Es gibt Stunk in der Lawinen-Experten-Community. Nicht, weil ein neuer Mitspieler das Parkett betreten hat. Und nicht, weil es sich dabei um einen kommerziellen Anbieter handelt. Nein, es gibt Stunk, weil die internationalen Bergführerverbände, darunter der Verband Deutscher Berg- und Skiführer (VDBS), sich um ihre Mitglieder, ihre Kunden und vielleicht auch ein kleinwenig um ihr Renommee sorgen.
Denn der "Stänkerer", die International Snow Training Academy (ISTA), sorgt mit ihren Aktivitäten und ihrem progressiven Markenauftritt kräftig für Furore. Warum?
Michael Lentrodt, VDBS-Präsident: "Das ISTA-System ist inhaltlich nichts Neues, sondern lediglich eine aufgepeppte methodische Aufbereitung von seit Langem Altbewährtem. Und es wird den Kunden so verkauft, als sei es der neue internationale Standard."
Dabei wäre ein gemeinsames Ausbildungskonzept für Lawinenkunde mit einheitlicher Lehrmethode und Fachterminologie aus Endverbrauchersicht sicher wünschenswert. Überall verständlich und auch für die Bergführer praktisch: Wenn Kunden irgendwo den Kurs X besucht haben, haben sie die Inhalte X also schon einmal gehört – egal ob in Chamonix oder in Jackson Hole.
Ein anderer Kritikpunkt des VDBS betrifft das unfertige, starre Modul-System der ISTA: Aktuell sind nur Inhalte der ersten beiden Stufen (Discovery und ST1) buchbar. ST2 und 3 sollen im kommenden Winter folgen. "Die gehen also auf den Markt und das System ist noch gar nicht ganz durchdacht?", wundert sich Lentrodt."Und wenn ich als Kunde schon Wissen besitze, muss ich alle Stufen stur nacheinander durchlaufen.", fährt er fort.
Der Zermatter Bergführer Anjan Truffer ist freier Mitarbeiter der ISTA und erklärt: "Wir sind offen und flexibel! Klar muss man irgendwo Grenzen ziehen, aber wer nachweisbar eine Ausbildung hat, muss sicher nicht im Discovery-Modul einsteigen! Die Richtlatte wird aber für alle gleich sein."
Für Truffer ist das Entscheidende, dass ISTA über die frische Methodik und den Community-Gedanken Menschen anspricht, die sich bislang nicht mit dem Thema Lawinen auseinandergesetzt haben: "Wenn man alle Leute abholt, die bisher ohne einen Funken Ahnung ins Gelände fahren, bringt das viel mehr Sicherheit für alle und generiert auch noch Einkünfte für die Bergführer."
Dafür müssen diese aber einen Instruktoren-Kurs besuchen, der 500 Euro kostet. "Dazu bekommen sie einige Starter-Pakete geschenkt, die sie wiederum über ihre angebotenen Kurse an Kunden weiterberechnen." Damit amortisiere sich die Kursgebühr für den Bergführer, der Vertragspartner sei und sich verpflichte, die Inhalte gemäß den ISTA-Vorgaben anhand der Unterlagen zu unterrrichten, so Truffer. Der müsse die rund 100 Euro teuren Sets bei der ISTA einkaufen und sie mit deutlichem Aufpreis weitergeben.
Von etwa 200 Euro Kurskosten für das Discovery-Modul gehen 100 an den Bergführer, der Rest an die ISTA. Die Kunden erhalten für den vollen Kurspreis Vouchers, die sie bei ISTA-Industriepartnern einlösen können.
Den VDBS störe aber nicht das neue Ausbildungskonzept, so Lentrodt: "Das kann jede Bergschule so machen, und wir werden sie nicht dafür kritisieren. Was uns stört, sind die fehlende Transparenz der Inhalte und die Franchise-Kosten, die der Bergführer in sein Kursangebot mit einrechnen muss. Das macht die Sache teurer." Truffer kontert: "ISTA ist kein Franchise-System! Niemand ist gezwungen, Kurse zu verkaufen. Aber natürlich müssen die (Weiter-)Entwicklung der Kurse und das Ausbildungsmaterial finanziert werden."
