Fotos auf Hochtour

So gelingen die Erinnerungsbilder

Auf sommerlichen Hochtouren in Eis und Schnee bieten sich dem Fotografen viele Motive. Mit etwas Hintergrundwissen und viel Übung kann man schnell vom Knipser zum Fotografen werden.

So gelingen Fotos auf Bergtouren
© Bernd Ritschel

Schnee spritzt auf, Steigeisen beißen sich im Eis fest. Ein Seil schwingt vor blauem Himmel voller Dynamik durch die Luft. Dazwischen glückliche Gesichter auf großartiger Tour. So und nicht anders stellen wir uns den perfekten Tag an einem großen Gipfel vor. Es sind aber nicht immer nur jene perfekten Momente bzw. Tage auf Tour, die sich in unser Gedächtnis einbrennen, sondern auch die verrückten und die ungewöhnlichen – und auch die ganz gewöhnlichen. Natürlich werden wir auf die meisten Hochtouren nur bei guten Bedingungen und ordentlichem Wetterbericht aufbrechen, aber wenn er dann doch einmal kommt, der Schneesturm, oder das Gewitter am Grat, der grundlose Sulz nach großer Hitze, dann werden auch diese Erlebnisse unvergesslich – nur allzu oft haben wir dann leider keine Fotos davon. Also: Nicht immer nur bei bestem Wetter fotografieren.

Spontan und jederzeit

Um alle Facetten, d.h. auch alle markanten Momente eines Bergtages zu visualisieren müssen die Kamera und unser "Auge" ständig "schussbereit" sein. Das wird nicht immer klappen, dass werden wir auch nicht immer wollen. Grundsätzlich ist es in jedem Fall von Vorteil, wenn wir die Kamera am Körper und nicht im Rucksack tragen, je nach Witterung gut geschützt in einer kleinen Fototasche oder bei gutem Wetter einfach vor der Brust. Der geschlossene Brustgurt der Rucksack-Trageriemen verhindert dann ein allzu störendes "Schaukeln".

Bergfotograf Bernd Ritschel: Tipps kompakt
  • Nutzen Sie auf Hochtour jede Form von Bewegung, die sich in ein dynamisches Foto umsetzen lässt.
  • Weitwinkelobjektive zeigen hoch oben am Berg die ganze Weite einer Szenerie und ermöglichen es uns – ohne die Seilschaft zu verlassen – die Seilpartner mit ins Bild zu integrieren.
  • Auch wenn es manchmal mühsam ist: Fotografieren Sie auch die ungemütlichen und die anstrengenden Momente einer Tour!
  • Das Gegenlicht bringt Bilder zum strahlen. Wichtig hierbei: Sie Blende schließen (auf f11, f16 ...) und leicht unterbelichten, um möglichst viel Zeichnung in den hellen Bildbereichen zu erhalten.
Er weiß wovon er spricht: Profi-Bergfotograf Bernd Ritschel.
Er weiß wovon er spricht: Profi-Bergfotograf Bernd Ritschel.
© Bernd Ritschel

Schräg und wild

… auch das darf die Fotografie sein. Das gilt grundsätzlich auch für alle anderen Spielarten des Bergsteigens. Die Jugend hat sich mit ihren Handys eh längst über alle Normen und "Goldenen Schnitte" hinweggesetzt. Ganz kontrolliert, mit Blick durch den Sucher, geht das indem man einfach die horizontale Achse verlässt und die Kamera schräg hält. So entstehen durchaus ganz witzige und unkonventionelle Bildaussagen.

Man kann aber auch die Kamera völlig unkontrolliert über dem Kopf oder aber in Bodennähe "schräg" halten und einfach drauf los "schießen". Wichtig hierbei: oft abdrücken und auch verschiedene Zeit-Blenden-Kombinationen versuchen, um die Trefferquote zu erhöhen. Zu klären und zu bedenken ist hier nur die ethische Frage: wie steil war es wirklich? Aus einer entspannten, 40 Grad steilen Firnflanke wird so schnell der überhängende Wahnsinn. Meine Empfehlung: Überall da, wo es Sinn macht bzw. da, wo wir ehrlich sein wollen und sollten, d.h. vor allem bei Bildern mit klar erkennbarem Horizont, muss die horizontale Achse in der Waage sein.

Geht nicht gibts nicht

Manchmal ist Distanz nötig für einen dynamischen Bildaufbau.
Manchmal ist Distanz nötig für einen dynamischen Bildaufbau.
© Bernd Ritschel

Alle Ausreden wie "zu wenig Licht" oder "zu schlechtes Licht", wie wir sie aus analogen Zeiten vielleicht noch kennen, sind längst passé. So dunkel kann es gar nicht sein, dass Kameras der neuesten Generation nicht irgendwie ordentliche Bilder zaubern. Es gilt: schon im schummrigen Dunkel der Hütte beginnt der Fototag. Draußen im Licht der Dämmerung, vielleicht noch aufgehellt durch Stirnlampen, geht es weiter. Wichtig hierbei: raus aus der Vollautomatik der Kamera und kontrolliert mit offener Blende (z.B. f2, f2,8 etc.) und mit angepasster ISO-Empfindlichkeit (z.B. ISO 3200) beginnen und später, bei mehr Licht, die Werte weiter "normalisieren", z.B. auf Blende f5,6 oder f8 und die ISO-Werte zwecks maximaler Qualität von 800 auf später 200 oder auch 100 reduzieren.

