Interview mit Wolfgang Feiersinger

Vom Fußballprofi zum Hüttenwirt

Er war Fußballprofi, spielte für Borussia Dortmund und gewann sogar die Champions League. Heute ist Wolfgang Feiersinger Hüttenwirt in den Kitzbüheler Alpen. Und glücklich.

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© Stöckl

Feiersinger ist fünfzig Jahre alt und völlig zufrieden. 17 Jahre lang war Fußball sein Leben. Er spielte fast fünfzig Mal für die österreichische Nationalmannschaft, unter Trainer Ottmar Hitzfeld wurde er mit dem BVB 1997 sogar Champions-League-Sieger. Davor holte er in elf Jahren bei Casino Austria Salzburg mehrere nationale Titel. Zum Ende seiner Fußballkarriere arbeitete Feiersinger selbst als Trainer. Und dann? Dann zog es ihn in die Berge. Heute betreibt der Salzburger gemeinsam mit seiner Partnerin Karin Rass die 1553 Meter hoch gelegene Hochwildalm in Aurach.

ALPIN sprach mit dem Ex-Profi über Fußballgehälter, Kletter- und Skitouren, wandernde Fußballfans, den Besuch von Andy Möller, den Bau eines Hühnerstalls und was Matthias Sammer wohl über ihn denkt.

Volle Hütte in Dortmund bedeutete vor 60 000 Zuschauern im Westfalenstadion zu spielen. Auf der Hochwildalm sind die Kapazitäten etwas kleiner. Wie schwer fiel diese Umstellung?

(lacht) Heute ist die Hütte voll, wenn drinnen wie draußen alle 70 Plätze – im besten Fall im Wechsel – besetzt sind. Ich bin mit der Region stark verwurzelt und habe diesen Weg freiwillig gewählt. Daher fiel mir die Umstellung leicht – ich liebe die Berge!

Du bist in Saalfelden am Steinernen Meer geboren. Hast du die Liebe zur Natur erst wiederentdeckt?

Berge früher? Dafür fehlte mir die Zeit. Es gab nur den Fußballplatz.

<p>Johanna Stöckl im Gespräch mit Wolfgang Feiersinger.</p>

Johanna Stöckl im Gespräch mit Wolfgang Feiersinger.

© Archiv Feiersinger

Als Profifußballer warst du es gewohnt, bedient zu werden. Heute bewirtest du selbst Gäste – ein harter Rollenwechsel?

Ich habe mit dem Fußball und seiner Scheinwelt abgeschlossen. Heute übe ich einen Gastronomie-Job aus. Bei aller Idylle hier oben: Das Gastgewerbe ist phasenweise anstrengend (lacht). Die Gäste werden nicht einfacher. Wobei, Wanderer und Mountainbiker sind meist angenehme Zeitgenossen.

Was gibt dir das Leben auf der Alm?

Wenn du frühmorgens in aller Ruhe vor der Hütte frühstückst oder abends nach dem Geschäft etwas Zeit für dich hast, vielleicht noch ein paar Freunde da sind, das sind unbezahlbar schöne Momente.

Ein Champions-League-Sieger könnte sorgenfrei in Rente gehen. Warum tust du dir die Arbeit als Hüttenwirt an?

Der Mensch braucht eine Beschäftigung. Ohne Aufgabe versumpft man doch total. Wir haben seinerzeit zwar sehr gutes Geld, aber noch keine Unsummen wie heute verdient.

Wolfgang Feiersinger
  • Mein voller Name lautet … Wolfgang Feiersinger.
  • Geboren wurde ich am … am 30.01.1965 in Saalfelden.
  • Ich wohne in … St. Johann in Tirol.
  • Mit mir wohnt … meine Lebensgefährtin Karin Rass.
  • Gelernt habe ich … Kaufmännische Lehre, Gendarmerie.
  • Mich unterstützen … heute keine Sponsoren mehr.
  • Facebook Fans habe ich ... Ich bin nicht bei Facebook.
  • Meine Webseite lautet ... Ich selbst habe keine Webseite, aber es gibt eine für die Hütte: www.hochwildalm.at
  • Meine wichtigsten Erfolge ... UEFA Cup Finale 1994 (SV Austria Salzburg), Champions-League-Sieger 1997 (BVB), Weltpokalsieger 1997 (BVB), 3x Österreichischer Fußballmeister, 50 Länderspiele für Österreich, WM-Teilnahme 1998 in Frankreich.
© IMAGO

Mit dem Fußball hast du nach Ende deines Engagements als Jugendtrainer bei Red Bull Salzburg endgültig abgeschlossen?

Als bodenständiger Mensch habe ich die Freude am Fußball über die Jahre ein wenig verloren. Alles drehte sich nur noch ums Geld. Außerdem bist du, ob als Spieler oder Trainer, ständig unterwegs. Dieses Rumgegurke hatte ich satt. Für mich gibt es mehr im Leben als 70 mal 100 Meter Rasen (lacht). Wobei meine Kollegen, die dem Fußball treu geblieben sind, ihr Geld leichter verdienen als ich.

Wie bist du überhaupt Hüttenwirt geworden?

