Das kalifornische Kletter-Ass im Portrait (2014)

Alex Honnold: "Du musst dafür sorgen, dass du stirbst, wenn du abstürzt"

Alex Honnold gilt als einer der derzeit besten Free Solo-Kletterer weltweit. Seine spektakulären Begehungen großer Wände wie im Yosemite Valley, noch dazu oftmals im "Speed-Modus", lassen einem das Blut in den Adern gefrieren. Wer es nicht glaubt, sollte sich nur einmal "El sendero luminoso" ansehen.

Alex Honnold im Portrait
© www.alexhonnold.com

Da sitzt er also. Das Kletter-Wunderkind. Gemütlich schaut er seinen beiden italienischen Kletterpartnern bei ihrem Versuch in La Gola zu, einer regensicheren Höhle oberhalb des Lago di Cavedine im Norden des Gardasees.

Regensicher ist das richtige Stichwort. Draußen gießt es in Strömen, im Talgrund donnert der Bach so laut und hallt in der Höhle, dass man sich fast nur schreiend verständigen kann. Doch genau das ist die Form von Freiheit, die Alex Honnold, 28-jähriges Kletter- Ausnahmetalent aus Sacramento, Kalifornien, so liebt.

Die Freiheit, ihm unbekannte Orte zu bereisen, Neues auszuprobieren, Dinge zu lernen. "Weil ich sehr offen bin und mich gerne und schnell an neue Situationen anpasse", erklärt er, während er zu dem von oben am Seil herunterschwebenden Kletterer blickt, der gerade vor ihm die Route geklettert ist. 

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Dabei kennt ihn die Kletterszene weniger für seine schweren Sportkletterbegehungen. Bekannt und bewundert wurde und wird er vor allem wegen seiner scheinbar waghalsigen Free-solo-Projekte. Zuletzt kletterte Honnold Anfang 2014 die Route "El Sendero Luminoso" (7c+, 15 Seillängen) im mexikanischen Klettergebiet El Portrero ohne Seil.

Sie gilt neben Hansjörg Auers Begehung des "Weg durch den Fisch" an der Marmolada-Südwand als derzeit schwerste Free-solo-Begehung der Welt. Nach Klassikern wie "Phönix" (5.13a, IX/IX+), "Rostrum" (5.11c, VIII-) oder "Astroman" (5.11c, VIII-), die er ebenfalls ohne Seil beging, also wieder eine lange Route.

Mein voller Name lautet … Alexander J. Honnold

Geboren wurde ich … am 17.08.1985 in Sacramento, Kalifornien.

Gelernt habe ich … viel, um schließlich doch ein Uni-Abbrecher zu werden.

Ich wohne in … einem Auto und bei meiner Mom.

Ich lebe mit … einer verstümmelnden Cookie-Sucht.

Facebook-Fans habe ich … viel zu viele!

Meine Website lautet … www.alexhonnold.com

Mich unterstützen … The North Face, Black Diamond, Clif Bar, Goal Zero, La Sportiva, New England Ropes, Ball Watch.

Meine größten persönlichen Erfolge sind … die Fitz-Traverse 2014 (5000 m Gratlänge, Schwierigkeiten bis VIII) in Patagonien im Alpinstil über 4 ½ Tage zusammen mit Tommy Caldwell, die Yosemite Triple Crown solo (Mt. Watkins, El Capitan und Half Dome – zusammen über 2100 Klettermeter, davon 90% free solo) in 18 Std. 50 Min. und 2008 die Regular Northwest Face (VIII, 600 m, 23 SL) am Half Dome free solo.

<p>Hat Biss: Alex Honnold</p>

Hat Biss: Alex Honnold

© Martin Miksch

Kurze klettert er nur sehr selten free solo und erklärt auch gleich warum: "Im Grunde genommen musst du dafür sorgen, dass du stirbst, wenn du abstürzt." Verkrüppelt zu sein sei eine seiner größten Ängste.

Wie er überhaupt offen und gleichzeitig sehr bescheiden über sich selbst spricht. Kein Raum für Selbstverliebtheit oder irgendeine Form von Überheblichkeit. Honnold ist der "Mr. No Big Deal". Er lässt es so scheinen, als ob seine Leistungen völlig normal wären. Dabei sind sie das überhaupt nicht.

Weit jenseits aller anderen Kletterer free solo zu klettern – diese Einschätzung ist nach Alex’ Meinung "keine Grundlage für einen Vergleich. Denn vielleicht sind alle anderen nur grottenschlecht und ich daher nur mittelmäßig." Das ist keine Koketterie. Honnold meint es ernst. Er fühlt sich nicht wie jemand Besonderes.

