3. Newsletter der Everest-Norwand Expedition

Kaltenbrunner und Dujmovits: Schrecksekunde auf 7100m

Ralf Dujmovits und Gerlinde Kaltenbrunner sind von ihrer zweiten, abschließenden Akklimatisations-Tour am Everest wieder wohlbehalten im Basislager angekommen. Dabei hatte das Bergsteiger(ehe)paar in 7100 Metern Höhe eine Schrecksekunde zu durchstehen: In der dritten Seillänge war der Österreicherin unvermittelt ein tellergroßer Stein auf das Eisgerät gekracht. Mit "zittrigen Knien" konnte die 39-Jährige den Ausftieg fortsetzen.

Kaltenbrunner und Dujmovits: Schrecksekunde auf 7100m

Liebe Freunde,

In stockdunkler Nacht (ca.22.00 Uhr) sind wir am 01. Mai wieder in unser Basislager zurückgekehrt. Nach einem langen Abstieg von 7600m gingen uns Sitaram und Tashi eine Stunde vorm Basislager mit Mangosaft entgegen. Nach einer Nudelsuppe hier im Basislager sind wir mit einem guten Gefühl der perfekten Akklimatisation in einem Tiefschlaf verfallen.

Aufgebrochen waren wir am 26. April zu unserer zweiten und abschließenden Akklimatisation zum Wandfuß. Dort gruben wir unser Depot aus und verbrachten eine gute, aber windige Nacht unter der Nordwand. Von den Bedingungen in der Wand konnten wir bis dahin keine Veränderung feststellen.

Am nächsten Morgen stiegen wir angeseilt über sehr spaltenreiches Gelände und unter zwei großen bedrohlichen Seracs in der Südwand des Changtse in Richtung Nordsattel aufwärts. Mittags hatte es vollkommen zugezogen, am Nordsattel blies starker Sturm. Kurzfristig entschieden wir, ca. 300 m unterhalb in einer geschützten Spalte unser Zelt aufzustellen.

Tags darauf mussten wir einen Bergschrund überwinden bevor wir die letzten 300 Höhenmeter bis auf 7100m aufstiegen. Angeseilt, da Blankeis-Verhältnisse, kletterten wir höher. In der 3.Seillänge krachte Gerlinde plötzlich ein tellergroßer Stein auf`s Eisgerät…..Glück gehabt!!! Ich schrie zu ihr hinauf, ob alles in Ordnung sei. Gerlinde zitterten ziemlich die Knie, sonst passte alles!!! Wahrscheinlich hatte ein Bergsteiger knapp oberhalb des Nordcols den Stein abgetreten.

Imbiss auf 7100 Metern

Weiter ging es über eine Schneeflanke bevor die Verhältnisse wieder in Blankeis wechselten. Das Gelände war nicht steil. Maximal 45 Grad. Trotzdem blieben wir aufgrund des Steinschlags angeseilt und sicherten uns gegenseitig. Wie fast jeden Tag hatte es wieder zu winden und auch stark zu schneien begonnen. Ich war ein wenig zu dünn angezogen und war inzwischen völlig ausgekühlt.

Am Nordsattel angekommen bauten wir schnell unser kleines Zelt auf und starteten den Kocher. Wir tranken wie immer viel, von Hunger war nicht wirklich die Rede. Trotzdem ein paar Bissen Knäckebrot und Käse sowie Suppe mussten sein. Eine eisige Nacht stand uns bevor. Ich nieste und schnupfte im Halbstundentakt,- hoffentlich würde ich mich bis zum Morgen wieder erholen. Auch Nachts trank ich immer wieder heißes Wasser.

In der Früh wachten wir in Eis überzogenen Schlafsäcken auf und das gesamte Zeltinnere war mit einer dicken Eisschicht überzogen. Zum Glück kommt dort oben bereits um halb 6 Uhr die Sonne. So konnten wir während des Frühstücks unsere gesamte Ausrüstung trocknen. Ich fühlte mich wieder etwas besser und so stiegen wir am Vormittag weiter auf.

Gelungene Akklimatisation

Wir kamen gut voran. Jeder von uns wollte im eigenen Tempo aufsteigen. Ich war viel damit beschäftigt bei glasklarer Sicht zu fotografieren und zu filmen. Gerlinde wollte inzwischen voraus um einen geeigneten Zeltplatz zu finden; es zeichnete sich ab, dass es am frühen Nachmittag wieder vollkommen zuziehen würde….

Weißes Wunder: Ralf Dujmovits staunt beim Aufwachen über die Eiskruste im Zelt (Foto: Dujmovits / Kaltenbrunner).
Weißes Wunder: Ralf Dujmovits staunt beim Aufwachen über die Eiskruste im Zelt (Foto: Dujmovits / Kaltenbrunner).

