Nordwand-Expedition läuft wie geplant

Kaltenbrunner und Dujmovits im Basislager des Everest

Noch vor kurzem war ungewiss, ob die chinesischen Behörden Gerlinde Kaltenbrunner und Ralf Dujmovits die Einreise nach Tibet gestatten würden. inzwischen ist das Bergsteiger-Ehepaar jedoch im vorgeschobenen Basislager auf der Nordseite des Mount Everest angekommen. Ihr Vorhaben: die Nordwand des Berges über das extrem anspruchsvolle "Supercouloir" zu durchsteigen. Bei einem Erfolg könnte Gerlinde ihren 13. Achttausender "abhaken", Ehemann Ralf hätte alle 14 ohne Flaschen-Sauerstoff gemeistert. Lesen Sie Ralf Dujmovits Bericht aus dem Basislager...

Kaltenbrunner und Dujmovits im Basislager des Everest
Angenehme Gesprächspartnerin: Mit Miss Hawley beim Mittagessen in Kathmandu. Bild: www.amical.de
Angenehme Gesprächspartnerin: Mit Miss Hawley beim Mittagessen in Kathmandu. Bild: www.amical.de

Liebe Freunde,

Soviel vornweg: es geht uns gut und unsere Akklimatisation schreitet gut voran. Seit 12. April abends sind wir in unserem vorgeschobenen Basislager auf 5550m.

Kaum mehr konnten wir es erwarten, wieder in Kathmandu zu landen. Die zwei Tage in Kathmandu hatten wir wie immer viel zu tun. Die Luftfracht kontrollieren, restliches Material in unserem Store bei der Agentur zusammen zu packen, letzte Einkäufe….

Von Deutschland aus hatten wir uns bereits mit Miss Hawley zum Mittagessen verabredet. Wir waren erleichtert, sie in "alter Frische" wieder zu sehen. Es geht ihr mit ihren inzwischen 86 Jahren gut und sie ist nach wie vor 100%ig bei der Sache. Wie immer wollte sie genau wissen, was wir vorhaben, wann, zu wie vielen und wie lange.

Am zweiten Nachmittag nahmen wir uns Zeit, wieder einmal die Altstadt von Kathmandu zu besuchen. Seit etlichen Tagen hatte die Müllabfuhr gestreikt, dementsprechend sah es auf den Strassen aus und es stank vielerorts grausig. Zum Glück war der Streik am nächsten Tag vorbei und die Putzkolonnen kehrten eifrig die Strassen sauber.

Am 04. April sehr früh starteten wir mit einem Bus Richtung tibetischer Grenze. Jetzt konnte es so richtig losgehen. Wir freuen uns beide sehr, dieses Mal nur als Zweierteam gemeinsam mit unserem langjährigen Koch Sitaram zum Everest zu fahren. Aber erst noch mussten wir die Grenze bei Zangmu gut passieren.

Überraschung: Die Straße über den Lalung-Leh-Pass (5050m) ist geteert. Bild: www.amical.de
Überraschung: Die Straße über den Lalung-Leh-Pass (5050m) ist geteert. Bild: www.amical.de

Wir waren eine der ersten Gruppen dieses Frühjahr, dementsprechend streng und genau kontrollierten die Grenzbeamten unsere gesamte Ausrüstung. Um 17.00 Uhr chinesischer Zeit (5.45 Std. vor MEZ) betraten wir Tibet. Den noch jungen, inzwischen zuständigen Verbindungsoffizier für den Grenzübertritt kennen wir schon seit vielen Jahren, umso mehr freuten wir uns, ihn wieder zu sehen.

Zeitgleich mit uns reisten drei spanische Bergsteiger (Jesus, Pedro und Alfredo) sowie Rolf Eberhardt und Andreas Sippel, die am Nordostgrat unterwegs sein werden, an.

Am nächsten Morgen fuhren wir mit einem Jeep weiter nach Nyalam. Wir staunten nicht schlecht, dass die gesamte Strecke asphaltiert bzw. zum Teil betoniert war. Statt der früher üblichen 3,5 Stunden Schlaglöcherfahrt benötigten wir nun nur mehr 1,5 Stunden!!

In Nyalam auf 3700m trafen wir unseren langjährigen Freund Tashi. Seit über 20 Jahren ist er Mittelsmann zwischen den chinesischen Behörden und den ausländischen Bergsteigern. Zur Eröffnung seines neuen Hotels gab er abends ein Fest bei tibetischem Tanz und Lagerfeuer.

Unsere erste leichte Akklimatisationswanderung unternahmen wir auf eine 4500m hohe Erhebung gleich hinter Nyalam. Von dort oben hatten wir einen imposanten Blick auf die Berge der Gaurishankar Gruppe und den Jugal Himal südöstlich des Shisha Pangma.

Für eine Bildergalerie der Everest-Expedition von Ralf Dujmovits und Gerlinde Kaltenbrunner klicken Sie auf das Bild oder auf diesen Link. Noch eine weitere Nacht zur besseren und langsamen Höhenanpassung verbrachten wir in diesem kleinen Ort bevor wir am nächsten Tag weiter auf asphaltierter Strasse über den 5050m hohen Lalung Lee Pass nach Tingri fuhren. Für das Frühjahr überraschend trockene Luft erlaubte uns einen glasklaren Blick in die Shisha Pangma Nordflanke.

