Medizin

Angst vorm Bock

Zecken oder Holzböcke sind Krankheitsüberträger. Dabei kann man sich recht einfach schützen. Wir sagen Ihnen wie.

Angst vorm Bock
Vollgesogene Zecken sind um das Vielfache größer als Zecken vor dem "Angriff".
Vollgesogene Zecken sind um das Vielfache größer als Zecken vor dem "Angriff".

Der Angriff der Bösewichter geschieht meist völlig unbemerkt. Im niedrigen Gras, zwischen Farnen oder Sträuchern harren sie aus und warten, bis ein passendes Opfer vorbeistreift. Egal, ob Mensch oder Tier, wenn der "gemeine Holzbock" (wissenschaftlicher Name: Ixodes ricinus) seine Beute riecht, geht es flott: Der stecknadelkopfgroße Blutsauger krallt sich am Opfer fest, krabbelt an eine passende Stelle auf der Haut und beginnt zu saugen. Aus Sicht der Zecke geht es um eine Menge: Ein Weibchen kann bis zum 400-Fachen ihres Körpergewichts an Blut aufnehmen.

Bakterien und Virenschleudern

Aus Menschen-Perspektive wiederum ist das bisschen Blut nicht der Rede wert und besonders schmerzhaft sind Zeckenstiche auch nicht. Warum also sind die winzigen Biester jedes Frühjahr aufs Neue in vieler Munde?

Der Grund dafür sind die Erreger, die bei diesen Attacken mit ins Geschehen eingreifen. Denn Zecken sind wahre Bakterien und Virenschleudern: Weltweit übertragen sie etwa 50 verschiedene Krankheiten, wenn auch die meisten sehr selten sind.

Dr. Rainer Oehme arbeitet beim Referat Allgemeine Hygiene und Infektionsschutz am Landesgesundheitsamt in Baden-Württemberg.
Dr. Rainer Oehme arbeitet beim Referat Allgemeine Hygiene und Infektionsschutz am Landesgesundheitsamt in Baden-Württemberg.

"In Deutschland spielen für den Menschen hauptsächlich zwei eine Rolle", erklärt Dr. Rainer Oehme vom Referat Allgemeine Hygiene und Infektionsschutz des Landesgesundheitsamts Baden-Württemberg, "die Frühsommer- Meningoenzephalitis (FSME) und die Lyme-Borreliose."

Auch wenn der Übertragungsweg über Zecken bei beiden Krankheiten der gleiche ist, haben sie ansonsten kaum etwas gemeinsam. Schon die Erreger unterscheiden sich grundsätzlich:

Während FSME, eine mitunter lebensgefährliche Hirnhautentzündung, durch Viren hervorgerufen wird, sind für die Lyme-Borreliose Bakterien (Borrelien) verantwortlich. Dabei handelt es sich um eine langwierige, chronische Entzündung, die im schlimmsten Fall nach Jahren mit Nervenleiden und psychischen Problemen einhergeht.

Deutlich unterscheidet sich auch die Zahl an Betroffenen. "Schätzungsweise 40 000 bis 60 000 Menschen erkranken pro Jahr in Deutschland an einer Borreliose", stellt Oehme fest.

FSME-Fälle gibt es deutlich weniger: 2011 wurden gerade einmal 423 gemeldet. Das liegt daran, dass Borrelien sehr viel häufiger als FSME-Viren in Zecken vorkommen. Oehme: "Man kann davon ausgehen, dass bundesweit im Schnitt etwa 20 Prozent aller Zecken Borrelien übertragen können, aber nur höchstens 2,5 Prozent FSME-Viren."

Trotz dieser Seltenheit hat das Robert-Koch- Institut (RKI) in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland sowie Thüringen für FSME Risikogebiete ausgewiesen. Dort ist die Gefahr einer Infektion deutlich erhöht.

"Wer in einer solchen Gegend wohnt oder dorthin reist und viel in der Natur unterwegs ist, sollte sich gegen FSME impfen lassen", raten Experten wie Oehme daher. Weder per Impfung noch mit anderen Maßnahmen gelingt es dagegen, einer Lyme-Borreliose vorzubeugen.

Immerhin: Die Erkrankung lässt sich in der Regel gut mit Antibiotika behandeln. Der Ratschlag des Experten: Jeden Zeckenstich genau beobachten. Entwickelt sich ein ringförmiger Ausschlag, sollte ein Arzt aufgesucht werden - ebenso wenn Kopf- und Gliederschmerzen nach einem Zeckenstich auftreten. Diese Symptome können auf eine Borreliose hinweisen.

Im Idealfall kommt es gar nicht erst so weit, denn es ist möglich, sich vor den kleinen Blutsaugern wirkungsvoll zu schützen. "Zecken krallen sich nur bis zu einer Höhe von einem Meter am Menschen fest. Sie lassen sich nicht, wie oft vermutet, von Bäumen fallen", stellt Oehme klar. "Wer also lange Hosen und feste Schuhe trägt, minimiert sein Risiko erheblich."

Übrigens: Sorgfalt ist ganzjährig angebracht, denn Zecken sind aktiv, wenn das Thermometer über zehn Grad Celsius klettert.

Vorsicht also auch an schönen Tagen in der kalten Jahreszeit!

Aus ALPIN 05/13