Lentrodt und seine internationalen Kollegen kritisieren auch fehlende Weiterentwicklungsmöglichkeiten der ISTAModule im Risikomanagement-Bereich.
Für Truffer kein Problem: "In den unteren Modulen spielen probabilistische Methoden keine Rolle und die höheren Module werden sicher so entwickelt, dass man lernt, mit verschiedenen Methoden zu arbeiten."
Genau da liegt das größte Problem für Lentrodt: "Mit den probabilistischen Methoden können Anfänger ohne großes Wissen anhand von Faustformeln, Rechenmethoden oder grafischen Hilfsmitteln im Gelände Entscheidungen treffen – diese Inhalte müssten also in den unteren Modulen gelehrt werden. Die ISTA bringt sie aber erst in den höheren Modulen (wenn überhaupt, die werden ja erst noch konzipiert!) – hier fehlt es meiner Meinung nach am grundsätzlichen Verständnis!"
Was hat der Endverbraucher also von ISTA? Eine weitere Möglichkeit, Lawinenfachwissen zu erlernen. Ob sich das noch unfertige Kurskonzept für diesen Preis durchsetzt, wird sich zeigen. Zumal es Lawinen-Camps über die SAAC oder in Schulen (Check your risk) sogar kostenlos gibt! Alles in allem wäre aber eine weitere weltweite Angleichung der Ausbildungen wünschenswert. Vielleicht sogar in Kooperation mit der ISTA? So wäre vor allem den Endverbrauchern geholfen!
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7 Kommentare
Kommentar schreibenJeder sollte verpflichtet werden sich weiterzubilden. Ich finde es gut das im DAV man nur mitgehen darf, wenn man eine Ausbildung hat.
Es macht durchaus Sinn, dass ein weiterer Spieler auf dem Markt ist und Lawinenkurse anbietet. Betrachtet man den Nutzen für die Skitourencommunity, sollte man alle Anstrengungen unternehmen, dass alle Bergsportler im Winter über die Gefahr von Lawinen Bescheid wissen. Ein Beispiel: wissen mehr Wintersportler Bescheid, werden weniger Leute durch Unwissenheit andere Wintersportler gefährden (fehlende Entlastungsabstände, Hänge einzeln befahren).
Klar, dass private Unternehmen in den stetig wachsenden Bereich des Off-Pist-Sports hinenstoßen und auch ihren Teil des Kuchens abhaben wollen. Auch klar ist, dass die Platzhirsche in diesem Bereich (VDBS) dies mit Argusaugen bewöhnen. Sei aus aus Gründen des Verbraucherschutzes oder aus Angst vor Umsatzeinbrüchen. Grundsätzlich belebt Konkurrenz das Geschäft. Ich persönlich buche jedoch gerne mit kurzen Vertriebswegen, damit möglichst viel von meinem Geld direkt bei der Person ankommt, die den meisten Aufwand trägt...der durchführende Bergführer.
Ich finde frei zugängliche, transparente und vor allem Inhalte nur einheitlicher Terminologie sinnvoll. Es soll doch alles in die gleiche Richtung gehen: Sicherheit am Berg! Das Wichtigste finde ich allerdings dass die immer größer werdende Anzahl an Nachwuchs, die im Freien Gelände unterwegs ist, sich dieses Wissen auch "leisten" können. Daher befürworte ich die Vorgehensweise des saacs sehr!
Der Beginn der vollends kommerziellen Lawinenausbildung. Irgendwann wird gefordert, daß diese kostenpflichtigen Schulungen Pflicht für jeden draußen ist und nur von bestimmten Unternehmen / Personen angeboten werden darf!
Ich hole mein Wissen bei Bergführer Verbänden und Alpenvereinen.
Es macht durchaus Sinn, dass ein weiterer Spieler auf dem Markt ist und Lawinenkurse anbietet. Betrachtet man den Nutzen für die Skitourencommunity, sollte man alle Anstrengungen unternehmen, dass alle Bergsportler im Winter über die Gefahr von Lawinen Bescheid wissen. Ein Beispiel: wissen mehr Wintersportler Bescheid, werden weniger Leute durch Unwissenheit andere Wintersportler gefährden (fehlende Entlastungsabstände, Hänge einzeln befahren).