"Segla" heißt Segel und genauso sieht der Felsklotz über dem Mefjord auch aus. Nur ist das steingewordene Tuch nicht sechs Meter hoch, sondern über 600. Der Anstieg beginnt fast auf Meereshöhe, der Gipfel versteckt sich in den Wolken. Es nieselt, die Steine auf dem Weg durch das moosige Birkenwäldchen sind rutschig.
Der Weg ist gut beschildert, der Pfad breit ausgetrampelt. Ja, man sieht, dass hier nicht mehr nur ein paar Insider unterwegs sind. An besonders schönen Sommertagen wollen mehr als 1000 Besucher auf dem felsigen Spitz stehen, ganz oben auf der Rahe sozusagen, und ihr Bild posten.
An einer der Krüppelbirken sehen wir ein merkwürdiges Gerät mit einem "Auge" – eine Überwachungskamera, wie sie Wildbiologen nutzen. Nein, aus Datenschutzgründen genau genommen keine Kamera, sondern nur eine Fotozelle, die zählt, was sich da vor ihr bewegt.
"Damit erfassen wir die Besucher", erklärt Jenny Hoff von Visit Senja. "Und ab und zu zählen wir wohl auch ein Tier", lacht sie. Jedenfalls lässt sich damit recht genau die Anzahl der Besucher ermitteln. Bis auf die wenigen, die den weiten Rückweg über den Nachbargipfel Barden wählen, läuft ja jeder zwei Mal durch die Fotozelle.
Es beginnt zu nieseln, doch ich fühle mich in den Teilen der Odin-Serie von Helly Hansen gut angezogen. Helly Hansen sagt, sie sei für die Teams der norwegischen Antarktis-Station entwickelt worden: Die Huginn Pant etwa ist eine Hose aus dünnem Softshell-Material. Trägt sich gut und sitzt mit geschlossenen Eingriffstaschen gut am Körper. Auch wenn ich an die feuchten Büsche streife, perlen die Tropfen ab.
Der Midlayer Phantom Mesh hat am Rücken einen Netzeinsatz: Was wohl eher für schweißtreibenden Ausdauersport gedacht ist, bewährt sich auch beim Steigen mit dem Rucksack, unter dem ich immer am meisten schwitze. Als der Regen zunimmt, streife ich das Odin 9 Worlds Jacket über, eine äußerst robuste Dreilagenjacke, die wie gemacht ist für widrige norwegische Winde und Regengüsse.
Der Weg springt über einen klaren Bach, windet sich um einzelne Bäume, wird etwas steiler und mündet in einen grasigen Rücken zwischen Mefjord und Ornfjord. Einen lustigen Namen hat diese kleine Hochfläche, von der aus es richtig steil auf den eigentlichen Segla-Gipfel führt: "Heia" heißt sie, nicht weil sie so schön zum Übernachten einlädt (da gibt’s bessere Stellen), sondern weil sie mit Heidekraut bedeckt ist. "Heia", das bedeutet "Heide", so erklären die Norweger, die uns begleiten. Klingt logisch. Und ... auch auf Heidekraut schläft man gut …
Aber gleich nach der Heia wird es steiler und der klar sichtbare Weg verzweigt sich in viele Trampelpfade. Der Alpenvereins-geschulte Bergbewohner ist ratlos: Welchen der vielen Pfade nimmt man also? Denn "Abschneider“, so haben wir gelernt, "zerstören die Vegetation“. Nun, alle Wege führen nach oben und wenn alle bewusst eher auf Steine treten als auf die Vegatation, dann bleibt das Segla auch schön.
Bald wird die Vegation ohnehin geringer; die Pfade verlaufen meist im Geröll und ganz oben über Felsen. Manchmal auch ganz nah am Abgrund. Der Blick hinunter ist einfach toll: Dunkelgrün glänzt in der Tiefe der Fjord mit den Ringen der Lachsfarmen, gegenüber die Gipfel der Teufelszähne. Und rechts am Horizont öffnet sich der weite Ozean. Zwischendrin zischen ein paar weiße Wolkenbäusche über die senkrechte Kante. Einfach grandios!
Chefredakteur Bene Benedikt hat bei seiner Reise nach Nordnorwegen auch Bergretter Fred-Arne von der dortigen "Folkehjelp" kennengelernt. Was der Bergwachtler in den ziemlich hohen und wilden Bergen Norwegens schon Spannendes erlebt hat, lest ihr im 5-seitigen Portrait in ALPIN 09/2019.
Eine Galerie mit weiteren Bildern der Reise findet ihr hier:
Unsere September-Ausgabe erhaltet ihr ab 10. August im Zeitschriftenhandel. Ihr könnt das Heft aber auch einfach über unseren Webshop gemütlich nach Hause bestellen.
Hier seht ihr Bergretter Fred-Arne von der Folkehjelp in Action:
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