Special: Sonnenland Südtirol

Simon Gietl im Porträt

Der Kletterer Simon Gietl ist ehrgeizig und gleichzeitig fair. Er gibt dem Berg die Chance, ihn abzuwerfen. Bei alldem will er ein guter Vater sein. Und ein freier Mann.

Simon Gietl im Porträt
© Südtirol Marketing/Alex Filz

Simon Gietl zeigt auf sein Handgelenk. Da hat er sich im vergangenen Januar bei seiner Expedition in Patagonien verletzt. Vier Wochen musste er pausieren. Als er endlich wieder Fels unter seinen Fingern spürte, kam er sich vor wie ein Junkie: "Ich habe gespürt, der Stoff rinnt wieder durch mein Blut." Der Kletterer aus Bruneck im Pustertal (Österreich) schüttelt den Kopf, bis das kleine Zöpfchen unter seinen wilden Haaren hin und her pendelt. Vier Wochen. Länger hätte er es kaum ausgehalten. Zwei Tage Klettern, ein Tag Pause, und selbst da geht er laufen oder "viel spazieren". Das ist sein Rhythmus. Er gehört schließlich zu den besten Klettersportlern der Welt.

Darf nicht ins Schwitzen kommen: Simon Gietl
Darf nicht ins Schwitzen kommen: Simon Gietl
© Südtirol Marketing/Alex Filz

Schon immer haben Simon Gietls Uhren anders getickt. Das Klettern hat er entdeckt, als er 18 war. Ein Bergsteiger nahm ihn damals ein Stück im Auto mit und setzte ihm einen Floh ins Ohr: "Sportklettern ist etwas für Weicheier. Nur Alpinklettern ist für richtige Jungs." Fünf Tage später hing Simon Gietl mit seinem Bruder und ein paar Freunden in einer Wand. Er gab seinen Tischlerberuf auf und heuerte als Ausfahrer in einer Bäckerei an. Jeden Tag stand er um Viertel vor vier auf, um halb acht Uhr waren alle Brötchen geliefert. Feierabend. "Ich war meistens früher fertig." Er beeilte sich, weil er den Tag zum Klettern brauchte. Nicht einen Tag krank sei er in diesen zwei Jahren gewesen. Nebenbei machte er eine Ausbildung zum Bergführer.

Entscheidend ist, wie man auf den Gipfel kommt

Heute lebt Simon Gietl vom Bergsteigen. Der 29-Jährige ist Mitglied des internationalen alpineXtrem Teams des Bergartikelherstellers Salewa. Wenn er nicht gerade neues Material testet oder auf Expedition in Patagonien, Himalaya, China oder Grönland ist, führt er Menschen in die Berge. Als wir ihn treffen, packt er gerade sein Auto voll. Am Nachmittag zeigt er Mittelschülern in der Halle, wie man klettert. "Ich kann machen, was ich am liebsten tue, und verdiene auch noch Geld damit", lacht Simon Gietl, dem viel daran liegt, ein "freier Mann" zu bleiben.

Der Profikletterer lebt davon, dass er in Form bleibt
Der Profikletterer lebt davon, dass er in Form bleibt
© Südtirol Marketing/Alex Filz

Er ist ein Abenteurer. Das gibt er zu. "Natürlich macht man das deswegen." Gleichzeitig ist Simon Gietl kein Kraftprotz, der sich am Berg sein Feingefühl abgewöhnt hat. Im Gegenteil. Der Gipfel an sich ist für ihn kein Ziel. "Entscheidend ist, wie man hinaufkommt", sagt er. Wenn er dem Berg schon auf den Leib rückt, so will er doch fair bleiben, dorthin klettern, wo der Berg es zulässt, Risse suchen, die es ihm erlauben, seine Haken einzuhängen. Bohrhaken, die mit dem Akkuschrauber in den Fels getrieben werden und den Berg verletzen, lehnt er ab. Simon Gietl: "Ich gebe dem Berg eine Chance." Die Chance, ihn abzuwerfen. Drei Erstbegehungen hat er deswegen nicht abgeschlossen. "Ich mag lieber scheitern, als mich auf den Gipfel hinaufbohren."

Sommer 2013 in den Dolomiten. Mit seinem Kletterpartner Patrick Seiwald steht Simon Gietl am Lagazuoi und schaut an der Felswand nach oben. Vier Tage lang bereiten sie die Erstbegehung vor, erkunden die einzelnen Seillängen. Streckenweise ist der Stein splittrig, stellen sie fest, wie oft in den Dolomiten. "Eher schien es unmöglich, dass wir das schaffen", erinnert sich Simon Gietl. "Das Orakel", so nennen sie die Route. Gerne gibt Simon Gietl seinen Touren Namen, die eine Geschichte erzählen: Edle Mischung, Fairplay, Fior di vite, Eventyr. Am Ende ist das Orakel am Lagazuoi ihnen hold. Das Abenteuer gelingt. In drei Tagen klettern sie die überhängende Wand in freier Begehung von unten nach oben. Ein Nervenspiel.

Simon Gietl bereitet seine Expedition nach China im Oktober 2014 vor.
Simon Gietl bereitet seine Expedition nach China im Oktober 2014 vor.
© Südtirol Marketing/Alex Filz

Zwei bis drei Expeditionen unternimmt Simon Gietl im Jahr. Gut sechs Wochen ist er dann jeweils unterwegs. Im Oktober 2014 steht China auf dem Programm. Davon hält ihn auch seine junge Familie nicht ab. "Meine Freundin hat mich so kennengelernt, wie ich bin", sagt Simon Gietl. Dafür steht er jetzt wieder zeitig auf, er will möglichst früh vom Training zurücksein, um noch Zeit mit Söhnchen Iano zu verbringen.

Text: Gabriele Crepaz

Die ganze Geschichte über Simon Gietl lesen Sie auf: wasunsbewegt.com/simongietl

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Alpinwellt Weissenbach

Simon Gietl war erst gestern (Samstag, 28. März 2015 in der Alpinwellt Weissenbach im Ahrntal zur Präsentation seiner neuen Multivisionshow! Ein sympatischer junger Mann mit einer ganz grossen Leidenschaft - dem Klettern!
Bravo Simon! Gratuliere zum gelungenen Vortrag und Alles Gute für deine Zukunft!