Die besten Modelle im Produkttest 2017

Test: Lawinen-Airbags: Vier neue Systeme 2017

Trotz schneearmer Winter setzt sich der Trend der Lawinen-Airbags weiter fort. Vier neue Systeme sind in dieser Saison auf den Markt gekommen – mit Stärken und Schwächen.

Produkttest: Wir haben 10 Airbag-Rucksäcke mit verschiedenen Systemen  verglichen.
© Birgit Gelder

Wohl kaum ein Marktsegment im Wintersportbereich ist derzeit so stark umkämpft wie der Markt der Lawinen-Airbags. In Österreich kursieren weltweite Verkaufszahlen von 70 000 bis 100 000 Stück, die pro Jahr verkauft werden. Das halten wir für (deutlich) zu hoch gegriffen. Realistisch ist nach Einschätzung einiger Hersteller aktuell eine Größenordnung um die 50 000 Stück.

Mit den Lawinenrucksäcken scheint es also so zu sein wie mit den Sicherungsgeräten beim Klettern: Sie avancieren zu einem Image-Produkt. Allerdings zu einem sehr teuren Image-Produkt. Denn eine Lizenz für ein Airbag-System (kaum ein Anbieter hat ein echtes eigenes System) kostet einen Hersteller schnell mal eine siebenstellige Euro-Summe.

<p>Ortovox und Arva brauchen ein Extra-Tool zum Zurückdrehen der Einstechnadel.</p>

Ortovox und Arva brauchen ein Extra-Tool zum Zurückdrehen der Einstechnadel.

© Birgit Gelder

Trotz allem kommen alleine in dieser Saison vier neue Systeme auf den Markt. Damit gibt es inzwischen elf eigenständige Airbag-Systeme. Die neuen sind das P.Ride von ABS, der Voltair von Arc’teryx, das Reactor von Arva und das Avabag von Ortovox.

<p>Den Akku-Pack des Voltair von Arc’teryx kann man zum Laden herausnehmen.</p>

Den Akku-Pack des Voltair von Arc’teryx kann man zum Laden herausnehmen.

© Birgit Gelder

Das Arc’teryx-Sytem arbeitet ganz grob so ähnlich wie das vor zwei Jahren vorgestellte Jet-Force-System von Black Diamond und Pieps. Ein mittels Akku angetriebenes Turbo-Gebläse füllt in wenigen Sekunden einen Einkammer-Airbag mit 150 Liter Volumen. Das System hat den Vorteil, dass eine Auslösung oft geübt und wiederholt sowie demonstriert werden kann.

Nachteile sind recht viel Elektronik und ein ziemlich hohes Gesamtgewicht. Der Arc’teryx-Rucksack, in dem das System "verpackt" ist, ist gewohnt schlicht.

<p>Der Griff des Avabag von Ortovox steht vor und kann jederzeit gut gegriffen werden.</p>

Der Griff des Avabag von Ortovox steht vor und kann jederzeit gut gegriffen werden.

© Birgit Gelder

Arva, letztes Jahr noch ABS-Inside-Partner, wartet 16/17 mit einem recht leichten eigenständigen System auf, dem Reactor. Über einen Bowdenzug wird eine Patrone angestochen und über ein Venturi-Ventil Außenluft angesaugt und so der Airbag gefüllt. Als einziger Anbieter neben ABS setzt Arva auf einen Zwei-Kammer-Airbag, der aber nicht als solcher erkennbar ist.

Das System ist in Relation zum nutzbaren Volumen des Rucksacks das leichteste und zudem preislich interessant. In der Handhabung erscheint es beim ersten Mal etwas umständlich, zum Zurückdrehen der Einstechnadel gibt es ein extra Tool und zum Ablassen des aufgeblasenen Airbags auch. Allerdings gewöhnt man sich daran und so oft lässt man ja auch keine Luft aus seinem Airbag.

Auch Ortovox hat zur aktuellen Saison ein eigenes System, das Avabag. Hier wird mittels Bowdenzug eine Patrone angestochen und füllt dann einen Einkammer-Airbag. Auch der Avabag verlangt ein Tool zum Zurückdrehen der Einstechnadel (liegt lose bei). Das Ortovox-Sytem wird als leichtestes System auf dem Markt gehandelt, in der "Gramm-pro-Liter-Rucksackvolumen-Rechnung" ist Ortovox allerdings schwerer als Arva. Die nachgemessene Volumenangabe weicht bei Ortovox doch stark von der Herstellerangabe ab. Mit nutzbaren 20 Litern im Hauptfach wird es auf (Tages-) Skitouren mit Steigeisen knapp …

Die innovativste Neuerung bei den Lawinen-Airbags ist das P.Ride von ABS. Hier ist eine Gruppenauslösung möglich oder auch eine einzelne Fremdauslösung. Beim Einschalten des Systems konfigurieren sich die P.Ride-Modelle untereinander und der Normal-Modus ist der, dass jedes Gruppenmitglied alle anderen mitauslösen kann. In Anbetracht der Tatsache, dass es inzwischen etliche Todesfälle bei Lawinenverschütteten gibt, die einen Airbag auf dem Rücken hatten, diesen aber nicht ausgelöst haben, sicherlich eine ganz interessante Option.

