Medizin

Was bringt Taping?

In immer mehr Sportarten wird der Tape-Verband zur wichtigen Säule der Verletzungsprophylaxe und -therapie. In den Medien begegnet einem dabei vor allem das Kinesio-Tape. Doch wie wirkt das Taping und was steckt hinter dem Mythos Kinesio-Tape?

Was bringt Taping?
Ein Tape-Verband bietet eine schonende Bewegungseinschränkung. (Foto: Digitalstock)
Ein Tape-Verband bietet eine schonende Bewegungseinschränkung. (Foto: Digitalstock)

Der erfahrene Kletterer weiß, wie unangenehm eine Beeinträchtigung der Hand oder der Schulter in der Wand sein kann. Die hohe Belastung, kombiniert mit einer vielleicht gerade ausgeheilten Verletzung, zum Beispiel des Hand- oder Schultergelenks, können nach einiger Zeit zum echten Problem werden.

Die Belastung ist noch nicht so möglich wie vor der Verletzung und erste lokale Ermüdungserscheinungen treten schon nach kurzer Zeit auf. Gerade in solchen Situationen hat eine bestimmte Therapieform immer mehr an Bedeutung gewonnen: das Taping (oder auch Tapen).

Die Fakten:

  • Der Tape-Verband bietet eine schonende Bewegungseinschränkung, ohne dass eine komplette Ruhigstellung die Folge ist.
  • Dabei wird die Wahrnehmung von Bewegung und von der Stellung der Gelenke im Raum sensibilisiert und so eine aktive Vorbeugung vor weiteren Verletzungen ermöglicht.
  • Komplikationen eines falsch oder zu lange angelegten Verbandes können Hautirritationen und Durchblutungsstörungen sein.
  • Das Kinesio-Tape ist elastisch und im Gegensatz zum herkömmlichen Tape wellenförmig beklebt.
  • Je nach Klebetechnik wirkt es muskelaufbauend oder -entspannend und kann bis zu einer Woche belassen werden.

Ob Fuß-, Knie-, Schulter-, Ellbogen, Handoder Fingergelenk, die Anwendungsmöglichkeiten sind mannigfach und werden immer ausgefeilter. Doch was bringen diese auf der Haut haftenden Pflasterstreifen?

Flexible Stabilität

ALPIN Expertin: Christina Hiller, staatl. geprüfte Physiotherapeutin.
ALPIN Expertin: Christina Hiller, staatl. geprüfte Physiotherapeutin.

"Der Tape-Verband ist ein sogenannter funktioneller Verband, der keine vollständige Ruhigstellung bewirken soll, sondern nur übermäßige Bewegungen verhindert", beschreibt die staatlich geprüfte Physiotherapeutin Christina Hiller den Hauptzweck dieser Anwendung.

Weiter erklärt sie: "Um bei körperlicher Aktivität eine gewisse Bewegung zuzulassen, aber zum Beispiel Extrembewegungen eines angeschlagenen Gelenks zu verhindern, ist der Tape-Verband eine sehr praktikable Lösung."

Dabei wird nach sinnvoller Diagnosestellung ein Komplex aus einseitig klebenden Streifen um das betroffene Gelenk oder die zu schützende Muskelpartie angebracht. Die Wirkung des Tape-Verbands kann, je nach Anforderung, unterschiedlich genutzt werden. Der wohl wichtigste Aspekt dabei ist die Augmentation.

"Augmentation beschreibt einfach nur die Verstärkung des Kapsel-Band-Apparates durch den Verband", fasst Hiller zusammen. Ein weiterer Effekt des Verbandes ist die Verbesserung der sogenannten Propriozeption. Unter Propriozeption versteht man die Wahrnehmung von Bewegung und der Stellung der Gelenke im Raum, also ein entscheidender Faktor der Bewegungskoordination.

"Dadurch werden ungünstige Bewegungen besser wahrgenommen und vermieden. So kann man dem Reißen eines vorgeschädigten Bandes vorbeugen oder die weitere Überbeanspruchung angeschlagener Muskelpartien verhindern." Im Vergleich zum Gips oder zu einer vorgefertigten Schiene erlaubt der Tape-Verband noch eingeschränkt Bewegung und ist auch in seiner Anfertigung deutlich schneller und einfacher.