Auf 7600m fand Gerlinde einen Platz an dem nicht allzu viel vorzubereiten war. Ein paar grobe Steine wegräumen, etwas Schnee drauf, und schon war die Plattform perfekt. Im Sturm war Gerlinde froh, dass wir immer ein unkompliziertes kleines Zelt dabei haben, obwohl wir uns darin doch manchmal ziemlich beengt fühlen.

Heute war es wieder ruckzuck aufgestellt und der Gedanke an Enge war keineswegs vorhanden. Gerlinde holte Eis und schon lief der Kocher. Als ich etwas später ankam, war ich froh darüber gleich ins Zelt schlüpfen zu können - die Finger waren vom Fotografieren doch ziemlich steif geworden und der linke Zeigefinger schon etwas blau..

Beide freuten wir uns über die bisher gelungene gute Akklimatisation. Hoffentlich würde das Wetter halbwegs halten! Im Moment schneite es ziemlich und der Wind blies heftig. Das sollte auch den ganzen nächsten Tag so bleiben. Unseren Plan am zweiten Tag hier oben ein paar hundert Meter weiter aufzusteigen verwarfen wir wieder und blieben den ganzen Tag auf 7600m, kochten und füllten unsere Speicher so gut es ging auf.

Riss es kurz auf, waren wir mit dem Fernglas am Suchen nach geeigneten Biwakplätzen in der Nordwand. Viel allerdings sahen wir an diesem Tag nicht. Am Nachmittag riefen wir Charly in Innsbruck an, der uns die aktuell tiefen Temperaturen bestätigte und uns aber Hoffnung auf wärmere Tage ab Mitte kommender Woche machte. Gerlinde erfuhr von Charly auch vom Erfolg des neuen und alten österreichischen Bundespräsident Dr. Heinz Fischer, worüber sie sich riesig freute!

Für den Gipfel zu kalt

Heimweg: Ralf Dujmovits auf dem Weg ins Everest-Basislager (foto: Kaltenbrunner / Dujmovits).
Heimweg: Ralf Dujmovits auf dem Weg ins Everest-Basislager (foto: Kaltenbrunner / Dujmovits).

Eine weitere Nacht wollten wir auf dieser Höhe verbringen. Wir sind beide überzeugt, für eine Besteigung des Everest ohne künstl. Sauerstoff sind zwei Nächte hier oben von großem Vorteil - wenn nicht sogar unabdingbar.

Diese zweite Nacht war für uns beide sehr anstrengend. Es schneite zwar nicht mehr, jedoch stürmte es mit enormer Geschwindigkeit und es war sehr kalt. Beide taten wir kein Auge zu. Immer wieder lauschten wir und überlegte, ob das Zelt auch wirklich ausreichend verankert wäre. An Nachtruhe war nicht zu denken.

Früh am nächsten Morgen packten wir bei eisigen Temperaturen unsere gesamte Ausrüstung zusammen und stiegen ab zum Nordsattel. Erstaunlich, dass es dort beinahe windstill war!!! Hier konnten wir wieder unsere Sachen trocknen und ein kleines Depot anlegen: eine Gaskartusche, ein wenig Essen und ein Seil. Wir entschieden, nicht unsere Aufstiegsroute abzuseilen, da vorherzusehen war, dass es Lawinen- und Steinschlaggefährlich sein würde. Wir nahmen den zwar um einiges längeren aber sichereren Abstieg ins nordseitige Basislager.

Dort trafen wir auch auf einige Freunde wie Rolf, Andreas, die 3 Spanier sowie Gnaro, Abele und Michelle. Nach einem kurzen Stopp gingen wir um den Changtse herum zurück in unser Basislager. Wir hatten einen sehr langen Abstieg hinter uns. Müde und sehr zufrieden trafen wir wieder hier in unserer Mulde ein.

Die nächsten Tage werden wir uns erholen und die Wettervorhersagen von Charly Gabl intensiv verfolgen. Noch sind die Temperaturen zu tief (zur Zeit im Gipfelbereich um -35° Celsius), um ohne künstlichen Sauerstoff Richtung Gipfel zu starten. Aufmerksam beobachten wir die Nordwand und hoffen natürlich, dass wir beim nächsten Aufbruch einsteigen und über diese imposante Route den Gipfel werden erreichen können.

Für Heute verabschieden wir uns wieder und senden allen viele liebe Grüße aus unserem Basislager!

Ralf mit Gerlinde

Text: Ralf Dujmovits

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