Die Reichweite des Systems beträgt maximal 500 Meter, dabei wirkt jeder Teilnehmer (jedes P.Ride-System) als Transmitter. So kann rechnerisch eine Gruppe von fünf Personen mit P.Ride einen Teilnehmer mit Airbag in 2,5 Kilometer Entfernung auslösen. Für Ehepaare und Familien, die viel Freeriden, und natürlich für kommerzielle Gruppen ist dieses System sicherlich ganz interessant. Leider ist das P.Ride recht schwer (mit dem 32-Liter-Rucksack fast 4 Kilo) und auch nicht ganz billig.

Lawinenrucksäcke und Skitourenairbags im Test. Das ist unser Fazit.

Auf dem Markt findet jeder ein passendes Airbag-System. Es gilt abzuwägen, was einem wichtig ist: das Gewicht, der Preis, eine gute Packbarkeit oder das höchstmögliche Maß.

Hier findet ihr unseren Test mit zehn Airbag-Rucksäcken. Klickt auf das Produktbild für eine Großansicht:

Text von Olaf Perwitzschky

2 Kommentare

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Jürgen

Habe mir den ABS P.Ride Professional 32 L als Schnäppchen, für 460 EUR zugelegt.
Das ABS Airbag-System ist erwiesen gut.
Der Rucksack an sich, da schließe ich mich dem Kommentar von Helmut 50 an geht Richtung Katastrophe.
Ich bin 1,75 m, 62, kg, (also schlanker Körperbau).
Trageriemen:
- Einstellung in Breite unmöglich (für mich als Schmaler viel zu breit)
- Einstellung in Höhe/Rückenlänge auch Fehlanzeige
Tragekomfort (Rückenauflage) zu hart und unflexibel.
Auslösegriff: wird ständig vom Obrtarm gestreift bei Stockbewegung (trotz Brust-quer-Gurt geschlossen)
-> ist viel zu weit außen, kann nicht nach innen verlegt werden.
Auslösegriff kann auch nicht weiter nach unten gesetzt werden, um das Streifen zu verhindern ist schon in der Unteren Halterung.
Das Hauptfach hat seinen Namen nicht verdient.
Viel zu Kleine Öffnung zum Packen. Keinerlei chance an etwas unten zu kommen, ohne alle auszuräumen.
Zudem gehen da nie 32 Liter rein. Jeder andere Rucksach in der Größe mit anständigen Deckelfach ist um Klassen besser.
In das Hauptfach ragen 2 Hochangepriesene von außen erreichbare Taschen für Wasserflasche.
Die nehmen aber das Packvolumen des so schon kleinen Hauptfachs weg.
Oder anders: ist das Hauptfach voll sind die Taschen total nutzlos.
DAnn haben diese beiden Innetaschen auch noch 2 Innenreisverschlüsse um die Dinge aus dem Rucksackhauptfach rauszunehmen...
Was eigentlich unmöglich ist, weil Öffnung Hauptfach zu klein. Man kommt da nicht ran.
Das geht nicht einmal unter Laborbedingungen im warmen Wohnzimmer. Geschweige denn draußen.
Reißverschlüsse bringen anscheinend Pluspunkte.
2 kleine Dokumenten/Schlüsselfächer sind vorhanden. (eins ist vollkommen ausreichend, durch mehr Fächer passt nicht automatisch mehr rein).
Der Rucksack wird so nur unübersichtlicher und schwerer.
Gut ist die Pickelhalterung unten. Aber oben fehlt etwas um den Pickelstiel festzumachen.
Ohne Einschränkung gut ist die sogenannte Daisy-Chain, um die HelmBefestigung flexibel zu variieren.
Alles in Allem: Als Rucksack in der 32 l Version völlig ungeeignet.
Taugt nicht für eine Tour mit Übernachtung auf Hütte, wo man auch nur einen Hüttenschlafsack braucht und ein absolutes Minimum an Zahnbürste und Wechselshirt.
Nur zur Tagestour verwendbar - leider....
Grüße
Jürgen

Helmut50

Habe in den letzten 2 Jahren alle gängigen Systeme getestet, da ich von der Rückrufaktion von ABS nicht gerade begeistert war - Rucksack unauffindbar etc etc. Wollte ursprünglich einen Pieps kaufen, aber dieser Rucksack ist so ziemlich das Unnötigste, was ich je gesehen habe - Zugriff in den Rucksack, Tragekomfort, Qualitätsanmutung. Ortovox und Avra sind vom Tragekomfort unschlagbar, auch was die Details angeht. Bei mir ist es letztendlich ein Avra Reactor 32 geworden - ausschlaggebend war das 2 Kammersystem von Avra gegenüber den Ortovox.