"Quo Climbis?" - Wohin geht das Bergsteigen?

Messner und Freunde: "Der Berg muss wild bleiben!"

"Der Berg muss wild bleiben." Das ist das Fazit einer sogenannten Diskussionsrunde im Messner Mountain Museum Firmian auf Schloss Sigmundskron bei Bozen. Hausherr Reinhold Messener scharte Top-Bergsteiger, viele Fans und Berufs-Bergsteiger um sich. Auch ALPIN-Chefredakteur Bene Benedikt war dabei: "Gute Idee, sehr gute Aussagen, schlechte Umsetzung."

Messner und Freunde: "Der Berg muss wild bleiben!"
Bergprominenz am Tisch.
Bergprominenz am Tisch.

Denis Urubko gähnte schon nach dem dritten Statement. Klar: Worüber sollen Top-Alpinisten auch diskutieren, wenn sie eigentlich alle einer Meinung sind. Nämlich der von Vordenker und Gastgeber Reinhold Messner, der mit wenig provokanten, weil allgemein akzeptablen Thesen den Nachmittag eröffnet hatte. Es ging auch nicht gegen der Tourismus, sondern … um ein Spitzentreffen des internationales Profi-Alpinismus, das, so Messner, von nun an jährlich zu einer fixen Nabelschau zum Zustand des Alpinismus werden soll.

Gastgeber und Moderator: Reinhold Messner.
Gastgeber und Moderator: Reinhold Messner.

Gastgeber waren Messner Mountain Museum, der International Mountain Summit in Brixen und des Trento Filmfestival. Rund 150 Bergsteiger, Journalisten und Fachleute diskutierten auf Firmian über die Zukunft des Alpinismus. Reinhold Messner, eigentlich als Moderator angekündigt, leitete den Nachmittag ein: "Es gibt keinen richtigen und falschen Alpinismus. Jeder hat das Recht, auf einen Berg zu steigen, wie er es will.

Es geht um die Werte, die Erfahrungen möglichlichen. Die Berge sollen nicht Als-ob-Gefahrenräume sein.

" Mit dieser Keynote von Reinhold Messner, dem kurzen Eröffnungs-Statement, dass der Berg bitte wild bleiben möge, war eigentlich alles gesagt. Den Stars auf dem Podium blieb da wenig Luft für eigene Thesen, auch wenn sie es tapfer versuchten:

Hervé Barmasse , 35, Nordwand-Spezialist und Bergführer in vierter Generation: "Unser Ziel sollten neue Abenteuer in nahen Bergen sein."

Heinz Mariacher , 56, Dolomiten-Freikletterer : "Wer eine Route eröffnet, hat keine Verantwortung für den Nachsteiger. Eine Route soll auch nicht versichert werden, sondern original bleiben."

Alfred Precht , 65, Erstbegehungs-Ethiker: "Bohrhaken sind schlimm, aber notwendig."

Hans-Peter Eisendle , 56, Bergführer: "Ich gehe in die Berge, um meine Wildheit ausleben zu können. Deswegen verteidige ich die Wildheit in den Bergen."

Denis Urubko , 39, kasachischer 8000er-Abenteurer: "Abenteuer ist nicht genug. Alpinismus ist ‚Artistismus' (hat also etwas mit Kunst zu tun)".

Roger Schäli , 35, Universal-Alpinist: "Wir können auf jedem Niveau schwer klettern, wenn wir alte Routen bewahren. Denn die Kletterer konzentrieren sich auf wenige Plätze. Es gibt Möglichkeiten, fast nie einem anderen Kletterer zu begegnen. Man muss nicht alles publizieren. Das hat jeder selbst in der Hand."

Gruppenbild mit Hausherr.
Gruppenbild mit Hausherr.

Moderator Messner fasste zusammen, beantwortete Fragen und holte weit aus: Der Berg wird mehr konsumiert als früher. Tourismus ist die Basis unserer Existenz, der Infrastruktur, Mobilität und Sicherheit bietet, aber es muss auch Raum für den Alpinismus geben. Der Unterschied ist: Im Tourismus trägt jemand anders die Verantwortung, ein Veranstalter oder Investor; im Alpinismus liegt die Verantwortung nur beim Bergsteiger, da gibt es keinen Verantwortlichen außerhalb der Seilschaft. Denn Bergsteigen ist die Kunst des Überlebens.

Der Tourismus ist auf dem Gipfel des Everest angekommen: Jahr für Jahr werden zwei Pisten von den Sherpas präpariert. Die bieten den Gipfel, aber keine tiefe Erfahrung. Es kommt darauf an, dass wir den wilden Raum erhalten. Für die Outdoor-Konsum-Sport ist Platz genug am Rand der Gebirge: Touristische Infrastruktur soll dort erlaubt sein, wo der Menschen seit Tausenden von Jahren unterwegs, als Jäger und Sammler, als Bauern und Händler, also in den Alpen bis ca. 2500 Meter, in den Anden bis ca. 4000 Meter und im Himalaya bis ca. 5000 Meter Höhe. Darüber sind und waren immer nur Verrückte unterwegs ("only crazy people go."). Das ist auch in Ordnung, aber sie haben kein Recht, dieses Habitat zu ändern. Soweit Messner. Alles gut und richtig!

Engagiert bei der Sache: Reinhold Messner.
Engagiert bei der Sache: Reinhold Messner.

Auch Hans Peter Eisendle steuerte Differenziertes bei: "Als Bergführer bin ich ein Mini-Tourismus-Unternehmer. Wenn alles präpariert wird für eine breite Masse, dann braucht es keine Bergführer mehr. Ich bin davon abhängig, dass es eine sogenannte Wildnis gibt, in der ich meine Fähigkeiten einbringen kann. Ich fühle mich als Vermittler zwischen unberührtem Naturraum und der zivilen Gesellschaft."

Einer der Lichtblicke waren der kurze Schlagabtausch mit Michael Larcher vom OeAV, der gerne als Sparringpartner für Messners Alpenvereins-Phobie herhielt und Messners klare Thesen zu Skitouren auf Piste. Klar, als Bergbauer sieht er die Berge nicht unbedingt als Jedermanns-Raum, sondern als Wirtschaftsfläche. Und wer wirtschaftet, hat keinen Grund, andere daran gratis teilhaben zu lassen. Also Originalton RM: "Skitouren auf Pisten sind parasitärer Alpinismus. Wenn ich Investor wäre, würde ich das verbieten."

Fazit: Diskussion war es keine, aber eine fruchtbare Begegnung! Lernziele für (hoffentlich) nächstes Jahr:

a) ein Moderator ist kein Diskutant (also Messner aufs Podium, das ein Neutraler leitet) und

b) entweder Top-Alpinisten über ein kontroverses Thema streiten lassen - oder die Bühne kontrovers besetzen, mit wortkräftigen Persönlichkeiten aus verschiedenen Lebenswelten!

Text und Fotos: Bene Benedikt

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