Das Kinesio-Tape: Je nach Klebetechnik wirkt es muskelaufbauend oder -entspannend. (Foto: Digitalstock)
Das Kinesio-Tape: Je nach Klebetechnik wirkt es muskelaufbauend oder -entspannend. (Foto: Digitalstock)

"Jedoch sollte man sich hüten, selbst eine Diagnose zu stellen und dann den vermeintlich helfenden Tape-Verband anzulegen", warnt Hiller. "Ein falsch angelegter Verband kann zu gefährlichen lokalen Durchblutungsstörungen führen und erhöht das Thromboserisiko. Des Weiteren ist er bei definitiven Verletzungen nicht Therapie der Wahl, hier sollte die Schonung im Vordergrund stehen. Wenn der Verband dann auch noch zu lange auf der Haut bleibt, kommt man vom Regen in die Traufe."

Hautirritationen können die Folge zu sein. Deshalb sollte man bei einem Tape-Verband, angepasst an den Anwendungszweck und die Stelle, an der er angebracht ist, nicht zu lange warten, ihn wieder zu entfernen.

Hiller hat hierzu folgenden Tipp: "Zwei Tage sind ein guter Richtwert. So werden anschließende Hautprobleme weniger wahrscheinlich und bei einer vorliegenden Verletzung sollte nach dieser Zeitspanne ohnehin wieder eine Untersuchung durchgeführt werden."

Kraft des Glaubens?

Weit verbreitet: Kinesio-Tape kommt auch z.B. im Fußball zum Einsatz. (Foto: www.picture-alliance.com)
Weit verbreitet: Kinesio-Tape kommt auch z.B. im Fußball zum Einsatz. (Foto: www.picture-alliance.com)

Ob absoluter Schwachsinn, reiner Placebo- Effekt oder tatsächliche Wirkung – das Kinesio-Tape gibt Anlass zu Diskussionen. Seit ein paar Jahren sieht man immer mehr der bunten Klebestreifen. Ob in der Stadt, beim Hallensport oder in den Bergen. Was aber steckt nun dahinter?

Das Kinesio-Tape ist im Vergleich zum "normalen" Tape elastisch und hat einseitig wellenförmig aufgebrachten Kleber. "Es kann in verschiedenen Zusammenhängen angewandt werden", beginnt die Tape-Expertin die Anwendung des Kinesio- Tapes zu beschreiben, "grundsätzlich entscheidet die Klebetechnik, welche Wirkung man am Muskel erzielen will."

So kann entweder eine tonisierende, also den Muskel anregende oder detonisierende, den Muskel entspannende Wirkung erzielt werden. "Der tonisierende Effekt wird genutzt, um nach einer Verletzung oder Operation wieder eine gute Muskelfunktion erlangen zu können", beschreibt Hiller diesen speziellen Aspekt.

"Hier kommt aber noch eine weitere Funktion ins Spiel: Durch den wellenförmigen Kleber und die elastische Struktur des Tapes wird bei Bewegung die obere Hautschicht leicht angehoben. Dadurch erreicht man eine Verbesserung des Blutflusses und eine Verstärkung des Lymphabflusses." Eine Abschwellung des geschädigten Bereichs ist die positive Folge.

"Die detonisierende Wirkung dagegen hilft, verspannte oder auch schmerzende Muskelpartien zu entlasten." Damit ist die Anwendung sowohl als Reha-Maßnahme, aber eben auch im Sport und in der Schmerztherapie, zum Beispiel bei Rückenschmerzen, etabliert.

"Das aufgebrachte Tape kann dabei, im Gegensatz zum normalen Tape-Verband, ruhig eine Woche auf der Haut belassen werden", erklärt Christina Hiller. Dabei muss aber eines unbedingt betont werden: Dass bestimmte Farben bestimmte Wirkungen und Anwendungsbereiche haben, ist bis jetzt noch nicht ansatzweise nachgewiesen worden. Es bleibt also jedem selbst überlassen, ob er der "Farbenlehre" Glauben schenkt oder nicht.