"Nur weil ich eine Sache ganz besonders gut kann, heißt das gar nichts, wenn jeder andere alles andere besser kann! Das ist doch nicht sehr beeindruckend." Fakt sei, dass er viele Freunde habe, die viel stärker kletterten als er und nicht gesponsort seien, nur weil sie nicht bekannt seien.

Und er ergänzt: "Vielleicht bin ich in einer klitzekleinen Kleinigkeit besser als die meisten Menschen. Aber das ist verschwindend klein im Vergleich zum restlichen Klettersport", sagt er und steigt in die Route "Neurotica" (7c) am Höhlenrand ein.

Fünfzehn Minuten später ist er ziemlich genervt. Er konnte die "Neurotica" nicht rotpunkt klettern. Das ist für ihn auch die Antwort auf die Frage, ob er sich weit außerhalb der Grenzen der Klettergemeinde bewege: "Nein, auf keinen Fall. Du hast doch gesehen, wie ich gerade in dieser Route versagt habe!"

<p>"Nahrung und Unterkunft - das ist alles, was wir brauchen", erklärt Alex Honnold (r.) Alpin-Redakteur Andreas Erkens.</p>

"Nahrung und Unterkunft - das ist alles, was wir brauchen", erklärt Alex Honnold (r.) Alpin-Redakteur Andreas Erkens.

Natürlich habe er immer mal wieder Momente nach schweren Free-solo-Projekten, in denen er sich denke: Oh Mann, was für eine extreme Erfahrung. "Aber der Rest meines Lebens verläuft ziemlich durchschnittlich und normal. Mit meinen Freunden rausfahren, Routen versuchen und … scheitern!"

Letzteres ist allerdings bei seinen Free-solo-Projekten keine Option. Und wenn, dann eine tödliche. Dessen ist er sich durchaus bewusst. Deshalb setzt er sich mit seinen Routen auch im Vorfeld auseinander und überwindet so die Grenzen, die ihn sonst dabei behindern würden.

Er erklärt: "Bevor ich einsteige, habe ich viele Zweifel: Kann ich diese Route, soll ich sie und will ich sie überhaupt klettern? Ist es sicher genug?" Der Prozess sei zwar nicht immer genau der gleiche, aber er denke einfach immer viel über die Route nach, über seine Wünsche, Hoffnungen, die Risiken und mögliche Konsequenzen und Belohnungen.

Aber sobald er entschieden habe, einzusteigen, habe er diese Grenzen schon hinter sich gelassen. Dann sei es nur noch eine Frage der körperlichen Ausführung. In einem Interview erzählte Honnold einmal, er fühle sich bei seinen Solos, als trüge er eine Art mentale Rüstung.

<p>Ran an den Fels: Vor und nach dem Interview mit Andreas Erkens widmete sich Honnold wieder seiner Lieblingsbeschäftigung.</p>

Ran an den Fels: Vor und nach dem Interview mit Andreas Erkens widmete sich Honnold wieder seiner Lieblingsbeschäftigung.

© Andreas Erkens

Heute, acht Jahre später, sei das nicht mehr so: "Ich habe mich als Kletterer weiterentwickelt. Damals habe ich versucht, mich mit einem Panzer zu umgeben, der mich gegen meine Ängste schützt. Heute versuche ich, die gesamte Erfahrung anzunehmen." Klar könne er sich beim Solo-Klettern selbst überlisten, indem er einfach nicht nach unten schaue.

"Aber um ein wirklich guter Free-solo-Kletterer zu sein, muss man hinunterschauen können. Vielmehr noch: Man muss es sogar lieben!", verrät Honnold sein Geheimnis und fährt fort: "Du musst offen sein für die ganze Erfahrung! Ich werde nichts solo klettern, zu dem ich mich selbst überlisten muss, da könnte ich ja gleich bouldern gehen."

Natürlich ist ihm bei allen seinen Unternehmungen auch die Meinung seiner Familie wichtig. Seine Mutter und seine Freundin vertrauen ihm, dass er schon die richtigen Entscheidungen treffen werde und keine unnötigen Risiken eingehe, sagt Honnold. Dann fügt er hinzu: "Ich mache ja nichts Verrücktes. Das Solo-Klettern ist alles ziemlich kalkuliert und geplant."

Seine Freundin wisse eine ganze Menge über seine Pläne und woran er gerade arbeite, sagt Honnold. Dennoch sprechen sie nicht viel darüber. "Sie sagt nicht, dass sie nicht möchte, dass ich solche Solos klettere. Aber sie möchte natürlich nicht, dass ich das tue." Honnold lacht. Er weiß, dass sie einfach nur sein Bestes will.