"Die 24h-Hotline"

Der offene Brief von Christian Klant

Der offene Brief von Christian Klant

Mit fünf Freunden bin ich Ende Mai nach Peru aufgebrochen, um dort die wunderschöne Landschaft und das Land kennen zu lernen. Unser Ziel war es, einige neue Routen in ein Felsmassiv zu legen und drei Berge zu besteigen. Gut akklimatisiert durch das Klettern auf über 4000m Höhe und den Besteigungen (Lasunayoc und Mirador de Lasunayoc) wollten Christoph und ich den Salcantay besteigen.

Der Rest der Gruppe musste schon wieder nach Deutschland und so machten wir uns auf den Weg zum Basislager, das wir mit zwei Pferdetreibern und vier Tragtieren am Nachmittag des 23. Juni erreichten. Wir wollten den Salcantay über den Nord-Westgrad besteigen. Für das Basislager hatten wir uns ein Plateau unterhalb der Südwand auf 4300m ausgesucht. Die Bedingungen in diesen Tagen hätten nicht besser sein können. Nachts erhellte der volle Mond die ganze Szenerie und gab uns deutlich mehr Stunden Licht.

In der Nacht, bevor wir zu unserem Lager I aufbrechen wollten, erkrankte ich - wie sich später herausstellen sollte - an einer Salmonelleninfektion. So geschwächt konnte ich den Berg nicht angehen. In der Hoffnung auf Besserung verschoben wir den Aufstieg vorerst um einen Tag, und Christoph machte sich nur zur Erkundung auf über die Abra Palcay, denn unsere Aufstiegsroute ist vom Basislager aus nicht einsehbar.

Ich merkte ziemlich schnell, dass ich nicht nur den üblichen Reisedurchfall hatte und auch ein weiteres Warten von 2 Tagen, die unser Zeitfenster noch hätte hergeben können, würde wohl keine Besserung versprechen. Und so beschloss Christoph einen Soloversuch zu starten. Am darauf folgenden Morgen brach er dann um 7 Uhr auf, um unterhalb der ersten Eisfelder ein Biwak einzurichten, von dem aus er noch in der Nacht den Gipfel angehen wollte.

Zu den zwei geplanten Tagen der Besteigung rechneten wir noch einen Reservetag hinzu. Am Morgen des dritten Tages war Christoph immer noch nicht ins Basislager zurückgekehrt. Soweit möglich unterstützt durch einen der beiden Treiber bin ich mit aller nötigen Hilfsausrüstung über die Abra Palcay zum Nord-Westgrad aufgestiegen.

Alleine und geschwächt blieb mir nichts weiter übrig, als den Aufstiegsweg so weit wie möglich mit dem Fernglas abzusuchen. Nachdem dies erfolglos war und ich auch nach zwei weiteren Stunden kein Zeichen von Christoph erblicken konnte, beschloss ich wie verabredet das Basislager so schnell wie möglich abzubrechen, um evtl. noch in der gleichen Nacht in die nächste Ortschaft absteigen zu können. Im Basislager hinterließ ich Medikamente und Nahrung für drei bis vier Tage.

Noch in der Nacht erreichten wir Mollepata und mit Hilfe des deutschen Konsulates in Cusco sowie Christophs Frau und seinen Eltern in Deutschland konnten wir am nächsten Tag eine Rettungsmannschaft mit Hubschrauber organisieren.

Einer meiner ersten Anrufe ging an die 24-Stunden ASS Notruf-Zentrale des DAV. Der arme Kerl am Telefon konnte mir nur seine persönliche Hilfe als Übersetzer anbieten. Da er selbst schon in Peru gewesen ist, konnte er die Situation einschätzen, doch wirklich Hilfe konnte er mir leider nicht bieten, da er nicht weisungsbefugt war.

Der Hubschrauber stand zu diesem Zeitpunkt schon auf Abruf und wir suchten fieberhaft nach einer Zusicherung der Kostenübernahme. Der Pilot nimmt nämlich ohne diese oder Cash noch nicht einmal den Schlüssel in die Hand. Der Herr an der Hotline konnte mir - so leid es ihm auch tat - nur sagen, dass ich doch zu den Bürozeiten der Versicherung noch einmal anrufen solle, da nur die Versicherung selbst eine Kostenübernahme garantieren könne.

Bei dieser Aussage ist mir - gelinde gesagt - die Spucke weg geblieben. Wie kann es sein, dass eine 24- Stundenhotline, die für Bergrettung zuständig ist, an die Geschäftszeiten in Deutschland gebunden ist, wenn ein weltweiter Schutz angeboten wird? Wie kann es sein, dass eine 24-Stunden Notruf-Zentrale nicht weisungsbefugt ist? Welchen Sinn hat eine Versicherung, die keine Kostenübername im Ernstfall garantieren kann, obwohl eine Konsultation in den AGB vorgeschrieben ist?

Auch nur einen Hubschrauber im Raum Cusco überhaupt zu organisieren ist nicht gerade einfach, da nur selten direkt eine Maschine vor Ort ist. Und selbst mit einem Hubschrauber sind Flugmanöver jenseits der 5000m Marke nicht ungefährlich. Auch wenn ich das Limit meiner Studentenkreditkarten bis aufs Letzte ausgeschöpft und zusätzlich alle Bargeldreserven in den Topf geworfen hätte, hätte ich damit ca. 45 Flugminuten bezahlen können. Der Salcantay liegt aber schon eine Flugstunde von Cusco entfernt. Da Auslandsüberweisungen nicht sofort verfügbar sind und auch in Deutschland nicht sofort eine Kreditkarte mit einem entsprechenden Limit aufzutreiben war, wurde durch die fehlende Weisungsbefugnis der Hotline die Rettungsaktion um nahezu einen Tag verzögert.

In wieweit wir Christoph ohne diese Verzögerung noch hätten lebend finden können, ist natürlich reine Spekulation. Ich frage mich jedoch wirklich, wer auf die Idee kommen kann, eine Hotline in dieser Form einzurichten. Von einem Verein wie dem DAV hätte ich etwas anderes erwartet.

Auch das Verhalten der ELVIA, dem Versicherungspartner des DAV, ist mir nicht verständlich. So müssen Christophs Frau und sein kleiner Sohn noch heute, über fünf Monate nach der Rettungsaktion, auf die Übernahme der Kosten warten.