Mixer statt Bambusrohr

Tingri ist ein mittlerweile großes Dorf auf 4200m gelegen. An die großen Scharen von bellenden Hunden mussten wir uns erst wieder gewöhnen. Immer mehr vermischt sich die tibetische mit der chinesischen Kultur und Lebensart. Wir begegnen Tibetern telefonierend auf ihren Motorrädern. Anstelle der traditionellen Bambusrohre zur Zubereitung von Buttertee wird inzwischen einfach der elektrische Mixer in Betrieb genommen. Auch hier zieht langsam die Moderne ein.

Auf halbem Weg ins Basislager besuchten wir noch ein tibetisches Dorf namens Zombuk mit den typischen Flachdachhäusern eng aneinander geduckt. Eine Bekannte hatte uns Geld für die von ihr initiierte Schule mitgegeben, das wir an dieser Stelle übergeben haben. Vier kleine Klassenzimmer gibt es, in denen im Moment 35 Schüler von einem chinesischen Lehrer unterrichtet werden. Ohne Engagement dieser Münchner Bergsteigerin in Zusammenarbeit mit Eco Himal würde hier immer noch Analphabetismus vorherrschen.

Beeindruckend: Die Nordwand des Everest. Bild: www.amical.de
Beeindruckend: Die Nordwand des Everest. Bild: www.amical.de

Auf holpriger Schotterstrasse ging es die letzten eineinhalb Stunden bis zum sogenannten Chinese Basecamp auf 5200m. Über Allem dominierte die so beeindruckende Nordwand des Mount Everest. Die fast 3000 Meter hohe Wand läßt einem vorerst das Herz fast in die Hosentasche rutschen.

Deutlich weniger Expeditionen als im Jahr 2005, als wir uns gemeinsam mit Hirotaka schon einmal am Everest versuchten, waren diesmal auf dem zwei Fußballfelder großen Platz anwesend. Internationales Hallo - gute Bekannte von überall aus der Welt sind eingetroffen. Am zweiten Basislagertag besuchten wir das Kloster Rongbuk, wo wir bereits unsere Puja für den Everest feiern konnten.

Angenehme Stille und Einsamkeit auf 5500 Metern Höhe

Spät am nächsten Vormittag kam der chinesische Verbindungsoffizier mit drei Helfern und unseren Yakpa´s sowie acht Yaks. Das gesamte Gepäck und Essen für die kommenden sechs Wochen wurde abgewogen und gerecht auf die Yaks verteilt.

Sehr langsam kamen wir auf den unwegsamen Schotterhängen voran. Nur selten steigen Bergsteiger am zentralen Rongbuk Gletscher auf. Unsere Bewunderung für die Yaktreiber mit ihrer grenzenlosen Geduld für ihre Viecher ist endlos. Pfeifend und singend trieben sie ihre Tragtiere stundenlang voran.

Kurz vor Einbruch der Dunkelheit erreichten wir die uns vertraute kleine Mulde auf 5550m. Angekommen! Wegen der Kälte bauten wir nur noch das Küchenzelt und unser kleines Biwakzelt auf. Ein Yakpa holte einen Kanister voll Wasser vom 20 Minuten entfernten Gletscher, Sitaram kochte noch einen Topf voll Nudelsuppe und schon bald lagen wir in unseren Schlafsäcken. Mitten in der Nacht geweckt wurden wir durch ein starkes Gewitter das unmittelbar über uns niederging.

Herzlich: Ralf Dujmovits verabschiedet einen Yak-Treiber.
Herzlich: Ralf Dujmovits verabschiedet einen Yak-Treiber.

Am nächsten Morgen verabschiedeten sich die Yaktreiber mit ihren weißverschneiten zotteligen Tieren von uns. Plötzlich wurde es hier - nur mehr zu dritt - völlig still und einsam. Was wir als sehr angenehm empfinden!

Die letzten beiden Tage haben wir uns hier gut und gemütlich eingerichtet. Heute Morgen kam der Bruder eines Freundes von Sitaram herauf. Er wird ihm in den nächsten Tagen Gesellschaft leisten und unterstützen. Inzwischen besucht uns auch täglich eine sechsköpfige "Himalaja - Schneehuhnfamilie".

Die Blauschafe von 2005 haben sich bisher noch nicht blicken lassen. Aber vielleicht ist es noch zu früh. Letzte Nacht hatten wir hier auf 5550 - 10 Grad. Der Frühling darf kommen.

Voraussichtlich werden wir am 17.04. zum ersten Mal zum Fuß der Everest Nordwand aufsteigen. Dort möchten wir unser großes Ziel zwei Tage lang aus der Nähe beobachten und uns gleichzeitig weiterhin gut zu akklimatisieren.

Für Heute senden wir euch ganz herzliche Grüße aus dem Everest Nordwand Basislager!

Gerlinde und Ralf

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