Karin und ich waren oft beim Bergsteigen, Klettern oder Radlfahren. Unweigerlich kommst du immer wieder an netten Hütten vorbei und denkst dir: Hüttenwirt, das wär’ doch was. Die Hochwildalm kannten wir schon. Als wir hörten, dass unser Vorgänger aufhört, haben wir uns sofort beworben.

<p>Steil geschickt: Feiersinger beim Klettern.</p>

Steil geschickt: Feiersinger beim Klettern.

© Archiv Feiersinger

Was wohl Ex-Kollegen wie Karl-Heinz Riedle oder Matthias Sammer über dich denken?

Die sagen sicher, dass der Feiersinger spinnt (lacht)!

Welche deiner Eigenschaften hilft dir als Hüttenwirt?

Wir sind beide bodenständige Menschen, die anpacken können. Auch als Fußballer war ich ein Arbeiter. Meine Vielseitigkeit hilft mir hier. Ich werkel gerne herum, baue beispielsweise einen Hühnerstall, stelle einen neuen Zaun auf oder schnitze. Außerdem koche ich gern – ich bin also das Mädchen für alles.

Und was ist euch als Wirtsleuten wichtig?

Da unsere Lagermöglichkeiten begrenzt sind, gibt’s bei uns keine großen Gerichte. Aber wir legen Wert auf Qualität. Wir haben Brot vom Bauernhof, beziehen Speck und Würste von einem kleinen Metzger im Tal. Unsere Spezialität, wenn man so will, ist unser Gerstleintopf.

Hast du noch Zeit, selbst in den Bergen unterwegs zu sein?

Mit dem Wilden Kaiser haben wir eines der schönsten Kletterreviere überhaupt direkt vor der Haustür. Wenn es meine Zeit erlaubt, suche ich mir eine schöne alpine Route aus, irgendeinen Klassiker.

So ambitioniert?

(lacht) Ich bin alles andere als gut. Auch beim Klettern bin ich ein Spätberufener und geh’ so meine VIer-G’schicht’n oder im Nachstieg mal einen VIIer. Fleischbank, Dülferturm, Kirchl-Express, so was in der Art eben.

Wie wurdest du vom Fußballer zum Kletterer?

Bergtouren wurden mir irgendwann zu fad. Und ich habe permanent gesehen, wie die Kletterer in den Wänden hingen, das hat mir imponiert. Zugleich hatte ich Respekt. Dann habe ich mit Klettersteiggehen angefangen und festgestellt: alles halb so wild. Später ging ich dann in den Klettergarten. Das Seiltechnische habe ich mir selbst beigebracht und angelesen. So wächst man hinein. Klettern ist ein toller Sport, super Ganzkörpertraining und gut für die Psyche.

<p>Nach der Profi-Karriere: Auf hochalpinen Skitouren.</p>

Nach der Profi-Karriere: Auf hochalpinen Skitouren.

© Archiv Feiersinger

Skitouren? Bergtouren?

Wenn das Geschäft vorbei ist, gehen wir gern noch schnell auf einen Gipfel. Im Winter ist Skitourengehen meine größte Leidenschaft – mit 50 bis 70 Touren im Jahr. Freitag und Samstag haben wir auch während der Wintermonate geöffnet. Der Kessel, in dem wir uns hier befinden, ist schneesicher und als Tourengebiet bekannt. Wir hatten teilweise so viel Schnee, dass man die Hütte gar nicht mehr sehen konnte. Dann muss alles ausgefräst und freigeschaufelt werden. Im Winter ist die Hütte ein kleines Abenteuer. Mir gefällt das und unseren vielen Stammgästen auch.

Woher kommt euer Strom?

Die Bauern neben uns haben ein kleines Wasserkraftwerk, das 20 KW liefert und Melkmaschine sowie Haushaltsgeräte versorgt. Daran hängen wir auch – mit Kühlschränken und Glasspüler. Unser Geschirr spülen wir per Hand. Aber bei wenig Regen wird’s eng mit dem Strom – denn die Bauern gehen vor!

Profitiert ihr eigentlich vom neuen Bichlalmlift?

Wer mit dem neuen Lift hochfährt, kommt über eine der schönsten Kammwanderungen im Gebiet zu uns – Genuss vom Allerfeinsten.

Besuchen dich auf der Hochwildalm auch Fußballfans?

Ja, es kommen immer wieder Gäste, meist aus Deutschland, um zu schauen, was ich so mache. Das freut mich. In Deutschland hat Fußball einen viel größeren Stellenwert als hier. Die Fans vergessen einen nicht. Die wissen noch immer ganz genau, was man geleistet hat.

Waren auch schon Ex-Kollegen zu Besuch?

Andy Möller stand eines Tages unangemeldet vor der Hütte. Knut Reinhardt war schon bei mir. Ingolstadts Trainer Ralph Hasenhüttl ebenfalls. Vor wenigen Tagen waren meine Salzburger Kollegen aus der 94er Generation da.

Apropos vergessen: Vermisst du Dortmund?

