Nach der Katastrophe

Nepal und die Folgen des Erdbebens

Viele Fragen, wenig Antworten: Nepal steht vor den Trümmern, die das verheerende Erbeben vor knapp zwei Wochen hinterließ. ALPIN-Redakteurin Romana Bloch wirft einen bergsteigerischen Blick auf die aktuelle Situation und die Zukunft des Tourismus.

Nepal und die Folgen des Erdbebens
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Wie ist die aktuelle Situation?

Noch schlimmer als gedacht: Das UN-Büro für Katastrophenhilfe (Ocha) teilte mit, dass wohl doppelt so viele Häuser zerstört sind wie zunächst angenommen. Rund 256 000 Häuser seien zerstört, weitere 213 000 schwer beschädigt. Vor allem die Stein- und Lehmhäuser in den Bergen hätten dem Beben der Stärke 7,8 nicht standgehalten. Etwa ein Viertel der 31 Millionen Einwohner Nepals ist nach UN-Schätzungen von dem Beben betroffen.

Das Epizentrum des Bebens lag etwa 80 Kilometer nordwestlich von Kathmandu. Die Hauptstadt und die Region nördlich und östlich davon wurden von etlichen schweren Nachbeben erschüttert. Berichten zufolge ist beispielsweise der Ort Langtang im Langtang-Nationalpark drei Tage nach dem Erdbeben durch eine Lawinenabgang bzw. Mure komplett zerstört worden. In der beliebten Wanderregion 60 Kilometer nördlich von Kathmandu werden bis zu 200 Tote befürchtet, darunter viele Trekking-Touristen. Ähnlich Dramatisches berichtet die deutsche Bergsteigerin Billi Bierling im Interview mit dem Spiegel: "Die Region im Osten Nepals, nördlich der Stadt Bahrabise, die auf der Straße nach Tibet liegt, ist die Zerstörung extrem. Da hat das Erdbeben alles flach gemacht."

Inzwischen konnten laut lokalen Medien mittlerweise etliche von Erdrutschen verschüttete Straßen freigeräumt werden. So sei der Araniko Highway, der von der Hauptstadt Kathmandu gen Osten führt, nun einspurig befahrbar.

Bergsteiger, die nach dem Beben und einer darauf folgenden Lawine noch im Basislager des Mount Everest ausgeharrt hatten, verlassen inzwischen nach und nach das Gebiet, wie die Bergsteigerbehörde aktuell mitteilte. Die Regierung hat zwar die Klettersaison nicht offiziell für beendet erklärt, doch ist die Route zum Aufstieg beschädigt und die Sherpas lehnen es derzeit ab, sie zu reparieren.

Das Everest-Basislager nach dem schweren Lawinenabgang
Das Everest-Basislager nach dem schweren Lawinenabgang
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Was bedeutet das Erdbeben für den Tourismus?

Konkret im Moment wird natürlich von Reisen in die Erdbebenregion abgeraten. Viele Reiseveranstalter haben aktuell ihre Touren abgesagt. Trekkinganbieter wie Wikinger oder DAV SummitClub helfen vor Ort mit Zelten, Schlafsäcken und Ausrüstung aus eigenen Beständen. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, sollen in den nächsten Wochen Mitarbeiter nach Nepal geschickt werden: einerseits, um zu sehen, wie man die Spendengelder am besten einsetzen kann, andrerseits, um sich ein Bild von der Zerstörung zu machen und zu sondieren, wann wieder Reisen möglich sind. "Nach der Nothilfe ist ganz sicher die beste Hife: wieder hinreisen", sagt Summit-Club-Geschäftsführer Manfred Lorenz. "Es herrscht große Angst, dass die Touristen wegbleiben. Das wäre die zweite Katastrophe."

Bis Juli seien alle Reisen abgesagt, aber für die nächste Trekkingsaison, die im September beginnt, wollen fast alle wieder Gruppen hinbringen. "Die Wanderwege werden ja auch von den Einheimischen genutzt, die werden bald wieder hergerichtet sein", ist Hauser-Chef Häuptl überzeugt. Die Veranstalter haben wohl Stornierungen, aber auch schon wieder Buchungen für den Herbst.

Bierling sieht die Lage etwas anders: "Die Bergsteiger, Abenteurer und Trekking-Touristen werden hier erst mal nicht mehr Urlaub machen können. Das Desaster hat Nepal um Jahre zurückgeworfen, ohne die Touristen wird es sich auch nur langsam erholen können."

Was können Bergsteiger tun, wenn sie eine Reise nach Nepal gebucht haben?

Jeder, der einen Urlaub in das Erdbebengebiet gebucht hat, kann laut Reiserechtler Paul Degott "die Reise kündigen". Dabei fallen keine Stornogebühren an. Am besten wendet man sich direkt an den Reiseveranstalter. Dies gilt auch für Reisen, die erst im Herbst stattfinden.

Bergsteiger und Sherpas warten in Lukla auf den Weiterflug nach Kathmandu.
Bergsteiger und Sherpas warten in Lukla auf den Weiterflug nach Kathmandu.
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Was ist mit Beben mit den Bergen passiert?

Das Hochgebirge wurde definitiv verschoben. Der Everest wurde geknautscht. "Um mehrere Zentimeter" liege sein Gipfel nun höher oder tiefer, berichtet Kenneth Hudnut, Geophysiker beim Geologischen Dienst der USA ( USGS) in einem Artikel auf Spiegel online. Zu dem Ergebnis kämen Computersimulationen, die Bodenverschiebungen nach Erdbeben berechnen.

Erste Analysen haben ergeben, dass sich der Boden in Nepal durch das Beben extrem verformt hat. Neuesten Messungen von Radarsatelliten zufolge verrutschten Ortschaften nördlich von Kathmandu sogar um fünf Meter. Nördlich der Stadt hat sich der Boden zudem großflächig um bis zu zwei Meter gehoben, das zeigen Radardaten des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt DLR. Das Hochgebirge hat sich dem DLR zufolge weiträumig um Dutzende Zentimeter abgesenkt.

Am Mont Everest aber, in größerer Entfernung zum Beben, sagt Geophysiker Hudnet, verformte sich der Boden anscheinend weniger stark. Da es sich jedoch um die höchste Erhebung der Welt handelt, sind ein paar Zentimeter in gewisser Weise weltbewegend.

Text von Romana Bloch

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