Von "Geistergehern" und "einzigartiger Mathematik"

Kontroverse um Pisten-Skitourengeher hält an

Mit der Pistensperrung für Tourengeher in drei bayerischen Skigebieten erhielt der Konflikt zwischen Liftbetreibern und Tourengehern kurz vor Weihnachten neue Nahrung. Beim DAV zeigte man sich gleichermaßen empört wie um Lösungen bemüht. Eigene, für Skitourengeher ausgewiesene Aufstiegsrouten, halten alle Beteiligten für eine adäquate Lösung. Neuigkeiten in der Diskussion erfahren Sie hier.

Kontroverse um Pisten-Skitourengeher hält an

Thomas Bucher vom Deutschen Alpenverein verweist darauf, dass in manchen Regionen bereits bis zu zehn Prozent der Skifahrer Tourengeher seien. Tendenz steigend. "In ganz Deutschland gibt es heute über 300 000 Skitourengeher", so Bucher. Regeln für Skitourengehen auf Pisten Für Andreas König, Sicherheitsexperte im Deutschen Skiverband (DSV), sind viele der Tourengeher "Geistergeher", die "sich der Gefahren beim Aufstieg nicht bewusst" seien. Hier ist Aufklärungsarbeit gefragt, denn das potentielle Unfallrisiko sei enorm: Einem Tourengeher begegnen beim Aufstieg im Schnitt bis zu 1000 abfahrende Personen.

"Wir werden unter den Generalverdacht gestellt"

Robert Herz vom neugegründeten Skitourensportler Verein kann sich über soviel "einzigartige Mathematik" nur wundern. Über 1000 normale Skiunfälle ereigneten sich jährlich ohne Beteiligung von Tourengehern, über die spreche niemand, ärgert sich Herz.

Im Gegenteil. „Wir werden unter den Generalverdacht gestellt, dass wir uns falsch verhalten.“ Dabei könne beim Tourengehen hingegen nur von Beinahe-Unfällen gesprochen werden. "Tourengeher sind Geher. Das heißt, sie laufen sehr langsam. Wie sollen da Unfälle passieren? Ich verstehe nicht, was die Liftbetreiber antreibt."

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Kosten und Haftung

Was die Liftbetreiber antreibt, ist schnell erklärt: Kosten und Haftung. Skitourengeher nutzen die Pisten-Infrastruktur ohne etwas dafür bezahlen zu müssen. Nur in manchen Regionen werden sie über Parkgebühren an den Kosten der Betreiber beteiligt. Für manche Liftbetreiber ein ungbefriedigender Zustand.

Auch über die Rechtsgrundlage der Verbote wird heftig diskutiert. Vor einigen Wochen legte der Deutsche Skiverband ein Gutachten vor, das Pisten als Sportstätten deklarierte. "Die Pistenbetreiber haben eine Verkehrssicherungspflicht und müssen die Abfahrtswege entsprechend sichern", betont DSV-Experte König.

Foto: Picture Alliance
Foto: Picture Alliance

Die Verbote in Brauneck, im Spitzingseegebiet und in Garmisch-Partenkirchen seien daher eine notwendige versicherungsrechtliche Entscheidung. Die Argumentation der Tourengeher, der Berg sei freie Natur, und Natur sei für alle da, sei falsch. "Mit dem Verbot des Tourengehens sichern sich die Liftbetreiber vor einer Unfallhaftung ab."

DAV-Mann Bucher verweist darauf, dass das Gutachten, auf das sich der DSV beziehe, keinerlei Rechtsverbindlichkeit habe. Die Verbote der Betreiber seien daher unwirksam. "Ich kenne auch keinen Fall, bei dem ein Tourengeher von einer gesperrten Piste verscheucht wurde", so Bucher.

Konsens möglich?

So konträr die Blickwinkel der Meinungsbildner zum Thema Pistentourengehen auch sein mögen, ein Konsens scheint dennoch möglich. Der Königsweg aus dem Dilemma kann nur, so die Meinung aller Beteiligten, über eigene, ausgewiesene Aufstiegsrouten führen. Für jedes Skigebiet sollte es demnach mindestens einen ausgewiesenen Weg für Tourengeher geben, der an kritischen Stellen zusätzlich abgesichert ist.

Bleibt noch eine entscheidende Frage: Wer zahlt´s?

Dem Thema Skitouren widmet sich auch die aktuelle Ausgabe von "Bergauf-Bergab", der Bergsteigersendung des Bayerischen Fernsehens. Hier erwarten Sie unter anderem Beiträge über den Pistenboom und Skitouren in den Dolomiten.

Bergauf-Bergab

Donnerstag, 20.01.2011

21.15 Uhr

Bayerisches Fernsehen

In ALPIN 02/2011 finden Sie derzeit den dritten Teil unserer vierteiligen Serie über Pistentouren. Thema sind Touren rund um Innsbruck.

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