei vielen Touren die letzte zu treffende Entscheidung, aber oft eine ganz wichtige: Abseilen oder Absteigen? Da Abseilen vermeintlich bequemer ist, entscheiden sich Unerfahrene gerne für das Abseilen. Ist die Abseilstrecke aber nicht explizit dafür eingerichtet, dauert Abseilen fast immer deutlich länger als Absteigen. Auch das Gefahrenmoment ist beim Abseilen deutlich größer. Und ein verhängtes Seil kann eine bis dahin tolle Route zum Albtraum werden lassen. Daher sollte man ausgiebige Informationen einholen und sich möglichst immer auf beide Möglichkeiten einstellen (also beispielsweise andere Schuhe mitnehmen).

Soll abgeseilt werden, empfiehlt es sich immer, Doppelseile zu verwenden, um eine möglichst lange Abseilstrecke nutzen zu können. Häufig sind Abseilpisten auf die volle Seillänge ausgelegt. Außerdem sollten Doppelseile bei besonders alpinem Gelände verwendet werden, um Seilreibung zu vermeiden. Handelt es sich jedoch um Plaisir-Routen und der Abstieg kann zu Fuß erfolgen, ist auch ein Einfachseil okay. Das vereinfacht das Seilhandling. Außerdem wiegt es meist weniger.

Packliste Klettern. Klickt auf das Bild für eine Großansicht:

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