Teil Zwei
Ein heftiger Sturz kann aktionsunfähig machen.
Ein heftiger Sturz kann aktionsunfähig machen.

Schwieriger wird es, wenn der Gestürzte nicht aktionsfähig ist – zum Beispiel durch Eisbrocken verletzt. Alle Flaschenzug-Künste sind am Gletscher oft nutzlos, wenn das Seil zum Gestürzten tief im Spaltenrand eingeschnitten ist. Besser ist es, die Lose Rolle passiv zu ihm zu transportieren. Dazu wird ein Jümar oder Ropeman am Seil zum Gestürz- ten so angebracht, dass er nach unten gleitet, nach oben klemmt. In diesem Klemmgerät wird der Karabiner der Losen Rolle eingehängt; mit einem Ballastgewicht (Karabiner, Pickel, Rucksack) rutscht die Konstruktion nach unten. Ist sie beim Gestürzten angekommen, läuft die Rettung ab wie oben. Solche Manöver fordern aber schon mehr Überblick und gründliches Training.

Selbst wieder hinauf

Und wenn der einzige Erfahrene selber in die Spalte stürzt? Dann kann er nur hoffen, dass das Team zumindest seinen Sturz hält und ihn vielleicht noch fixieren kann. Doch rauskommen muss er selber. Dazu braucht er zwei verschiedene Prusik-Methoden. Zunächst legt er die körperlange Rettungsprusik ums Seil, in das Ende stellt er sich hinein; mit Ankerstich um den Schuh hält es besser. Die halb körperlange Prusikschlinge legt er oberhalb der ersten ums Seil, schiebt sie auf Armlänge nach oben, knotet sie passend ab und hängt sie im Anseilpunkt als Selbstsicherung ein.

Solange er frei hängt oder an der blanken Spaltenwand ansteht, verläuft nun der Aufstieg nach dem Schema: Beinprusik hochschieben – aufstehen – Sicherungsprusik hochschieben – reinsitzen. Je besser die Längen eingestellt sind, desto weniger Höhe geht beim Reinsitzen verloren und desto schneller kommt man rauf.

Übung macht den Meister
Übung macht den Meister

Wo das Seil im Schneerand eingeschnitten ist, kommt man allerdings mit dieser Methode nicht mehr weiter. Dann wird umgebaut auf die "Selbstseilrolle". Das mittlerweile locker gewordene Seil wird mit einer Rücklaufsperre (Gardaknoten, Magic Plate, Ropeman) im Anseilpunkt eingehängt und oben im Karabiner im Abbund der Rettungsprusik umgelenkt.

Zieht man nun daran, kann man sich wie mit einer Art Flaschenzug münchhausenhaft nach oben wuchten. Beim Ziehen stemmt man die Beine gegen die Spaltenwand, zerrt so das Seil aus dem Schnee und schiebt die Hüfte nach oben, um möglichst hoch zu kommen. Um den oberen Prusikknoten hochzuschieben, hängt man sich voll in die Rücklaufsperre und beugt den Oberkörper vor. Das ist nicht leicht und man wird nass dabei – vom Schnee und Schweiß –, aber es funktioniert.

So wie überhaupt die Spaltenbergungsmethoden vielleicht kompliziert klingen – aber beim Üben in der Praxis dann doch irgendwannn klappen. Natürlich sollte man das alles im "Trockenen" üben, am besten mit einem Bergführer oder Fachübungsleiter.

Und nicht vergessen: Am besten ist es, man fällt gar nicht in die Spalte rein. Tausende von Gletscherbegehungen ohne Spaltenstürze beweisen, dass auch das möglich ist.