Details sorgen für Abwechslung

… und diese Details müssen nicht immer schön sein. All die abstrakten Ausschnitte der Natur oder unserer Aktivität sind wunderbare Motive. So dreckig kann ein Bergschuh gar nicht sein, als dass er Jahre später nicht Erinnerungen ins uns wach ruft. Auch ganz konventionelle Stilleben im Hüttenalltag können in einer vor Freunden erzählten Story für Vielfalt sorgen und gleichzeitig informativ sein. Seile und Eisgeräte im Vorraum der Hütte, das Schuhchaos im Trockenraum und selbst die stickige Luft eines feuchten Gastraumes lassen sich visualisieren.

Das mit dem Vordergrund …

… ist relativ. Ein guter Vordergrund führt den Blick des Betrachters durch das Bild. In der Landschaftsfotografie haben wir durchaus die Zeit, einen schönen oder ungewöhnlichen Vordergrund zu suchen, um ihn anschließend in unseren Bildaufbau zu integrieren. Auf Hochtour, ganz besonders in der Seilschaft, ist dies meist unmöglich. Wir müssten geeignete bzw. interessante Dinge oder Details in der Landschaft dann entsprechend schnell erkennen und technisch versiert umsetzen. Mögliche Vordergründe: Strukturen im Schnee, Gletscherspalten, Felsen, Ausrüstungsstücke. 

Die ersten Sonnenstrahlen für ein traumhaftes Foto nutzen.
Die ersten Sonnenstrahlen für ein traumhaftes Foto nutzen.
© Bernd Ritschel

Weite ist nie verkehrt …

… umso höher, desto weiter, dieser Grundsatz gilt vor allem auf Hochtour. Im Vergleich zu den Wüsten, Wäldern und Meeren dieser Erde können wir an und auf einem Berg im Hochgebirge ganz wunderbar viel Weite und Tiefe zeigen. Dies gelingt meist am besten mit leichten bis mittleren Weitwinkelobjektiven. Über den Mensch im Bild zeigen wir zudem zusätzlich die Dimension einer Landschaft oder einer Tour. Mein Vorgehen hier: Ich fokussiere auf die Personen im Bild und dehne die Schärfentiefe über das Schließen der Blende auf Werte um f8, f11 oder maximal f16 bis in den Hintergrund aus.

Faszination Gegenlicht

Mit dem Gegenlicht beginnt die hohe Schule anspruchsvoller Fotografie. Mein Grundsatz: Wenn sonst nichts mehr geht, im Gegenlicht geht immer was. Aufnahmen mit einem klaren Sonnenstern in einer der oberen Ecken begeistern (noch immer) viele Betrachter. Sie machen Lust auf diese perfekten Tage am Berg. Hierfür sollte die Blende auf Werte ab f16 geschlossen werden. Zudem sind es meist nur die starken und qualitativ hochwertigen Weitwinkelobjektive, die "saubere" Sterne zeichnen.

Die kreative Unschärfe

Mittels kontrollierter Unschärfe können wir Wesentliches vom Unwesentlichen trennen. Der Blick des Betrachters wird auf das eigentliche Motiv gelenkt. Beim Blick durch den Sucher einer Spiegelreflexkamera sehen wir das Motiv ja eh bei offener Blende. Wo bietet sich die kreative Unschärfe an: im Nahbereich, z.B. Hände am Fels, bei Porträts und mit Details wie Eisschrauben, die Frontzacken der Steigeisen im Eis etc..

Welche Kamera?

Auf diese Frage gibt es heutzutage – zumindest auf Hochtour – nurmehr eine Antwort: die spiegellose Systemkamera. Diese Gehäuse sind deutlich kleiner und leichter als Spiegelreflexkameras und qualitativ ebenbürtig. Zusammen mit einem Ersatzakku, ein paar Speicherkarten und einem Polfilter wiegt meine Standardausrüstung, wohlgemerkt inklusive Kamera und drei Objektiven – nur knapp zwei Kilogramm.

Alternativ bieten sich die kleineren Kompaktkameras an. Da sich via verschmiertem Display nur sehr bedingt ein kontrollierter Bildaufbau bewerkstelligen lässt, empfehle ich Kameras mit hellem und klarem digitalen Sucher. In beiden Fällen bieten Zoomobjektive, vor allem in den Weitwinkelbereich hinein, wesentlich mehr Spielraum bezüglich Motivvielfalt – vor allem, wenn man in Seilschaft am Berg unterwegs ist. Mein persönlicher Favorit an der Kamera mit APS-C großem Sensor: ein f2,8 16-55 mm Objektiv.

Text von Bernd Ritschel

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