Dortmund kann man nicht vergessen. Ottmar Hitzfeld hat mich erst in einem Alter geholt, als für mich der Zug als Fußballer eigentlich schon abgefahren war. Mit 31 Jahren zum BVB geholt zu werden, war mein Riesenglück. Matthias Sammer war verletzt und Hitzfeld brauchte schnell einen Spieler, der etwas internationale Erfahrung mitbrachte und diese Position besetzen konnte. Plötzlich spielte ich also beim geilsten Verein der Welt. Fans, Stimmung, Stadion – einzigartig beim BVB!

<p>Feiersinger spielte von 1996 bis zum Jahr 2000 insgesamt 57 Mal für Borussia Dortmund.</p>

Feiersinger spielte von 1996 bis zum Jahr 2000 insgesamt 57 Mal für Borussia Dortmund.

© IMAGO

Du stehst dem BVB also noch sehr nahe. Bist du manchmal im Stadion? Wenn ja: Fankurve oder VIP-Tribüne?

Mein Herz schlägt nach wie vor für den BVB, ist doch klar. Ich will bald wieder mit Freunden dorthin fahren. Und ja: Karten für die Südtribüne wären mir lieber – ich will die Atmosphäre inhalieren.

Hast du einen Fernseher auf der Hochwildalm und wenn ja, schaust du überhaupt noch Bundesliga?

Ja, es gibt einen Fernseher. Und die Sportschau ist Pflicht! Die deutsche Bundesliga verfolge ich natürlich regelmäßig, die österreichische eher am Rande.

Deine Tochter Laura hat mit dem FC Bayern München die deutsche Meisterschaft gewonnen. Warst du stolz, als sie mit Robben & Co. auf dem Mu¨nchner Rathausbalkon stand?

Freilich. Das sind auch für mich als Vater emotionale Momente.

Der Borusse Feiersinger hat also kein Problem damit, wenn Laura beim FC Bayern spielt?

Natürlich nicht! Ich freue mich für Laura. Der FC Bayern ist auch im Frauenfußball ein paar Schritte weiter als andere Vereine.

28. Mai 1997, Münchner Olympiastadion, Champions-League-Finale ohne dich. Schmerzt das noch?

Darauf werde ich noch oft angesprochen. Und ja, es nagt immer noch an mir. Obwohl ich ein gutes Verhältnis zu Ottmar Hitzfeld habe und er sich bei mir entschuldigt hat, hat er mir die bittersten Stunden meiner Karriere beschert. Mich wurmt das immer noch. Als Außenstehender kann man sich das nicht vorstellen. Man reist drei Tage vorher nach München, trainiert gut. Dass Sammer spielte, war nie ein Thema. Am Finaltag bittet mich der Trainer mittags zu einem Gespräch, von dem ich glaubte, es sei eine Taktik-Besprechung. Da bekam ich die Nachricht, dass ich nicht einmal auf der Ersatzbank, sondern auf der Tribüne sitze. Niederschmetternd.

Mein Stichwort. Im Dezember 2013 bist du bei einem Gedenkturnier in Reutte zusammengebrochen und schwebtest laut Medienberichten in Lebensgefahr. Wie ernst war die Lage?

Sehr dramatisch. Es kam aus heiterem Himmel. Ich meinte beim Auflaufen noch, einer der Fittesten auf dem Platz zu sein. Dann passierte es. Von jetzt auf gleich. Mir wurde schwindelig, ich brach zusammen. Mein Puls spielte völlig verrückt – zwischen 50 und 270 Schlägen pro Minute. Aber ich war bei vollem Bewusstsein. Eine extreme Herzrhythmusstörung, deren Ursache man nie genau feststellen konnte. In Innsbruck wurde mein Zustand unter Narkose Gott sei Dank wieder stabilisiert. Man sagte mir, so ein Vorfall könnte einmalig sein, könnte sich aber auch wiederholen. Ich habe zwar ein vergrößertes Sportlerherz, aber nach eingehenden Untersuchungen bestätigte man mir, dass das Herz an sich gesund ist. Psychisch hat dieser Vorfall allerdings Spuren hinterlassen. Dieses Unerwartete, das macht mir schon zu schaffen. Man wird bei jedem noch so kleinen Signal seines Körpers hellhörig. Das hat mich sehr verunsichert.

Und wie geht es dir jetzt?

Seit über sechs Monaten traue ich mir wieder fast alles zu und komme mit der Situation gut klar!

Dann bleibt uns nur, dir zu wünschen, dass das auch in Zukunft so bleibt und du dir wieder alles zutrauen kannst!

Vielen Dank!

Text von Johanna Stöckl

4 Kommentare

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Mariazeller Land

Der Wolfgang is wirkli so bescheiden, des konnt i bei meiner Radltour zur Hochwildalm in seiner letzten Saison am Berg, bestätigen.

B.V. 30.05.2022

Ein toller Bericht !!! und ein super Typ !!!der erkannt hat das materielle Dinge
nicht viel mit Glück zu tun haben.
Ich wünsche Herrn Freisinger und seiner Partnerin noch viele gesunde u. schöne Jahre in einer traumhaften Umgebung.

Sgd

Danke Denise und laura sgd

hias

geiler typ